Verfassungsschutz gegen Klimaprotest: Ende Gelände wird zum Verdachtsfall
Die Klimaaktivist*innen setzen auf zivilen Ungehorsam und besetzen Tagebaue. Der Bundesverfassungsschutz stellt sie nun unter Beobachtung.
![Aktivist:innen in weißen Anzügen auf einem Feld. Aktivist:innen in weißen Anzügen auf einem Feld.](https://taz.de/picture/7067967/14/28746026-1.jpeg)
Das geht aus dem neuen Jahresbericht des Bundesverfassungsschutz vor, der am Dienstag vorgestellt wurde. Bisher hatte das Bundesamt Ende Gelände auf Bundesebene als „linksextrem beeinflusst“ eingestuft – beeinflusst von der bereits länger unter Beobachtung stehenden „Interventionistischen Linken“.
Der Berliner Verfassungsschutz hatte die Ortsgruppe von Ende Gelände in der Hauptstadt deshalb bereits vor Jahren als linksextrem eingestuft. Ende Gelände hatte das kritisiert – und mehrere andere Gruppen hatten sich solidarisiert, darunter der Bund, Campact oder Oxfam.
Im aktuellen Jahresbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz wird Ende Gelände nun attestiert, sich von der Interventionistischen Linken inzwischen abgekoppelt zu haben: Das Bündnis habe eine eigene Struktur etabliert und sei mit 70 Ortsgruppen inzwischen größer und mobilisierungsfähiger als die IL. Und: Es sei eine „zunehmend eigenständige Verschärfung zu Aktionsformen bis hin zu Sabotage erkennbar“.
Die nächsten Proteste sind schon angekündigt
Der Geheimdienst führt dafür auch Grundsatzpapiere der Gruppe an. Darin werde ein „Kampf für einen Systemwandel“ propagiert, um Klimagerechtigkeit zu erreichen. Auch fordere Ende Gelände, die Polizei und andere „Repressionsorgane“ abzuschaffen. Die Gruppe attestiere sich selbst eine „fundamentale Staatskritik“ oder veranstalte „System Change“ Camps.
Der Verfassungsschutz kritisiert auch, dass sich Ende Gelände an den Protesten gegen die Räumung von Lüzerath beteiligte: Dort sei der Versuch unternommen worden, demokratischen Protest zu radikalisieren und „als Bühne für ihre Gewalt zu nutzen“. Bei der Räumung sei die Polizei „massiv“ angegriffen worden, auch mit Steinen und Brandsätzen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) appellierte am Dienstag, dass Jugendorganisationen von Parteien die Zusammenarbeit mit Ende Gelände beenden sollten – in der Vergangenheit hatten sich auch die Jusos, die Grüne Jugend oder Solid mit dem Bündnis solidarisiert.
Thomas Haldenwang, Präsident des Verfassungsschutz, warnte am Dienstag, dass es zuletzt immer wieder Versuche gegeben habe, „militante Komponenten in den Klimaprotest hineinzutragen“. Ein Beispiel sei auch der schwere Brandanschlag auf einen Strommast bei Tesla im Frühjahr.
Jule Fink, Sprecherin von Ende Gelände, nannte die Verfassungsschutzeinstufung ihrer Gruppe „absurd und skandalös“. Dies sei „leider das neuste Beispiel einer zunehmenden Kriminalisierung der Klimabewegung“, so Fink zur taz. Ende Gelände sei ein breites Bündnis „aus der Mitte der Gesellschaft“ und verteidige die Werte der Verfassung, indem es sich für die Erhaltung der Lebensgrundlagen und „ein gutes, würdevolles Leben für alle“ einsetze – anders als die Bundesregierung, die konsequenten Klimaschutz vermissen lasse, so Fink.
Auch die Aktionsformen verteidigte die Sprecherin: „Ziviler Ungehorsam ist Teil unserer demokratischen Rechte. Mit solchem Protest haben wir die meisten der heutigen Rechte gewonnen.“ Ende Gelände sei damit nicht extrem, „sondern gelebter Verfassungsschutz“.
Ende Gelände selbst hatte seine Aktionen auch zuvor stets verteidigt: Man sei der Überzeugung, „Klimaschutz selber in die Hand nehmen zu müssen“ und mit dem zivilen Ungehorsam „ein weithin sichtbares Signal für eine Wende hin zu echtem Klimaschutz zu setzen“. Auf die Einstufung durch den Berliner Verfassungsschutz hatte die Gruppe offensiv geantwortet: „Ja, wir wollen den Kapitalismus beenden. Natürlich wollen wir ein System beenden, das auf Ausbeutung, auf Klimazerstörung und Diskriminierung beruht.“
Und die nächsten Aktionen von Ende Gelände sind schon angekündigt: Ende Juni will sich das Bündnis an den Protesten gegen die AfD in Essen beteiligen, mit denen der Parteitag verhindert werden soll. Für August ist dann das nächste „System Change Camp“ angekündigt, diesmal in Thüringen.
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