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Völkerrecht und DemokratieGefährliche Gretchenfrage

Gastkommentar von Matthias Goldmann

Wer die Demokratie schützen will, muss das Völkerrecht wahren. Dieser Grundgedanke wird hierzulande nicht konsequent genug verfolgt.

Normalerweise ist Deutschland vorne mit dabei, wenn es um Völkerrechtsbrüche geht, außer diese geschehen durch Israel Foto: Israeli Army/AP

D ie Treue der Bundesregierung zum Völkerrecht erlebt dieser Tage einen jähen Absturz. Seit 2022 beruht die westliche Unterstützung für die Ukraine maßgeblich auf der Völkerrechtswidrigkeit des russischen Angriffs. Die Kritik der Bundesrepublik an den massiven Völkerrechtsverletzungen Israels im Gaza­streifen bleibt dagegen verhalten. Deutschland liefert weiter Waffen, Kanzler Friedrich Merz lud den israelischen Premier Benjamin Netanjahu trotz Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs ein, Sanktionen auf EU-Ebene scheiterten an Deutschland. Die jüngsten Angriffe Israels und der USA auf den Iran potenzieren den Konflikt mit dem Völkerrecht: Von Regierungen und Experten werden sie weltweit als völkerrechtswidrig eingestuft – die Bundesregierung hält sich bedeckt und lässt die Frage, ob Israel Selbstverteidigung üben durfte, bewusst offen.

Völkerrecht, so scheint es, ist für unsere Regierenden nur dann relevant, wenn es in ihre Agenda passt. Nicht westliche Beobachter werfen Deutschland schon länger Doppelstandards und selektive Rechtsbrüche vor. Es gibt keine Völkerrechtspolizei, die solche Vorfälle ahndet. Wozu also das Völkerrecht wie eine Monstranz vor sich hertragen? Nach einer Position lässt sich Frieden nur durch universelle Regeln, Institutionen und Verfahren sichern. Für diesen Standpunkt sprechen zunächst moralische Gründe. Er folgt dem ­kantischen Leitbild eines Weltbürgerrechts, das der gleichen Freiheit aller Menschen entspricht und durch einen weltweiten Staatenbund abzusichern ist.

Matthias Goldmann

ist Völkerrechtler, Professor für Internationales Recht an der EBS (früher European Business School) in Oestrich-Winkel und Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg.

Aber auch aus pragmatischer Sicht spricht für diese Haltung, dass selbst mächtige Staaten nicht jeden Konflikt militärisch austragen können. Das gilt besonders heute, da kein Staat mehr eine hegemoniale Position genießt. Mag zwar der russische Imperialismus vor allem ein Problem der Europäer sein, so dürfte selbst Donald Trump eine chinesische Expansion im pazifischen Raum skeptisch sehen. Nur gemeinsame Regeln, Institutionen und Verfahren versprechen hier Abhilfe. An die müssten sich alle halten.

Die Gegenposition singt das Hohelied der staatlichen Souveränität. Danach lässt sich Frieden auf internationaler Ebene am besten dezentral durch mächtige Staaten organisieren. Sie kontrollieren jeweils ihre Einflusssphären und halten sich gegenseitig in Schach, Verständigung erfolgt nur punktuell. Dies macht das Völkerrecht zwar nicht überflüssig, weist ihm aber eine gänzlich andere Rolle zu: Es fixiert situative Kompromisse, die stets unter dem Vorbehalt vitaler Interessen der beteiligten Staaten stehen.

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Bumerangeffekt des Kolonialismus

Aus pragmatischer Sicht liegen die Vorteile des Souveränismus auf der Hand: Solange ein Weltstaat unrealistisch bleibt, gibt es Kriege. Da ist Wehrhaftigkeit Trumpf. Weniger mächtige Staaten verbünden sich mit mächtigen – oder haben Pech. Das weltmännische Schulterzucken der Souveränisten („Realisten“) kann indes nicht ihre moralischen Überzeugungen verschleiern: Sie halten die Aufteilung der Welt in Staaten gegenüber einem weltweiten Staatenbund für vorzugswürdig. Fast immer hängt dies mit der behaupteten Homogenität staatlicher Gesellschaften zusammen. Ob man Letztere sozialkonstruktivistisch oder ethnonational denkt: Im Ergebnis ziehen Souveränisten das zur Staatsräson geronnene Recht der Stärkeren der gleichen Freiheit aller vor.

Die Wahl zwischen beiden Positionen ist eine Gretchenfrage. Die Geschichte hilft kaum weiter. Der Souveränismus befeuerte im 19. Jahrhundert den Kolonialismus, bevor er in der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs endete. Der Universalismus inspirierte zwar die Charta der Vereinten Nationen, doch deren Effektivität steht so sehr infrage wie weitergehende Weltstaatsphantasien. Das entscheidende Argument für Universalismus ist ein anderes. Es betrifft die Wechselwirkungen zwischen außenpolitischem Handeln und demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Kolonialismus verändert auch die Kolonisatoren, verankert Rassismus und Gewalt in ihren Gesellschaften.

Der Schriftsteller Aimé Césaire und die Publizistin Hannah Arendt sprachen insoweit vom Bumerangeffekt des Kolonialismus. Er habe autoritäre und diskriminierende Praktiken eingeübt, auf die im 20. Jahrhundert der Faschismus baute. Genauso warnten der Religionsphilosoph Jeschajahu Leibowitz und der Historiker Omer Bartov schon vor Jahrzehnten vor dem korrumpierenden Effekt der israelischen Besatzung – der sich nun in den Angriffen der Netanjahu-Regierung auf den Obersten Gerichtshof materialisiert.

Solche Wechselwirkungen sind auch für Deutschland brisant. Wer grundlegende Standards im globalen Kontext nicht respektiert, wird sie auch im Innern leichter über Bord werfen. Ist es Zufall, dass Deutschlands Völkerrechtsvergessenheit mit der Blüte rechtsautoritärer Kräfte zusammenfällt? Die Hamas israelischer Rechtsverstöße zu bezichtigen oder migrationspolitische Fügsamkeit von der Justiz zu fordern, enthumanisiert und diskriminiert die Betroffenen jeweils im Namen der Staatsräson. LGBTIQ-Anliegen bleiben unter dem Vorwand staatlicher Neutralität im Regen stehen, vermeintliche Neutralitätspflichten müssen auch für Einschränkungen von Wissenschaft und Kunst herhalten, die die Staatsräson kritisch hinterfragen.

Angriffe auf Völkerrecht und Rechtsstaatlichkeit sind argumentativ verknüpft. Das Völkerrecht zu beachten, heißt damit auch, unsere Verfassung zu schützen. Verabschiedet sich die Bundesregierung selektiv vom Völkerrecht, gefährdet sie die demokratische Rechtsstaatlichkeit. Die Staatsräson lässt sich für den einen wie den anderen Zweck instrumentalisieren. Institutionen und Gerichte, die sich entgegenstellen, drohen delegitimiert zu werden. Ausländische Kol­le­g:in­nen werfen Deutschland vor, Nahostdebatten drehten sich vor allem um uns selbst. Wie sollte dies auch anders sein, wenn beides zusammenhängt? Achten wir das Völkerrecht also auch um unserer selbst willen.

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70 Kommentare

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  • Schon der Ausgangspunkt des Autors ist falsch. Die westlichen Länder unterstützen die Ukraine nicht deswegen, weil der russische Angriffskrieg völkerrechtswidrig ist, sondern um der russischen Eroberungspolitik entgegenzuwirken, die auch die eigene Sicherheit und die eigenen Interessen bedroht. Wo sie ihre Interessen nicht nennenswert gefährdet sehen, z. B. durch die Besetzung Nordzyperns durch die Türkei, verhalten sie sich passiv. Und das trifft auch auf alle nicht-westlichen Staaten zu.

  • Ich dachte immer als Laie die Pflicht zur Einhaltung des Völkerrechtes sei durch Artikel 25 GG gegeben :" Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes." Ob Merz das weiß?

    • @Jo Lang:

      Nur die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“. Also die allgemein als zwingend anerkannten Regeln. Nicht alle. Wobei das Gewaltverbot allerdings zu den allgemeinen Regel gehört.

    • @Jo Lang:

      Seit ihrer Gründung sehen die USA völkerrechtliche Verträge als



      Einschränkung ihrer Autonomie an und halten sie nur solange ein, wie es für sie von Nutzen ist.



      Die USA haben zwischen 1778 und 1871 mindestens 368 Verträge mit den Ureinwohnern geschlossen und gebrochen.



      Aus : Banner, Stuart [ 2009 ]. How the Indians Lost Their Land. Harvard University Press.

  • Unter dem Deckmantel der Demokratie lässt sich eigentlich wohl alles regeln, wenn es um den Machterhalt der Machtelieten geht...

  • Der seit A, Merkel immer wieder ins Feld geführte unselige Begriff der „deutschen Staatsräson“, der keinerlei juristische Legitimation hat, wird von unserer derzeitigen, aber auch der vorherigen Regierung über das juristisch bindende Völkerrecht gesetzt. Ein fatales Signal sowohl nach innen als auch nach außen, beschreibt der Begriff doch den



    „Grundsatz, dem zufolge oberster Maßstab staatlichen Handelns die Wahrung und Vermehrung des Nutzens des Staates ist, auch unter Inkaufnahme der Verletzung von Moral- und Rechtsvorschriften“.



    (Wörterbuch der Politik 2010)

    Sicher hat A. Merkel das so nicht gemeint, aber genau so wird es jetzt benutzt.

  • "Sie halten die Aufteilung der Welt in Staaten gegenüber einem weltweiten Staatenbund für vorzugswürdig."

    Das wiederum ist eine steile Behauptung ohne Belege und dazu sehr fern der Realität. Als ob es irgendwann einen Zustand ohne Staaten gegeben und es die Wahl gegeben hätte. Es gibt nun mal erst Staaten. Und dann einen mehr als losen Zusammenschluss von Staaten. Die meisten Staaten in diesem Zusammenschluss haben mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten nicht wirklich etwas am Hut und mögen andere Staaten, die das anders sehen nicht besonders gerne. Schon gar nicht werden sie gerne auf ihre inneren Defizite angesprochen. Und picken sich aus dem losen Staatenbund das heraus, was ihnen zur Herrschaftssicherung nützt. Kann man gut finden. Muss man aber nicht.

    • @BrendanB:

      Natürlich hat es, wie schon von B.Iotox angemerkt, diverseste Zeiten und Orte in der Menschheitsgeschichte gegeben ohne Staaten, insbesondere im modernen Sinn mit der Einforderung der absoluten Souveränität.



      Die Idee der Einschränkung dieser Souveränität durch überstaatliche Organisationen wie Völkerbund oder UNO ist natürlich noch ein Stück jünger. Daher kann es eine bewusste Entscheidung wie Menschengruppen sich dazu politisch verhalten natürlich nicht so lange geben. Insofern weiß ich nicht genau, worauf der Kommentar hinauslaufen soll? Klar lässt sich an der UNO und ihrer Ineffektivität einiges kritisieren. Ein Großteil davon (insbesondere die in deinem Kommentar monierte Rosinenpickerei) hängt aber eben genau mit dem im Artikel besprochen Popanz der absoluten nationalstaatlichen Souveränität zusammen.

    • @BrendanB:

      Der Nationalstaat ist eine sehr junge Erfindung… lesen Sie sich mal in den Westfälischen Frieden ein.

      • @B. Iotox:

        Der Westfälische Frieden ist knapp 400 Jahre her. Einige noch deutlich jüngere Erfindungen als der Nationalstaat lassen sich für die Gesamtlage im Jahr 2025 nicht so einfach ignorieren.

        • @nihilist:

          Ich verstehe @BrendanB so, dass der Mensch sich immer in Gruppen organisiert hat, Horden, Stämme, whatever, eben bis hin zu Nationen der neueren Zeit. Würde ergänzen, dass das z T aus bewusst gewählter oder von außen auferlegter Kriterien ergeben, aber natürlich eben Konstrukte sind. Die Homogenität ist daher meist nur in der Abgrenzung gegeben. Der Weltstaat ist jedoch ein Konstrukt, das es so nie in der Wirklichkeit gegeben hat. Zumindest nicht mit Menschen.

  • Lassen wir kleine Ventile für die Unmoral, meinetwegen. Sprechen wir auch mit Halunken.



    Aber grundsätzlich und in solche krassen Fällen wie Netanyahu-Israel gerade müssen wir stehen, sonst geht das Völkerrecht koppheister, und das brauchen wir als Bundesrepublik dringend (ich finde es auch an sich für wertvoll, argumentiere aber für die Verächter einmal nur aus dem Selbstnutzen). Netanyahu gehört vor Gericht, die Waffen- und sonstigen Unterdrückungshilfelieferungen gestoppt und Sanktionen überlegt - eben nicht weniger und nicht mehr streng als bei anderen Fällen und entlang des Völkerrechts.

    • @Janix:

      Tatsächlich geht es nicht nur um die Zukunft des und das Vertrauen in das Völkerrecht, sondern um die Idee von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit an sich.

    • @Janix:

      Also der gesamte Nahe Osten ist ein krasser Fall. Und da wird nicht nur geredet, sondern da werden prima Geschäfte gemacht. In anderen Teilen der Welt auch. Aber bei Netanjahu - da muss man auf einmal gerade stehen.

      • @BrendanB:

        Ja, weil im Gegensatz zu den meisten anderen es nun mal netanyahu ist, der vor Jahrzehnten angetreten ist und seit Jahrzehnten mit dem Versprechen an seine Fascho Anhänger Politik macht, Palästinenser ihr Existenzrecht zu verweigern, ihr Staatsgebiet zu klauen, sie zu entrechten und zu vertreiben und dass „kein arabischer Fuß in Judaä und Samaria übrig bleiben wird“, und zwar schon Jahre und Jahrzehnte vor dem 7. Oktober, um das Narrativ des ums Überleben gefährdeten Israels und seine Macht aufrecht zu erhalten. Mir fällt nicht ein einziger anderer „demokratischer“ Staatsführer ein, der das tut (nicht mal ein undemokratischer) und dafür von uns nicht verurteilt und geächtet wird, noch dazu, während er mit seinen Fascho-Kollegen, den Auftrag zum Völkermord und den Ton dazu in seinem Volk angibt und 80 % der Israelis mittlerweile so radikalisiert sind durch die israelische Staatspropaganda, dass sie diesen Völkermord als Strafe, sogar an Kindern für gerechtfertigt halten, weil sogar die bei orthodoxen Juden entmenschlicht sind, wenn es arabische Kinder sind.

        Die einzige Hoffnung für den Gottesstaat Israel sind der laizistische und säkulare Teil der israelischen Bevölkerung!

      • @BrendanB:

        Das ist eine seltsame Unterstellung. Natürlich gehören Waffenverkäufe an zB Saudi-Arabien uÄ genauso unterbunden, aber in diesem Fall geht es nunmal um die Politik Israels. Die Aufgabe der BRD sollte es nicht sein, Herrn Netanjahus persönliches politisches Überleben durch endlose Verlängerung des Kriegszustands zu ermöglichen. Innerhalb der letzten anderthalb Jahre ist recht deutlich geworden, wie viel ihm am Leben der Geiseln liegt. Die Pläne der rechtsextremen Regierungsparteien zur Vertreibung der Bevölkerung aus Gaza (und zur Bewaffnung der illegalen Siedlerbewegung in der Westbank) sind auch hinlänglich kommuniziert worden. Letztlich erweist eine Politik des Wegsehens der einzigen Demokratie des Nahen Ostens einen Bärendienst, weil sie genau die Kräfte unterstützt, die daran arbeiten, diese demokratischen Werte zu untergraben. Das finde ich sehr besorgniserregend für alle auch nur entfernt Beteiligten. Es gäbe sicherlich auch eine Menge Stellhebel vor einem kompletten Waffenlieferstopp, aber wenn Minister einer gewählten Regierung sich öffentlich in Vertreibungsfantasien ergehen (die auch eine lange Geschichte haben), weiß ich echt nicht, was da noch passieren soll.

        • @Outis:

          Gerade die Waffenlieferungen an Saudi Arabien halte ich für zu einem großen Teil für extern motiviert, ist SA doch best pal mit den USA. Da ignoriert man halt auch schnell mal, das dort Journalisten ziemlich offen um die Ecke gebracht werden.

      • @BrendanB:

        Wer hat im Nahen Osten einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit am Hals ausser die beiden Israelis Netanjahu und Galant? Der Staat Israel begeht seit Jahrzehnten Völkerrechtsverletzungen, tötete viele mutmaßliche, palästinensische Terroristen im Ausland, ermordete immer wieder iranische Atomwissenschaftler, foltert systematisch, hält tausende von Palästinenser ohne Prozess im Gefängnis, auch Kinder, ...

      • @BrendanB:

        Fragen Sie mich gerne nach der Meinung zu etwa Saudi-Arabien und Katar und raten Sie mal , warum auch noch ich für einen sehr zügigen Ausstieg aus Fossil sein dürfte, über Klimaschutzgründe hinaus.

        Helfen wir Katar gerade bei der Aushungerung, Bombardierung und Vertreibung seiner Beduinen, dann sollten wir es ebenso stoppen.

        Bei Israel kommt eine Sache hinzu, die ich bei Saudi-Arabien noch nie mitbekam:



        Dass Menschen in der Politik sich sogar irgendwie moralisch erhaben vorkommen oder das vorspielen, wenn sie bei Vertreibung, Bombardierung und Aushungerung auch noch mithelfen.

  • Na ja, ich meine das Völkerrecht und das Menschenrecht am Leben zu bleiben, wierden am besten gewahrt, wenn mit Atombomben beladene Fattah-Hyperschall-Trägerraketen mit der Aufschrift "Tel Aviv in 400 Sekunden" in ihren iranischen Hangars stehenbleiben bzw. unschädlich gemacht werden.

    Wäre auch im Sinne der fünf Millionen Palästinenser und der Grenzgebiete israelischer Anrainerstaaten, da A-Bomben bei ihren Opfern nicht nach Religionen unterscheiden.

    Es ist letztlich eine Wette ob der oberste Führer den Start-Button morgen oder in einem Jahr drückt.

    Postkolonialisten sagen in 10 Jahren vielleicht, wenn überhaupt, Realisten schauen, wann sind die Dinger startklar?

    Und fragen die Wissenschaftler, das Institute for Science and International Security, welches mit der IAEA zusammenarbeitet.

    isis-online.org/is...ng-report-may-2025

    Es gilt den Iran in Zukunft weit stärker zu kontrollieren als in der Vergangenheit:



    www.handelsblatt.c...ran/100139435.html

    • @shantivanille:

      Es gibt also tatsächlich immer noch Leute, die den Unsinn von der iranischen Bombe kaufen. 30 Jahre, nachdem dieser Schmarrn das erste Mal verkauft wurde.

    • @shantivanille:

      Ausgerechnet der einzige Saat der im Nahen Osten Atomwaffen besitzt, soll sich vor den zukünftigen Atomwaffen des Iran fürchten müssen? Wer soll denn sowas glauben. Auto,waffen hat man doch zur Abschreckung, oder etwa nicht?

    • @shantivanille:

      Ihre Argumentation ist gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch: Zum einen, weil Sie mit auf fragwürdigen Quellen basierenden Unterstellungen arbeiten (dass der Iran gerade an einer Atomwaffe arbeitet und dass er diese sogleich auf Israel abschießen würde, statt sie zur Abschreckung zu benutzen), zum anderen, weil Sie jeden beliebigen Gewaltakt legitimieren, wenn Sie Präventivkriege gegen hypothetische, in der Zukunft liegende Gefahren rechtfertigen. Interessanterweise machen Sie das ja nur, wenn es um israelische oder westliche Interessen geht. Die Vorstellung, dass nur wir legitime Interessen haben und alle anderen sich diesen beugen müssen oder bombardiert werden, mag hier ja verbreitet sein – was machen Sie eigentlich, wenn nicht-westliche Staaten genauso argumentieren und handeln würden? An dem nicht verstandenen Schlagwort „Postkolonialismus“ in Ihrer Einlassung mag sich jemand anders abarbeiten.

      • @O.F.:

        Vielen Dank!

      • @O.F.:

        Na gut, es wird zu unterirdisch, ich übernehme:



        Wer „Postkolonialisten“ als naive Gefährder diffamiert, hat offenkundig weder den Begriff noch die Geschichte verstanden. Postkolonialismus ist keine Ideologie der Verharmlosung, sondern eine kritische Analyse globaler Machtverhältnisse – inklusive westlicher Interventionen, Regimewechsel, Embargos und Drohnenkriege.

        Der Iran ist kein abstraktes „Risiko“, sondern eingebettet in ein historisch gewachsenes Spannungsfeld, in dem westliche Staaten systematisch mitgezündelt haben.

        Wer heute reflexhaft nach Kontrolle, Entwaffnung oder Prävention ruft, ohne diese Geschichte mitzudenken, betreibt keine Realpolitik – sondern Fortsetzung kolonialer Arroganz mit anderen Mitteln.

        Übrigens: Wer Atombomben in der Region ernsthaft verhindern will, könnte beim einzigen Staat anfangen, der dort welche hat – Israel. Aber das wäre ja kein realistischer Gedanke, sondern postkolonial.

        • @Stefan Schmitt:

          Auch Ihnen: Vielen Dank!

          • @B. Iotox:

            Jep, auch von mir an beide!

        • @Stefan Schmitt:

          Auf den Punkt gebracht. Danke.

        • @Stefan Schmitt:

          Zunehmend sehen auch Denker aus dem globalen Süden die postkoloniale Theorie kritisch.



          Olúfẹ́mi Táíwò, Joseph Agbakoba, mittlerweile auch Dipesh Chakrabarty oder Ranjit Hoskoté betonen die Notwendigkeit selbstkritischer Reflexion und pochen auf die Eigenverantwortung der eigenen Gesellschaften. Sie betonen, dass die Fokussierung auf Dekolonisierung und die Schuldzuweisung an den Westen oft von der Eigenverantwortung der eigenen Gesellschaften ablenkt. Sie betonen, dass viele Entwicklungsprobleme auf eigenes politisches und gesellschaftliches Versagen zurückzuführen sind.



          Sie alle kritisieren traditionalistische, essentialistische Vorstellungen der jeweiligen Identität und fordern eine konstruktive Verknüpfung von indigenem, kolonialem und globalem Wissen, um Eigenverantwortung und Handlungsfähigkeit zu stärken.

          All das wird von den korrupten Eliten in der jeweiligen Heimat natürlich nicht gerne gesehen und gehört und findet auch in den Hörsälen Nordamerikas und Europas kaum statt. Man will sich ja moralisch auf der überlegenen Seite fühlen.

        • @Stefan Schmitt:

          Postkoloniale Theorie neigt dazu, gesellschaftliche Konflikte und kulturelle Entwicklungen fast ausschließlich durch das Prisma von Kolonialismus, Macht und Unterdrückung zu deuten. Dies führt zu einer Vereinfachung komplexer historischer und politischer Zusammenhänge und geht damit völlig an der Realität vorbei.



          Die Ablehnung sog.westlicher Universalismen (z. B. Menschenrechte) zugunsten partikularer Identitäten führt dazu, dass autoritäre Praktiken und Ideologien im Namen „kultureller Besonderheiten“ gerechtfertigt oder verharmlost werden.



          In der postkolonialen Theorie wird Antisemitismus auf einen allgemeinen Rassismusbegriff reduziert. Dadurch verschwimmen die spezifischen historischen und ideologischen Merkmale des Antisemitismus, was zu einer Verharmlosung führt



          Die postkoloniale Perspektive betrachtet Israel häufig als „kolonialen Staat“ und delegitimiert damit jüdische Selbstbestimmung. Dies trägt dazu bei, antisemitische Ressentiments zu verstärken und Gewalt gegen Juden zu rechtfertigen.



          Postkoloniale Ansätze kritisieren westliche Einmischung und Interventionen pauschal als neokolonial. Dabei werden autoritäre Regime im Globalen Süden verharmlost und legitimiert.

          • @BrendanB:

            „Postkoloniale Ansätze kritisieren westliche Einmischung und Interventionen pauschal als neokolonial. Dabei werden autoritäre Regime im Globalen Süden verharmlost und legitimiert.“



            Nicht allen Ihrer kritischen Anmerkungen zum Postkolonialismus möchte ich.widersprechen, aber Sie konstruieren fälschlicherweise so etwas wie einen harten ideologischen Kern der doch sehr heterogenen, interdisziplinären Zugänge, die die Postcolonial Studies schliesslich ausmachen.



            Mit anderen Worten: Sie bauen einen Pappkameraden auf, der bestenfalls einer ideologisch-politischen Auseinandersetzung dienlich ist, keinesfalls jedoch einem wissenschaftlichen Diskurs zum Thema standhält.



            Aber es passt wieder in unsere heutige politische Landschaft, die von Kulturkampf und - insbesondere von rechter Seite - dem Streben nach Deutungshoheit geprägt ist. Die Wahrnehmung von und Auseinandersetzung mit (allgemein eigentlich anerkannten) wissenschaftlichen Erkenntnissen ist dabei eher hinderlich.

          • @BrendanB:

            Gibt es auch ein Selbstbestimmungsrecht der Buren?



            Ist Ihnen klar, dass es hunderte von Völkern weltweit gibt, die keinen eigenen Staat haben, sondern in Vielvölkerdtaaten leben? Oft auch noch auf mehrere Staaten verteilt?

          • @BrendanB:

            Der Fehler beginnt schon damit, dass Sie am Anfang von "der postkolonialen Theorie" sprechen - die es nicht gibt. Postkolonialismus ist keine Weltanschauung, sondern ein Forschungsfeld mit etlichen verschiedenen Ansätzen und Schwerpunkten. Was Sie oben skizzieren, ist Ihr persönliches Feindbild, hat aber mit der Realität postkolonialer Forschung nichts zu tun. Mich erinnert das unangenehm an die Kontroversen über die Gender Studies, deren meinungsstärkste Kritiker ebenfalls durch eine völlige Unkenntnis des Forschungsfeldes aufgefallen sind.

            • @O.F.:

              Der Vorwurf, es gäbe "die postkoloniale Theorie" nicht, ist zwar formal korrekt, aber auch ein rhetorischer Trick: In der Praxis existieren sehr wohl zentrale Annahmen und wiederkehrende Narrative, die viele postkoloniale Ansätze teilen. Kritik an diesen Gemeinsamkeiten als "persönliches Feindbild" abzutun, verhindert eine sachliche Auseinandersetzung.

              Pauschale Vergleiche mit den Gender Studies und der Unterstellung von "völliger Unkenntnis" dienen eher der Diskreditierung als dem Austausch von Argumenten. Wer Debatten so führt, trägt wenig zur Klärung bei.

              Aber das liegt ja wohl auch nicht im Fokus des Interesses.

              • @BrendanB:

                Das ist schlichtweg falsch: postkoloniale Forschung (ftdue der NO-Konflikt übrigens nur ein Thema unter vielen ist und auch keineswegs einheitlich bewertet wird) ist methodisch wie thematisch vollkommen heterogen. Die Art und Weise, wie in Foren darüber gesprochen wird, hat wenig mit der spanischen Realität zu tun, aber viel mit dem Bedürfnis nach Feindbildern (und genau darauf hat sich mein Vergleich mit den GS bezogen - Sie müssen wirklich genauer lesen, bevor Sie antworten). Das ist ein Umgang mit Forschung, der sicher nicht zur Klärung beiträgt und das vermutlich auch gar nicht soll. Und das ist nicht nur unkonstruktiv, sondern gefährlich.

              • @BrendanB:

                Sie verwechseln postkoloniale Forschung nach wie vor mit ihrem medialen Zerrbild. Es gibt weder eine gemeinsame Theorie (sondern etliche verschiedene) noch geteilte Annahmen (sieht man von dem Fortwirken kolonialer Verhältnisse bis in die Gegenwart ab, und das ist schlichtweg eine belegbare Tatsache). Im übrigen spielt auch der NO keineswegs die zentrale Rolle, die ihm in Foren manchmal zugeschrieben wird und es gibt auch keine einheitliche Position zu Israel. Das ist einfach Grundwissen. Übrigens habe ich den Postkolonialismus auch nicht mit den GS verglichen, sondern lediglich über ihre öffentliche Wahrnehmung gesprochen.

          • @BrendanB:

            Postkoloniale Theorie reduziert Konflikte nicht auf Kolonialismus, sondern erweitert den Blick auf globale Machtverhältnisse, die bis heute nachwirken. Das ist keine ideologische Verzerrung, sondern ein notwendiger Beitrag zur Erklärung internationaler Ungleichheit.

            Die Kritik an westlichen „Universalismen“ zielt nicht auf Menschenrechte selbst, sondern auf ihre selektive Anwendung und politische Vereinnahmung. Doppelte Standards untergraben ihre Glaubwürdigkeit.

            Antisemitismus wird im postkolonialen Diskurs nicht verharmlost. Wo blinde Flecken auftauchen, werden sie innerhalb der Theorie kritisch reflektiert – pauschale Vorwürfe gehen an der Sache vorbei.

            Israel wird nicht pauschal delegitimiert. Kritik an staatlicher Politik ist legitim, solange sie sich nicht gegen jüdische Selbstbestimmung als solche richtet.

            Und: Postkoloniale Kritik an Interventionen meint nicht Apologie autoritärer Regime, sondern fragt, wer mit welcher Macht über andere urteilt.

            Wer das alles auf Realitätsverweigerung verkürzt, verwechselt Analyse mit Ideologie – und verteidigt damit oft genau die Machtasymmetrien, die postkolonales Denken sichtbar macht.

            • @Stefan Schmitt:

              Ihre Verteidigung der postkolonialen Theorie verkennt wesentliche Probleme: In der Praxis werden Konflikte oft einseitig auf koloniale Kontinuitäten reduziert und lokale Verantwortung ausgeblendet.

              Die ständige Reduktion auf koloniale Kontinuitäten ist selbst eine ideologische Verzerrung, die analytische Schärfe durch moralische Anklage ersetzt.

              Die angebliche Differenzierung zwischen Kritik an westlichen Universalismen und Relativierung universeller Werte bleibt meist Theorie – tatsächlich werden Menschenrechte häufig als „westliches Machtinstrument“ delegitimiert. Das ist nicht kritische Reflexion, sondern gefährliche Beliebigkeit.

              Die Ignoranz und Verharmlosung antisemitischer Stereotype im postkolonialen Diskurs sind gut dokumentiert, und die wenigen kritischen Stimmen verhallen meist wirkungslos.

              Dass Israel nicht delegitimiert werde, widerspricht der Realität vieler postkolonialer Debatten, in denen das Existenzrecht Israels offen oder subtil codiert infrage gestellt wird.

              Wer jede Kritik an postkolonialem Denken als Verteidigung von Machtasymmetrien abtut, immunisiert sich gegen notwendige Selbstreflexion. Das ist nicht analytisch, sondern ideologisch.

            • @Stefan Schmitt:

              Das nenne ich einmal eine kompetente Zusammenfassung. Kurz und auf den Punkt gebracht. Vielen Dank dafür.

              • @Sam Spade:

                Schließe mich an.

  • "Das Konzept eines militärisch-industriellen Komplexes wurde 1956 durch den amerikanischen Soziologen Charles Wright Mills unter dem Titel The Power Elite (deutsch: „Die amerikanische Elite: Gesellschaft und Macht in den Vereinigten Staaten“) geprägt. Mills stellt die engen Interessenverbindungen zwischen Militär, Wirtschaft und politischen Eliten im Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg dar."

    de.wikipedia.org/w...ustrieller_Komplex

    Der Wettlauf um Rohstoffe und Märkte setzt die kriegerischen Kämpfe zwischen den Großmächten im frühen 20. Jahrhundert fort, und zwar erneut unter Bedingungen, wo das Wirtschaftswachstum stagniert und sich mit Gewalt neue Räume sucht.

    Demokratie, Recht und Moral können an dieser Dynamik nichts ändern, wie man sieht.

    Anders gesagt: Die Welt kommt aus ihrem Moralloch nicht heraus, solange sie der ökonomischen Konkurrenz frönt und diese nicht im Inland, sondern schon lange auch global und mit militärischen Mitteln austrägt.

    Viel kann der immer wiederkehrende Völkerrechtsbruch der "zivilisierten" Staaten an deren "Demokratie" allerdings nicht mehr kaputt machen. Denn diese ist und war stets nachrangig - für Schönwetterphasen.

    • @Uns Uwe:

      Wie war das noch? Politik hat mit Macht, Geld und Rache zu tun wenig mit Menschenrechten oder Völkerrecht.

      • @Peter Teubner:

        "Politik hat mit Macht, Geld und Rache zu tun wenig mit Menschenrechten oder Völkerrecht."

        Es kommt darauf an, u was für eine Art der Politik es sich handelt.

        "Der Souveränismus befeuerte im 19. Jahrhundert den Kolonialismus, bevor er in der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs endete. Der Universalismus inspirierte zwar die Charta der Vereinten Nationen, doch deren Effektivität steht so sehr infrage wie weitergehende Weltstaatsphantasien."

        Hier hat der Autor Matthias Goldmann die wichtigen gegensätzlichen Kriterien genannt, nach denen sich die Politik ausrichten kann, nämlich entweder am Prinzip der Staatsräson (= Recht des Stärkeren = Unrecht und Willkür) oder am Prinzip der Menschenrechtsräson (= universelles, gleiches Recht für alle Menschen und Völker).

        Der deutsche Kolonialismus war genau so eine menschenverachtende militärische Staatswillkür inklusive Herrenmenschenmoral und Biologismus wie der deutsche Faschismus mit seinen internen und externen Vernichtungskriegen gegen Teile der heimischen Bevölkerung und gegen die "neuen Kolonien" im Osten.

        Die Alternativen sind klar: Friedlicher Austausch mit anderen Ländern und Demokratie im Inneren.

        Das hat Goldmann gut erkannt.

  • "Kolonialismus verändert auch die Kolonisatoren, verankert Rassismus und Gewalt in ihren Gesellschaften. (...) Er habe autoritäre und diskriminierende Praktiken eingeübt, auf die im 20. Jahrhundert der Faschismus baute."



    Diese hier apodiktisch vorgetragene These wird in der Geschichtswissenschaft aus guten Gründen sehr skeptisch gesehen. Dafür, dass die 30-40jährige Kolonialgeschichte die Breite der deutschen Gesellschaft geformt hat, steht bis heute ein überzeugender Nachweis aus. Prägend für die Gewalterfahrung ganzer Generationen waren nicht die Kämpfe in den deutschen Kolonien, sondern der 1. WK. Hitler hat sich bei der Vernichtung der Juden nicht auf den Völkermord in Südwestafrika, sondern auf den an den Armeniern berufen. Für die Wiedergewinnung der verlorenen Kolonien haben sich er und die Nazis nie wirklich interessiert, ihr angestrebter "Lebensraum" lag im Osten, die historischen Vorbilder hat man, wenn überhaupt, im Mittelalter gesucht. Und Vernichtungsphantasien gegenüber Juden und rhetorische Praktiken der Dehumanisierung finden sich bereits im frühen 19. Jh. (siehe Bergmann/Erb, Die Nachtseite der Judenemanzipation, Bln. 1989), weit vor der Existenz dt. Kolonien.

    • @Schalamow:

      Zumindest in Italien waren Kolonialismus und Faschismus eng verwoben. Auch in Spanien (Franco) und Frankreich (Vichy-Regime)

      • @Francesco:

        Das Vichy-Regime hat keine neuen Kolonien erobert, sondern die Kolonien, die Frankreich vorher schon hatte und auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch hatte, lediglich weiterverwaltet. Am französischen Kolonialismus hätte sich auch ohne das Vichy-Regime nichts geändert.

    • @Schalamow:

      Ich bin heute etwas spät dran (wie meistens😉). Aber könnten Sie den Bezug zwischen dem Genozid an den Armeniern und der Vernichtungspolitik der Nazis gegenüber den europäischen Juden anhand von Quellen belegen? Offenbar liegen da Wissenslücken bei mir vor.



      Ich frage auch, weil Sie andererseits verneinen, dass die deutsche Kolonialgeschichte nennenswerte Einflüsse auf das kollektive deutsche Bewusstsein hinterlassen hat und demzufolge auch für den NS-Expansionismus keine bedeutende Rolle spielte … was ist übrigens mit dem Kaukasus, was mit Nordafrika und Nahost?

    • @Schalamow:

      Biologisch determinierter Rassismus als Legitimierung von Kolonialismus kam in der Zeit der Aufklärung auf und beeinflusste das Denken europaweit. Viele Vertreter der Aufklärung haben sich daran beteiligt. Die Protagonisten des deutschen Kolonialismus wurden durch die Nazis mit Denkmählern geehrt. Hier in Hannover steht noch eins vom brutalen Sadisten Carl Peters, auch Hänge-Peters genannt. Die Wehrmacht hat auch in Nord-Afrika gekämpft.

    • @Schalamow:

      Die Kolonisierung Polens durch die Preußen ist also nicht Teil unserer Geschichte? Spannend.

    • @Schalamow:

      Gekonnt am Thema vorbei argumentiert. Und wer repräsentiert denn bitteschön die "Geschichtswissenschaft"? Mögen vielleicht einige Historiker anders sehen als der Autor, aber gleich ein ganzer Wissenschaftszweig? Etwas hochgegriffen.

      Auch ihre Definition von Gewalt geht an der Aussage des Autors vorbei. Gewalt muss nicht immer physisch sein, es gibt zum Beispiel auch sprachliche Gewalt. Diese ist auch heute noch in Gebrauch und hat ihrer Entstehung der Kolonialzeit zu verdanken.

      Das der Kolonialismus Auswirkungen auf die Mentalitäten und Machtstrukturen in einer Gesellschaft hatte und hat und zudem rassistische Denkmuster etabliert hat, sollte eigentlich keine Neuigkeit darstellen. Das dieses auch unterschiedliche Formen der Gewalt mit sich bringt, liegt in der Natur der Sache.

      Das die daraus entstandene Unterteilung in "wir" und "die" dem Faschismus den Weg bereitet hat dürfte auch unstrittig sein.

      Wenn sie diese Schilderungen in den richtigen Kontext einordnen und wegkommen von ihren "Kämpfen in den Kolonien und deren Auswirkungen", könnten sie erkennen, dass der Autor das Wesentliche kurz, prägnant und korrekt auf den Punkt gebracht hat.

    • @Schalamow:

      Ich denke das Zitat war eher allgemein gemeint und nicht nur auf Deutschland bezogen. Deutschland hatte nur für sehr kurze Zeit Kolonien, daher ist der Einfluss hier auch sehr gering. Im Allgemeinen sollte Kolonialismus nicht als einziger Grund für Rassismus gesehen werden, sondern ist nur ein Faktor. Logisch Sinn macht es aber schon Sinn: Wenn man jemanden versklaven will entmenschlicht man diesen, damit keine moralischen Fragen aufkommen.

      • @mbo:

        Naja, er hat vom Faschismus gesprochen, da ist Deutschland zumindest mitgemeint, und der Kommentar kritisiert ja auch die deutsche Politik. Die Diskussion über den Zusammenhang von Kolonialismus und Holocaust bzw. NS-Vernichtungskriegs ist vor einigen Jahren sehr intensiv geführt worden, mir scheint, darauf rekurriert auch Goldmann.



        Auch der Zusammenhang von Kolonialismus und Rasssimus ist in der hist. Realität komplizierter als es die immer wieder zu lesenden direkten Hinführungen nahelegen. Das zu erläutern, würde hier ausufern. Um allein beim NS zu bleiben: Schon beim Rassenantisemitismus spielten Kolonialerfahrungen keine Rolle, allein schon aus chronologischen Gründen. Das war alles bereits von Marr, Dühring u.a. ausformuliert, bevor es die erste dt. Kolonie gab. Aber eben auch, wenn man die Begründungszusammenhänge anschaut. Genauswenig fündig werden Sie diesbezüglich beim führenden NS-Rassenideologen Hans F. K. Günther. Die außereuropäischen Völker waren ihm eigentlich schnuppe, aber wenn Sie nach den Wurzeln des antislawischen Rassismus suchen, werden Sie v.a. bei ihm fündig (Siehe Rassenkunde des dt. Volkes, 1922 oder Rassenkunde Europas, 1924).

        • @Schalamow:

          Ich bin kein Experte.



          Aber das größte deutsche Kolonisierungsverbrechen lag doch genau dort, im Osten. Und ging einher mit antislawischem Rassismus. Insofern verstehe ich Ihren Kritikpunkt nicht ganz.



          Natürlich gab es Rassismus schon vor den Kolonien. Ist aber denke ich kein Widerspruch zum Gedanken des Artikels.

          • @Schleicher:

            „Aber das größte deutsche Kolonisierungsverbrechen lag doch genau dort im Osten.“



            Ganz, ganz wichtiger Hinweis, danke. Ich denke, Sie sind mehr Experte, als Sie von sich selbst glauben.

    • @Schalamow:

      Sie merken vielleicht, dass Sie an dem von Ihnen zitierten Abschnitt vorbei argumentieren: denn dort ist nicht speziell von der Judenvernichtung, sondern allgemein von Rassismus bzw. autoritären und diskriminierenden Praktiken und auch nicht exklusiv vom NS, sondern vom Faschismus im 20. Jahrhundert die Rede. Aber auch mit Blick auf den NS greift ihre Kritik zu kurz: denn dieser ist nicht in einem geistigen Vakuum entstanden, sondern griff Ideen und Praktiken (auch solche, deren Wurzeln außerhalb Deutschlands liegen) auf, die dem Kolonialismus entsprungen sind. Das ist ein Zusammenhang, den die Nazis übrigens selbst hergestellt haben (der Vernichtungskrieg im Osten wurde explizit mit der britischen Kolonialisierung Indiens verglichen). Dass der Kolonialismus eine (!) Wurzel des NS war, ist in den Geschichtswissenschaften weitgehend Konsens (und zwar nicht nur unter Vertretern postkolonialer Ansätze).

      • @O.F.:

        "Dass der Kolonialismus eine (!) Wurzel des NS war, ist in den Geschichtswissenschaften weitgehend Konsens..."



        Dann bitte Belege. Welcher ausgewiesene NS-Historiker vertritt diese These? Einfach nur das Gegenteil zu behaupten, von dem, was ich geschrieben habe, führt nicht weiter.



        Und natürlich argumentiere ich nicht am Abschnitt vorbei. Den Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Faschismus hat - wie am Zitat erkenntlich - doch Goldmann hergestellt.

        • @Schalamow:

          Ich frage mal umgekehrt. Gibt es ernsthafte Historiker, die leugnen, dass eines der wichtigsten Ziele der Nazis die Kolonialisierung Osteuropas war? Schließlich hat Hitler sie schon in "mein Kampf" zur Lösung der meisten (eingebildeten) Probleme erklärt. Die Eroberung von Lebensraum im Osten war eine der wichtigsten Aufgaben, die sich die Nazis gestellt hatten. Also nochmal die Frage. Gibt es ernst zu nehmende Historiker, die das leugnen?

        • @Schalamow:

          "Dann bitte Belege. Welcher ausgewiesene NS-Historiker vertritt diese These?"

          Natürlich gibt es Kontinuitäten von kolonialer und nationalsozialistischer Herrschaft, darauf hat schon früh Hannah Arendt in ihrem Text "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" verwiesen.

          Es kann heutzutage auch mit gutem Gewissen die These vertreten werden, dass der europäische Kolonialismus ein Vorläufer nationalsozialistischer Gewalt war und das Kolonialismus und NS Ideologie die gleichen Konzepte über Rasse und Lebensraum zu Grunde lagen.

          Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf den Essay des Australiers A. Dirk Moses "Der Katechismus der Deutschen" oder auf Michael Rothbergs "Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung".

          Und bei Historikern wie Sebastian Conrad, Jürgen Zimmerer, Ulrich Herbert, Benjamin Madley oder Charles S. Maier finden sie weiteres Material zu diesem Thema.

          Ebenso in der Publikation Black Germany: The Making and Unmaking of a Diaspora Community, 1884-1960, Aitken, Robbie , Rosenhaft Cambridge 2013.

          • @Sam Spade:

            Naja, das Aufsagen des postkolonialen Glaubensbekenntnisses wird auch beim 2. Mal nicht überzeugender, zumal für mich als Atheisten.



            Dass Sie mit Zimmerer, Moses und Rothberg, also den Urhebern der steilen These, um die Ecke kommen würden, habe ich schon geahnt. Selbige haben ja den sog. Historikerstreit 2.0 ausgelöst. Nun werden knallige Behauptungen, die die Lehre stützen, zwar im postkolonialen Milieu geschätzt, aber das war's dann auch. Thesen sind das eine, wissensch. Beweise das andere. Zu den drei Herren hat ja Klävers ("Decolonizing Auschwitz?") einschlägig schon das Nötige gesagt. Dementsprechend blieb die Resonanz außerhalb der postkolonial. Lehre sehr bescheiden, aber dort beschäftigt man sich ja ausschließlich mit den Belegen, die die eigene Auffassung bestätigen und spielt sich ansonsten gerne im engsten Kreis die Bälle zu, sprich: das Ganze ist in höchsten Maße selbstreferentiell. Auch Zimmerer, Moses und Rothberg sind ja ein eingespieltes Team.



            Der einzig ausgewiesen NS-Historiker unter den Genannten ist übrigens Herbert. Dass nun ausgerechnet er sich als Anhänger von Moses & Co. entpuppt haben soll... Wo das?

            • @Schalamow:

              Welche steile These von Michael Rothberg meinen sie denn und in welchem Zusammenhang?

              Abgesehen davon, das der von ihnen erwähnte Historikerstreit 2.0 hauptsächlich in den deutschen Feuilletons ausgetragen wurde und eher Mainstream war, scheiterte er ja gleich zu Beginn am mangelnden Verständnis der Kritiker von Rothberg und Co.

              Denn wer partout an einem Vergleichsverbot festhält, übersieht dabei das die Einstufung als Singularität einen systematischen Vergleich vorraussetzt. Andernfalls lässt sie sich nicht bestimmen. Rothberg hat das richtig benannt, dass Erinnerung kein Nullsummenspiel ist und daher ist der Ansatz das kritische Erinnerungen an den Holocaust einerseits und an Verbrechen des Kolonialismus und Imperialismus andererseits sich nicht ausschließen nur konsequent, da Erinnerung in diesem Kontext immer relational stattfindet.

              Die Brücke die er dann schlägt von der NS Ideologie zur Geschichte der kolonialen und rassistischen Gewalt zeigt dann die Gemeinsamkeiten der Ereignisse auf.

              Das haben davor schon Hannah Arendt, Aimé Césaire oder Raphael Lemkin gemacht. Hat in Deutschland nur keiner zur Kenntnis genommen. In den USA und besonders in Afrika sah das anders aus.

            • @Schalamow:

              Nun hat niemand behauptet, dass Ulrich Herbert Anhänger von Moses ist, sondern lediglich, dass es ebenfalls Zusammenhänge zwischen Kolonialismus und NS sieht (wie gesagt: es ist kein guter Stil, seine Argumentation auf einer Unterstellung aufzubauen). Ohnehin geraten hier verschiedene Fragen durcheinander: im „Historikerstreit 2.0“ ging es ja keineswegs nur um darum, ob der NS Ideen und Praktiken kolonialistischen Ursprungs aufgegriffen hat – das nämlich wurde grundsätzlich von keinem der beteiligten bestritten. Ich kann nur raten, die für Fachkontroversen relevanten Publikationen auch zu lesen.

        • @Schalamow:

          Eben, zwischen Kolonialismus und Faschismus - Sie nehmen also eine doppelte Verengung vor, indem Sie diese Aussage nur auf den NS beziehen und letzteren auf die Shoa begrenzen (wie gesagt, gerade der Vernichtungskrieg im Osten wurde mit Indien-Vergleichen propagandiert). Die Frage nach Namen ist hier übrigens bizarr: dass zum ideologischen Hintergrund des NS ein nicht auf Deutschland begrenzter rassistischer, sozialdarwinistischer und imperialistischen Diskurs gehört, der eng mit dem Kolonialismus verbunden war, bestreitet schlichtweg niemand, der über die Ideengeschichten des NS forscht. Das ist auch kaum möglich: Haben Sie sich einmal mit den Quellen von Mein Kampf befasst? Kontrovers ist das Ausmaß dieser Einflusses, nicht der Einfluss als solcher. Das ist übrigens Grundwissen.

          • @O.F.:

            Wir diskutieren hier doch nicht im luftleeren Raum, und wenn eine These schon an ihrem prominentesten Beispiel scheitert, spricht das gegen diese.



            Ansonsten werfe ich gerne einen Blick auf die Quellen. Dass das Indien-Zitat, das Sie irgendwo ausgegraben haben, irgendwie repräsentativ für die NS-Ideologie ist schlicht falsch, wenn auch in seienr selektiven Wahrnehmung typisch für postkoloniale Ansätze. Zum Vernichtungskrieg gibt es eine umfangreiche NS-Propaganda mit völlig anderen Akzentsetzung, da spielen weder der dt. noch der brit. Kolon. eine relevante Rolle. Wesentlich zum "Lebensraum-Konzep" sind v.a. die Aussagen von A.H. in "Mein Kampf", wo er sich auch zum dt. Kolonialismus geäußert hat, und zwar negativ. Er fürchtete nämlich eine "Mulattisierung" und "Bastardisierung" der "dt. Rasse", abschreckendes Beispiel für ihn war Frankreich mit seinen Kolonien.



            Und wenn Sie nach den ideologischen Grundlagen fragen. Ja, dann nennen Sie mir doch die völkischen Vordenker, die positiven Bezug auf den Kolonialismus nehmen. Lagarde, Langbehn, Chamberlain, Moeller v.d. Bruck oder die ganze Antisemitenriege ... alles Fehlanzeige.

            • @Schalamow:

              Also, ich kommentiere diese Diskussion mehr aus der beobachtenden Position heraus … andere Teilnehmer (@Sam Spade, @O.F. und weitere) argumentieren hier weitaus qualifizierter als ich es je könnte.



              Eine Frage jedoch bleibt im Raum stehen: warum wehren Sie sich mit Händen und Füssen (vor allem aber wohl mit der Tastatur) gegen Erkenntnisse der Kolonialismus-Forschung, die einen Zusammenhang zwischen (europäischem) Kolonialismus und Rassismus und der NS-Vernichtungspolitik gegenüber Juden und Slawen klar herausarbeiten.



              Ich würde ja auch gerne die Motive verstehen, warum hier wie argumentiert wird.

            • @Schalamow:

              "Ja, dann nennen Sie mir doch die völkischen Vordenker, die positiven Bezug auf den Kolonialismus nehmen"

              Auch in diesem Punkt herrscht eine zu eingeengte Perspektive. Vordenker lassen sich auch im Bereich der Jurisdiktion ausmachen. Einen Bezug zum Kolonialismus und der NS Zeit stellt in diesem Falle die Rechtswissenschaft her. Abgeleitet anhand der deutschen Gerichtsbarkeit u.a in besetzten Gebieten und/oder im Abgleich mit der britischen Gerichtsbarkeit in den Kolonien.

              Nachzulesen u.a in (kleine Auswahl) :



              T Rønnow-Rasmussen, Legal Theory in Nazi Germany (2022)

              Nazi Crimes and the Law, hg Nathan Stoltzfus, Henry Friedlander, New York 2008

              John Rawls, The Law of People, Harvard University Press, 2001

            • @Schalamow:

              "Dass das Indien-Zitat, das Sie irgendwo ausgegraben haben, irgendwie repräsentativ für die NS-Ideologie ist schlicht falsch.."

              Sinngemäße Übersetzung



              "Der russische Raum ist unser Indien, und wie die Engländer es mit mit wenig Personal beherrschen, so werden wir in unserem Kolonialraum regieren". Adolf Hitler, September 1941

              Nachzulesen in: The Cambridge Companion to the Nazi-Soviet War, David Stahel, Cambridge University Press 2025

              Das Originalzitat wurde bestimmt auch hierzulande publiziert. Bei Interesse einfach einmal suchen.

              Ihre Ausführungen sind zwar teilweise plausibel, aber aufgrund der Quellenreduktion auf deutschsprachige Publikationen und deutsche Historiker begrenzen sie sich selbst und das spiegelt sich in ihren Aussagen wieder, die wissenschaftlich gesehen oftmals überholt sind. In Deutschland spielte die Verbindung zwischen Kolonialismus und NS Zeit in der Forschung bis Anfang der 2000er überhaupt keine Rolle, im UK wird schon länger zu diesem Thema geforscht.

              Von daher müssten sie sich schon mit den Publikationen aus dem Anglo-amerikanischen Raum auseinandersetzen, um sich ein objektives Bild machen zu können, welches auf der Höhe der Zeit ist.

            • @Schalamow:

              Die Behauptung, meine Aussage (bzw. die des Artikels) würde an ihrem “prominentesten Beispiel“ scheitern, ist in doppelter Hinsicht falsch: erstens, weil Sie eine allgemeine Aussage („der europäische Faschismus“) nicht auf einen Fall („der NS“) verengen können, der Ihrer Argumentation entgegenkommt (der italienische Faschismus z.B. ist ja kein Randaspekt und dessen kolonialistische Dimension ist besonders evident), zweitens, weil Sie sich auch mit Blick den NS irren: den die Indien-Analogie war kein isolierter Propagandaspruch, das ganze „Lebensraum“-Konzept wurde von der NSDAP bereits in den 20er Jahren dezidiert als Kolonialprojekt beschrieben (und natürlich wurden neben der Ideologie auch Praktiken kolonialer Herrschaft übernommen, explizit wie implizit). Auch die Quellen zu „Mein Kampf“ sind teils eindeutig kolonialistisch – unter anderem der von Ihnen genannte Chamberlain (!) oder auch Heinrich Claß und etliche andere (auch hier lege ich Ihnen nahe, die aktuelle Forschung diesbezüglich, etwa von Roman Töppel, zu studieren). Der Einfluss des Kolonialismus auf den NS ist keine Streitfrage; die wissenschaftliche Diskussion dreht sich um Form und Ausmass.

              • @O.F.:

                Es ist erstens interessant, wie sehr diese Diskussion in mit Verlaub "Korinthenkackerei" ausgeartet ist. Ich lese die Erwiderungen und es erscheint mir schlicht mehr und mehr darum zu gehen Recht zu behalten, weil es mit dem eigenen Selbstbild verknüpft ist, Recht zu haben.

                Zweitens ist es immer wieder sehr interessant, wie sehr gerade Geisteswissenschaftler übersehen, dass sie Verfechter von Schulen, Denkstilen und auch Moden sind. In einigen Jahren, vielleicht auch Jahrzehnten wird ihre Denkschule aus der Mode sein, aber im hier und heute ist alles natürlich bis ins Letzte glasklar und belegt und unbezweifelbar. Hier fehlt jede kritische Distanz zum eigenen (???) Denken. Und gerade wer aus einer Schule heraus denkt, sieht aber immer das, was zu den Vorannahmen und bisherigen Ergebnissen der Schule passt, er ist vielleicht nicht eingeengt wie andere (was er hier Schalamow bezeichnenderweise mehrfach vorgeworfen wird), die Details diskutieren, aber er ist im Gegenteil zu weit weil er alles "planiert" damit es zu seiner Lehre passt. Das lässt sich hier wunderbar beobachten.

                Es ist ein Zeichen, das etwas nicht stimmt, wenn man alle Fakten und Ereignisse in eine Kohärenz zwingt.

                • @JK83:

                  Die Frage nach Kontinuitäten zwischen Kolonialismus und Faschismus ist sicher keine "Korinthenkackerei", sondern ziemlich wichtig für die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts und ihren Nachhall in unserer Zeit. Dass die Einschätzungen dazu einem gewissen Wandel unterliegen, gehört zum Wesen historischer Forschung (die ja auch ein stetiger Revisionsprozess ist). Das heißt aber nicht, dass alles zur Disposition steht. Auch in den Geschichtswissenschaften gibt es anerkannte Tatsachen. Sonst lässt mich Beitrag ein wenig ratlos zurück: Sie beschränken sich auf geraunte Unterstellungen, gegen aber nicht auf die hier diskutierten Punkte ein. Konstruktiv ist das nicht.

                • @JK83:

                  Das ist sehr Allgemein und ad hominem argumentiert, geht aber sachlich nicht auf meine Punkte ein: Sie widerlegen weder die von mir vorgebrachten Verbindungen, noch den Hinweis auf den wissenschaftlichen Konsens (ein Konsens der, wie gesagt, das Dass, nicht das Wie und Wie viel betrifft). Also bitte, Sie können mir gerne widersprechen - ich würde dafür aber gerne Gründe hören.