Vorwurf des „Sozialtourismus“: Starke Kritik an Merz-Aussage
Der CDU-Chef hat mit seinem Vorwurf an ukrainische Geflüchtete in Deutschland Empörung ausgelöst. Innenministerin Faeser nennt die Aussage „schäbig“.
Merz hatte Bild TV am Montagabend gesagt: „Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine.“ Der Hintergrund laut Merz: Anfangs hatten Ukraine-Flüchtlinge Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – seit Juni erhalten sie Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger, und sind damit besser gestellt.
Noch größere Probleme erwartet Merz nach eigenen Worten mit Flüchtlingen aus Russland, „wenn die Bundesregierung das täte, was die Bundesinnenministerin vorgeschlagen hat, nämlich hier jetzt praktisch allen Verweigerern des Kriegsdienstes, der Mobilisierung in Russland Zugang zur Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen“. Die Union sei „strikt dagegen“.
Kritik von Faeser und Melnyk
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte Friedrich Merz stark. Bei Twitter schrieb sie: „Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind, ist schäbig“. „Sozialtourismus“ sei 2013 „Unwort des Jahres“ gewesen. Es sei „auch 2022 jedes Demokraten unwürdig“.
Empfohlener externer Inhalt
Empört auf die Äußerungen reagierte auch der scheidende ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk: „Woher kommt dieser Unsinn über angeblichen ‚Sozialtourismus‘ von ukrainischen Kriegsflüchtlingen?“, schrieb Melnyk auf Twitter an Merz gerichtet. „Sie haben das Recht, ihre Heimat jederzeit zu besuchen. Woher dieser billige Populismus?“
Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hat die Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz über „Sozialtourismus“ von Ukraine-Flüchtlingen als „absolut deplatziert“ bezeichnet. Dürr sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur: „Die Menschen aus der Ukraine kommen zu uns, weil sie vor Putins brutalem Krieg fliehen. Viele von ihnen haben alles verloren und bangen um ihre Angehörigen.“
Nach der starken Kritik von vielen Menschen ruderte CDU-Chef Friedrich Merz zurück. Auf Twitter schrieb er am Dienstag: „Ich bedaure die Verwendung des Wortes ‚Sozialtourismus‘. Und weiter: „Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid