Volksentscheid in Hamburg: Klimaneutralität schon ab 2040
Die Initiative Zukunftsentscheid hat sich gegen den Widerstand fast aller Parteien und vieler Verbände durchgesetzt. Kritiker fürchten die Kosten.

D as Thema Klimaschutz mag auf der politischen Agenda nach unten gerutscht sein – dass es nicht tot ist, haben jetzt die Hamburger gezeigt. Bei einem Volksentscheid vergangene Woche votierten sie mit einer Mehrheit von 53 Prozent dafür, das Hamburger Klimaschutzgesetz zu verschärfen. Die mit dem „Zukunftsentscheid“ beschlossenen Änderungen treten binnen eines Monats in Kraft. Sie sehen vor, dass Hamburg die Klimaneutralität schon 2040 statt 2045 erreichen muss – damit auch fünf Jahre früher, als es im Bundesklimaschutzgesetz steht.
Der Entscheid sieht einen stetigen Reduktionspfad bis 2040 vor, der jährlich überprüft werden soll. Wird er nicht eingehalten, muss der Senat mit vier Sofortmaßnahmen sozialverträglich nachsteuern.
Dass der Zukunftsentscheid Erfolg haben würde, war nicht unbedingt zu erwarten. Anders als geplant, konnte er nicht parallel zur Bundestagswahl stattfinden, wodurch die Gefahr bestand, dass das Beteiligungsquorum nicht erreicht würde. Geholfen haben dürfte, dass parallel ein zweiter Volksentscheid für ein bedingungsloses Grundeinkommen stattfand. Der wurde mit Nein beschieden.
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Im Vorfeld der Abstimmung hatten alle Parteien bis auf die Linke und die Grünen sowie viele Wirtschaftsverbände gegen die Verschärfung argumentiert. Die Wohnungswirtschaft warnte vor schneller steigenden und höheren Mieten, was der Mieterverein zu Hamburg als Panikmache bewertete. Industrievertreter warnten, es drohe eine Deindustrialisierung und der Verlust von Arbeitsplätzen – obwohl sich die Unternehmen via Handelskammer selbst das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 gesetzt hatten.
Eine müde Gegenkampagne
Allerdings kam die Gegenkampagne erst zu einem Zeitpunkt in Fahrt, als viele Stimmen schon per Briefwahl abgegeben waren. Rechtzeitig und kräftig ins Zeug gelegt hatte sich lediglich die Wohnungswirtschaft.
Unterschätzt hat das Thema auch die rot-grüne Koalition im Hamburger Rathaus, wobei die SPD gegen den Entscheid war und die grüne Partei dafür. Die beiden Bürgerschaftsfraktionen verwiesen in ihrer Stellungnahme aber darauf, dass sie mit ihrem Klimaplan ja bereits ein durchdachtes, gerechtes und wirtschaftlich sinnvolles Konzept auf dem Weg zur Klimaneutralität hätten.
In seiner Stellungnahme zum Abstimmungsergebnis hielt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) fest, dass sich am bisherigen Zwischenziel – minus 70 Prozent CO₂-Ausstoß bis 2030 nichts ändere. Das sei „wichtig zu erwähnen, weil der Volksentscheid dadurch nicht zu kurzfristigen neuen Maßnahmen führt, sondern der Senat die bestehenden Planungen für die aktuelle Legislatur grundsätzlich unverändert fortführen kann“. Neu seien bloß die lästigen jährlichen Schätzbilanzen.
Tschentscher wie auch die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank von den Grünen wiesen darauf hin, dass für den ehrgeizigeren Pfad ab 2030 die Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene stimmen müssten. Der Klimaentscheid trägt dem Rechnung, indem er den Senat nur zum Handeln verpflichtet, sofern er auch die notwendige Regelungskompetenz hat.
Der Senat wird auch darauf angewiesen sein, dass die Unterstützer des Volksentscheids jetzt nicht die Hände in den Schoß legen. Denn das Ergebnis zeigt eine gespaltene Stadt. Während die inneren Bezirke mehrheitlich für den Klimaentscheid stimmten, votierten die Bezirke mit viel Peripherie dagegen. Abgesehen davon, dass hier meist konservativ gewählt wird, machen sich die Leute, die sich aufs Auto angewiesen fühlen oder ihre Gasheizung, wohl größere Sorgen als die Mieter und ÖPNV-Nutzer der inneren Stadt.
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