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Wladimir Putins RusslandMission erfüllt, Putin kann gehen

Essay von Leonid Gozman

Die Bilanz von Russlands Präsident Putin ist verheerend – wirtschaftlich, demografisch und politisch. Das Adjektiv „russisch“ steht für Zerstörung.

Russlands Präsident Wladimir Putin bei dem Besuch einer Rüstungsfabrik am 18.01.2023 in St. Petersburg Foto: Ilya Pitalyov/Sputnik/reuters

R usslands Wladimir Putin glaubt wahrscheinlich selbst, dass es seine Mission sei, Amerika zu besiegen, eine neue Weltordnung zu schaffen, in der Russland das Sagen haben wird, und so weiter und so fort. Aber er irrt sich. Seine Mission war es, Russland zu vernichten. Und das hat er auch geschafft. Er kann nun in Frieden gehen.

Tatsächlich ist dies das Einzige, was er erreicht hat, sonst nichts. Die Wirtschaft schrumpft, die demografische Situation verschlechtert sich, die technologische Rückständigkeit vertieft sich, überall herrscht eine überwältigende Heuchelei – all dies sind Errungenschaften seiner Regierungszeit. Die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen. Krieg und Massaker sind der Höhepunkt.

Novaya Gazeta Europe in der taz

Die Novaya Gazeta ist Russlands älteste unabhängige Publikation. Nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde sie verboten. Das Team der Novaya Gazeta Europe hat das Land verlassen, um ihre Arbeit fortsetzen zu können und denjenigen eine Stimme zu geben, die die Invasion niemals akzeptieren werden. In diesem Dossier veröffentlicht die taz Texte russischer Jour­na­lis­t:in­nen über das erste Kriegsjahr und seine Folgen für die Welt und für Russland, über die Veränderungen in der russischen Bevölkerung, wofür das Adjektiv „russisch“ heute und in Zukunft steht, und berichten über Menschen, die Widerstand leisten. Die Texte sind auf Initiative der taz Panter Stiftung entstanden und geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Es ist bereits das zweite Dossier mit Texten der Novaya Gazeta Europe in der taz. Das erste ist im Mai 2022 erschienen. Die Texte des ersten Dossiers finden sich hier.

Für die Welt ist ein Land verschwunden, mit dem man zusammenarbeiten und interagieren kann. Nun bleibt nur ein Gebiet, von dem eine Bedrohung ausgeht. Um diese abzuwehren, muss man sich zusammenschließen.

Ein Land ist mehr als ein Gebiet. Das Territorium geht nirgendwohin, und die Menschen werden zumeist auch bleiben: Selbst heute ist es keine Mehrheit, die Russland verlässt. Ein Land ist eine Kultur, eine Lebensweise, eine Identität, eine Art, in der Welt gesehen zu werden. Das Land ist ein Bindeglied zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit – Kontinuität –, und die Zukunft betrifft sowohl das, was heute ist, als auch das, was früher war.

Das Land nach dem Oktoberputsch 1917

Unser Land ist schon einmal verschwunden – es wurde von den Bolschewiken zerstört. Nach dem Oktoberputsch gab es ein Territorium, auf dem gewisser Wahnsinn stattfand, aber zu Russland, zu seiner Kultur, zu seiner Geschichte hatte das keinen Bezug mehr, außer zu den patho­lo­gisch­sten Momenten – wie der Zeit der Herrschaft Iwans des Schrecklichen.

Das Land wurde zu einer Negation der russischen Geschichte und Kultur, es tötete oder verbannte diejenigen, die das alte Land symbolisierten, und ließ die Erinnerung an diejenigen, die vor 1917 gestorben waren, in Vergessenheit geraten oder entstellte sie. Danach erlebte das Land jahrzehntelang eine lange und schmerzhafte Wiederbelebung – aber es gelang ihm nicht, jemals wieder ganz zu sich zu kommen.

Jetzt ist etwas ganz Ähnliches passiert. Bis vor Kurzem wurde das Wort „Russland“ sowohl mit schlechten als auch mit guten Dingen in Verbindung gebracht – Diktatur, Stalin, Lager, aber auch russische Kultur, Aufbruch ins All, Sieg. Aber das ist alles Vergangenheit. So wie einst die Worte „Deutschland“ oder „deutsch“ nicht mit Goethe oder den großen deutschen Wissenschaftlern, sondern mit der SS, dem wahnsinnigen Führer und den Öfen von ­Auschwitz und Treblinka assoziiert wurden, so wird heute alles, worauf das Adjektiv „russisch“ angewendet wird, nur als Tod, Zerstörung, Aggression und Lüge wahrgenommen. Und das wird lange so bleiben!

Für die Welt ist ein Land verschwunden, mit dem man zusammenarbeiten und interagieren kann. Nun bleibt nur ein Gebiet, von dem eine Bedrohung ausgeht

Das Land ist verschwunden. Und nicht nur das: Alles, was wir seit Ende der achtziger Jahre aufgebaut haben, ist zerstört worden. Es gibt keine russische Kultur. Ja, die Opernsaison der Mailänder Scala wurde mit Modest Mussorgsky eröffnet und Anton Tschechow wird an allen Theatern der Welt inszeniert. Aber wenn es früher hinter diesen Namen etwas gab, was man große russische Kultur nannte, so stehen Alexander Puschkin oder Pjotr Tschaikowsky heute für sich allein da, ohne Bezug zu einem kulturellen Kontext. Sie sind da, doch hinter ihnen gähnt nichts als Leere.

Es gibt auch keine russische Armee

Eine russische Armee gibt es nicht mehr, es gibt nur eine gefährliche bewaffnete Gruppe, die in der Ukraine den Tod sät. Denn eine Armee verteidigt ihr Land und agiert nicht wie Banditen in einem benachbarten Land, ohne ein anderes Ziel als die Verwirklichung vager Fantasien in der ersten Person. Eine moderne Armee ist eine Einheit und besteht nicht aus sich bekriegenden Privatarmeen. Eine moderne Armee hat Disziplin. Dort kommt es auch zu Exzessen, aber sie bestraft Vergewaltiger und Plünderer, anstatt sie zu ermutigen, eine Stadt zu plündern oder Einheiten von Verbrechern den Titel der Garde zu verleihen. Es gibt keine Armee mehr.

Mit dem Wort Russland verbindet man seit Peter dem Großen die Vorstellung von militärischer Macht. Jetzt hat Putin der Welt gezeigt, dass es überhaupt keine Macht gibt. Dies ist bereits gefährlich für die Sicherheit des Gebiets, das Russland bis vor Kurzem war. Stalins erfolgloser Winterkrieg gegen Finnland (er dauerte von November 1939 bis März 1940 und offenbarte Schwächen der sowjetischen Armee; d. Red.) veranlasste Hitler zum Einmarsch in die UdSSR – warum nicht angreifen, wenn die Rote Armee schwach war?

Ein Präsident, König oder Sultan ist jemand, der die Ordnung aufrechterhält (nicht unbedingt die verfassungsmäßige, aber eine gewisse) und mit der Außenwelt und dem eigenen Land kommuniziert

Die von der Nato ausgehende Bedrohung wurde natürlich von unseren Behörden erfunden, wohingegen die Bedrohung durch China oder einige Taliban sehr real ist. Ihr entschlossenes Handeln gegenüber benachbarten Gebieten ist wahrscheinlicher geworden. Früher gab es (in den Augen der Welt) ein militärisch starkes Land und jetzt, egal wie viele Trickfilme über Wunderwaffen gezeigt werden, egal wie viele Paraden abgehalten werden, ist alles, was übrig bleibt, ein Gebiet, das für jeden Aggressor zugänglich ist.

Russland hat keinen Präsidenten mehr

Auch in Russland gibt es eigentlich keinen Präsidenten. Es ist nicht so, dass er keine Legitimität durch Wahlen hätte. Ein Präsident, König oder Sultan ist jemand, der die Ordnung aufrechterhält (nicht unbedingt die verfassungsmäßige, aber eine gewisse) und mit der Außenwelt und dem eigenen Land kommuniziert.

Die Ordnung ist ebenso wie die Verfassung schon lange nicht mehr gegeben – Brände, schmutzige Abwässer, Nichteinhaltung eingegangener Verpflichtungen (bald wird man im Gefängnis landen, wenn man offizielle Versprechen der letzten Jahre veröffentlicht, denn der Staat wird diskreditiert).

Doch Putin verweigert die Kommunikation. Er trat zum Beispiel nicht auf dem letzten G20-Gipfel auf, der eine großartige Gelegenheit geboten hätte, der Welt zu erklären, dass sie im Unrecht sei, während Putin im Gegenteil in allem recht habe.

Auch mit seinen eigenen Leuten will er nicht kommunizieren – er hat die Pressekonferenz und die verfassungsmäßig vorgeschriebene Rede vor der Föderationsversammlung (sie besteht aus beiden Kammern des Parlaments; d. Red.) abgesagt, genauso wie den Neujahrsempfang – er will nicht einmal zu „seinen Getreuen“ sprechen.

Vor nicht allzu langer Zeit trat Putin auf dem Valdai-Forum (einem seit 2004 jährlich im Herbst in Russland stattfindenden Treffen von Journalisten, Politikern, Experten/Wissenschaftlern und Personen des öffentlichen Lebens aus Russland und anderen Ländern; d. Red.) auf. Dort sagte er: „Warum brauchen wir eine Welt ohne Russland?“ Genau diese Art von Welt – ohne Russland –, ist dank Wladimir Putins Bemühungen im Jahr 2022 entstanden.

Aus dem Russischen Gemma Terés Arilla

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29 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Ich finde es schon etwas bizarr, dass anscheinend 90 Prozent der taz Leser:innen Russland bereits als inexistent, wenigstens aber vorauseilend als bedeutungslos betrachten. Über so viel Einfältigkeit kann man sich nur wundern.

  • Aus deutscher perspektive ermöglicht die derzeitige russische Selbstdemontage auch einen differenzierteren Blick auf die eigene Geschichte.

  • Hier wird mal ein (halbwegs) realistisches Bedrohungsszenario angesprochen.



    In Moskau schwadronieren Sie gerne über angebliche US-Pläne zur Vernichtung des russischen Volkes. Dabei wäre der einzige Staat, der realistische Ansprüche auf große Teile russischen Territoriums stellen könnte, China. Wenn die russische Föderation zusammenbräche, würde Sibiren mal all seinen Ressourcen chinesisch (die ohnehin schon einges Land dort gepachtet haben) und nicht amerikanisch.



    Die chinesischen Rechten fordern schon länger eine "Asien den Asiaten"-Politik und eine vollständige Revision der "Ungleichen Verträge" - d.h. auch die Rückgabe des Amurgebiets durch Russland.

    Mich stört übrigens der pathetisch-rückwärtsgerichtete Ton mit dem hier über Kultur gesprochen wird. Völlig aus der Zeit gefallen.

    • @Chris McZott:

      Naja, man muss nicht unbedingt Territorium erobern, um die Bodenschätze eines Landes ins Dollar-Imperium zu überführen.



      Argentinien beispielsweise hat sein Staatsgebiet formal auch noch beinander, trotzdem besitzen US-Konzerne die Schürfrechte.



      So eine Regelung wäre bei den russischen Bodenschätzen sicherlich auch möglich.

  • Schauen Sie auch auf diesen Bericht:



    taz.de/Opposition-in-Russland/!5906588/



    Vielen Dank für die Novaya Gazeta Europe in der taz.

  • Victor Chernov hatte 1917 nach der Februarrevolution eine große Agrarreform verabschieden wollen - doch er wurde von den Bolschewisten daran gehindert.



    Es gab in Russland stets viele verschiedene politische Strömungen.



    Hier ist nur ein einziges Narrativ bekannt. Das ist grundauf falsch und rechtfertigte die Gewalt.

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank. Die Moderation

    • @maestroblanco:

      Klar, eine Nation mit einem guten Teil der Bodenschätze, Nr. 9 bei der Bevölkerung, permanentem Sitz im Sicherheitsrat. Beim BIP/Kopf zwischen Polen und Griechenland (nebenbei: Ohne große EU-Subventionen). Mit 22% der Erdoberfläche.



      Das ist natürlich völlig unbedeutend, abgesehen von den Atombomben.

      • @Kartöfellchen:

        Subventionen werden bei der Berechnung des BIP rausgerechnet.

      • @Kartöfellchen:

        BIP/Kopf 2021:



        Griechenland 19.670 USD



        Polen 15.700 USD



        Russland 12.200 USD



        Schreiben Sie hier keinen Quatsch.

    • @maestroblanco:

      Ohne Putin währe die Welt ein Stück besser, aber von einer guten noch immer weit weit entfernt.

  • Leider schätzen viele Russen Putin immer noch sehr! Anders als im Artikel dargestellt hat es ja unter Putin durchaus viele Fortschritte gegeben! Der im Westen beliebte und unterhaltsame Vorgänger Jelzin hatte sein Land in einem katastrophalen Zustand an Putin übergeben. Der Lebensstandard war verglichen mit heute sehr niedrig in Russland. Das haben viele Menschen wohl nicht vergessen.

    • @Alexander Schulz:

      Der offene Raub an der Bevölkerung, da die Profite aus den Pietro-Dollars in die Taschen einer ausgesuchten Elite gehen, hinterlassen das Land nicht in einer rückständigen Katastrophe?



      Der im Vergleich zu den Verhältnissen in den 90ern gestiegene Lebensstand bleibt weit hinter den Möglichkeiten eines Landes zurück, indem sehr viele Menschen eine Hochschulausbildung machen und der Bildungsstand teilweise höher ist, als in den USA.



      Das ist eigentlich das ganz große Trauerspiel. Ein großes Land mit talentierten Menschen versinkt im Sumpf der Korruption und verspielt auf Jahrzehnte seine Zukunft unter dieser Führung sich aus dem unsäglichen Zustand, dass man nur fossile Energien exportiert, zu befreien. Ich wette, Putin wird bald einen Kapitalismus russischer Prägung verkünden, denn alle im Westen sind angebliche 'Satanisten'. Von daher ist das Marktsystem für Russland auch nicht mehr akzeptabel. Dann ist er vollbracht, der Rückschritt zur Sowjetunion.

  • es ist zu erwarten, ...

    daß auch über putins lippen die worte kommen:

    auch du mein sohn brutus ?

    wer der marcus iunius brutus sein wird ist noch offen.

  • Dem Autor sind anscheinend die Chaosjahre unter Jelzin entgangen, wo auf der einen Seite die Chodorovskijs und andere Oligarchen das Land ausplünderten und den Zugang zu den Rohstoffen an den Westen verkauften und auf der anderen Seite keine Löhne und keine Renten gezahlt wurden. Das hat Putin rigoros geändert. Daher sind die älteren Russen noch immer auf Putins Seite. Die Opposition in Russland rekrutiert sich überwiegend aus den Jüngeren, die das Chaos der 90er Jahre nicht erlebt haben.

    • @Thomas Müller:

      Jetzt wird das Land von der Nomenklatura und den hernehmen Ologarchen nicht ausgeplündert?



      Das größte Flächenland der Welt hat einen BIP wir Spanien.



      Was für eine Borniertheit zu meinen, dass man als Kommentator hier in D mehr über Russland weiß, als Autoren, die aus diesem Land kommen.



      Putins Russland hat seine Zukunft durch den Angriffskrieg auf die Ukraine nachhaltig fürdie nächsten Dekaden verspielt. Es gibt nur fossile Energien in diesem Land, sonst fast nichts.



      Die Kultur wurde immer groß geschrieben und war ein Anziehungspunkt für Kenner aus der ganzen Welt. Das fällt vor dem Hintergrund des Krieges auch flach.



      Ich persönlich wäre gerne in die Eremitage gegangen verbunden mit einem Städtetrip. Das wird wohl jetzt auf Jahrzehnte flachfallen.

    • @Thomas Müller:

      Die Oligarchen-Clique hat ja nicht aufgehört zu existieren, als Putin an die Macht kam.



      Im Gegenteil hat er sie - durchaus geschickt - eng in seinen Machtapparat eingebunden. Solange von denen keiner aufmuckt und anfängt zu opponieren, dürfen sie nach wie vor kräftig absahnen und das Land ausbeuten.

      Da es nach Jelzin einen gewissen Aufschwung gab und auch zunehmend mehr Rohstoffe gefördert und verkauft wurden (deren Preise zudem stiegen), blieben für die ärmeren Schichten etwas mehr Krümel vom Kuchen übrig, so dass es ihnen auch besser ging.



      Aber grundsätzlich ist das System genau so korrupt und ausbeuterisch geblieben wie unter Jelzin.

      (Nicht nur) einer Einschätzung nach ist es aber noch erheblich totalitärer geworden. Mittlerweile ist Russland ganz ungeschminkt und offensichtlich ein quasi mafiöser Staat mit einer Gewaltherrschaft und einem fürchterlichen Unterdrückungsapparat.

  • "Mission erfüllt, Putin kann gehen"

    Das sieht Putin - naturgemäß - ganz anders.Seine Mission ist erst erfüllt, wenn er stirbt, denn seine einzige Mission ist er selbst.

    Und so sah dann auch sein Verhalten in den letzten Jahrzehnten aus.

    Der Ukraine-Krieg passt allerdings so gar nicht in dieses Bild. Es ist völlig unklar, warum er diesen angezettelt hat. Alle bisherigen Erklärungsversuche sind unbefriedigend. Die "gute alte Sowjetunion" wieder herstellen? Dazu würde die Ukraine ja nicht reichen.

    Es ist und bleibt absolut schleierhaft, was sich Putin von diesem Krieg erhofft hat, nur eines ist sicher: Die USA, die NATO, Europa, Russland - das alles interessiert Putin nicht wirklich.

    Putin interessiert sich nur für....Putin.

    • @Rolf-Dieter Schmidt:

      Putin hatte die Ukraine als nicht sonderlich wehrhaft, außerdem Russland mehrheitlich zugeneigt eingeschätzt. Die Nato/der Westen war für ihn ein zahnloser Tieger und zudem uneinig.



      Spätestens nach der Krim-Annektion lag für ihn diese Einschätzung zum Westen nahe.



      So ging er ziemlich sicher davon aus, dass er Kiew und die Ukraine in einigen Tagen, maximal einer Woche besetzt haben würde. Die demokratischen Reformkräfte in der Ukraine waren ihm schon länger ein Dorn im Auge (die hat er dann als "Faschisten" und "satanische Kräfte" diffamiert), aber auch diese Entwicklung und deren Power hat er maßlos unterschätzt.

      Insofern könnte man sogar sagen, dass Putin diesen Krieg selber so nicht gewollt haben mag.

      Aber er ist in einem geradezu unfassbaren Ausmaß in die Falle seiner eigenen Verblendung getappt. Anstatt den Krieg nach dem ersten Rückzug sofort zu beenden, hat er sich für das Prinzip verbrannte Erde und maximale Zerstörung entschieden.

      Die Ukraine wäre wegen einiger Bodenschätze, einer teilweise besser entwickelten Industrie und nicht zuletzt wegen des Getreidereichtums als "Kornkammer" ein schönes Pfund gewesen, mit dem er von seinem zunehmenden Versagen und Verfall in Russland hätte ablenken können.

      Jetzt geht "der Schuss nach hinten los" und am Ende könnte das Putin-Regime und vielleicht sogar ganz Russland auch am Ende sein.

      • @jlMG:

        Die Beste Erklärung, die ich bisher gelesen oder gehört habe.



        Danke dafür!

  • Russland war schon immer ein armes, zu einer gewissen Grausamkeit und Empathielosigkeit neigendes Land mit sehr autokratischen Regierungen, nicht erst seit 1917, sondern auch davor - und nicht nur unter Iwan dem Schrecklichen. Man darf Moskau und Sankt Petersburg auch nicht mit Russland gleichsetzen.

    Zur Oktoberrevolution hätte es damals nicht kommen dürfen, aber der russische Hochadel war damals vollkommen reformunfähig, maßlos arrogant und stur bis in den Untergang. Schon während der Russischen Revolution 1905 hätte es ihnen dämmern müssen, dass es so nicht weitergehen konnte.

    • @Aurego:

      Ja, diese Sicht teile ich. Aber dessen ungeachtet: Danke, taz-Menschen, dass Ihr uns Zugang zu diesem starken Statement verschafft habt. Und danke freilich auch dem Autor selbst.

  • In 30 Jahren werden sich russische Nazis im Internet erzählen das Putin CIA Agent war und das ein fieser böser Plan der Amis war Russland zu zerstören.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Machiavelli:

      Putin ist kein CIA-Agent, aber er erfüllt amerikanische Wünsche. Merkt er aber nicht. [/kalaschnik off]

  • Der Autor übersieht eines deutlich: Russland ist für die Welt schon seit langem als ein Land von der Karte verschwunden, dem man vertrauen und mit dem man zusammenarbeiten kann.

    Das ging mit dem Krieg in Tschetschnien los, und wurde dann 2008 im Kaukasuskrieg zementiert.

  • Schön, wenn der Autor es so sieht, dass die Kultur in den achtzigern zu sich fand und etwas aufgebaut wurde.



    Ich sehe es weitaus schlimmer für die russischen Infividuen. Werden die nicht seit der Oktoberrevolution 1917 von jedem Ihrer Führungen weitgehend für dumm verkauft und missbraucht und dient Kulturpflege nicht mehr den Machthabern als der Bevölkerung?

  • "Seine Mission war es, Russland zu vernichten. Und das hat er auch geschafft. Er kann nun in Frieden gehen.

    Tatsächlich ist dies das Einzige, was er erreicht hat, sonst nichts."

    Leider hat er auch die Ukraine zerstört. Allerdings hat diese, im Gegensatz zu Russland, eine Perspektive. Falls denn irgendwann genügend Unterstützung geleistet wird, die es ermöglicht, diesen grauenhaften Krieg von ukrainischem Territorium fernzuhalten.

    "Unser Land ist schon einmal verschwunden – es wurde von den Bolschewiken zerstört."

    Noch ist es nicht so weit. Aber Russland steuert unaufhaltsam auf einen vergleichbaren Zustand zu. Da gebe ich Ihnen recht.

    Das Problem ist, dass dieses nach und nach immer weiter ins faschistische Chaos abgleitende Land über 5000 Atom-Sprengköpfe verfügt, und wir können nur hoffen, dass in den kommenden Umwälzungen nichts schiefgeht.

    Das ist wahrlich kein schönes Gefühl.

  • Gleichzeitig ist aber auch wahr, dass viele Russen Putin und sein faschistisches Regime unterstützen, ansonsten gäbe es ja Methoden ihn und seine Bande loszuwerden. Russland wird, wie Deutschland nach dem 2. Weltkrieg, die Verbrechen, die es in der Ukraine begangen hat, über viele Jahrzehnte bitter büßen. Ich würde auch keine Wetten darauf abschließen, dass die russische Föderation als solche noch lange Bestand haben wird.