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Verfassungsklage von ARD und ZDFKarlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Länder müssen den Rundfunkbeitrag erhöhen, zieren sich aber noch. Die Politik wälzt die Entscheidung offenbar auf das Bundesverfassungsgericht ab.

Ein Garant für gesicherte Informationen: der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der auch bezahlt werden muss Foto: Sebastian Kahnert/dpa

E s gibt in diesen turbulenten Zeiten wenig, worauf man sich verlassen kann. Zu diesen wenigen Gewissheiten gehört aber die Unterstützung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch das Bundesverfassungsgericht. Deshalb ist es naheliegend und überaus erfolgsversprechend, dass ARD und ZDF jetzt nach Karlsruhe gehen.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben Anspruch auf funktionsgerechte Finanzierung, weil sie (nach Ansicht des Verfassungsgerichts) für die Demokratie unverzichtbar sind. Die Rich­te­r:in­nen haben auch ein staatsfernes Verfahren vorgegeben, wie der funktionsgerechte Rundfunkbeitrag festgesetzt werden muss.

Im ersten Schritt melden die Sender dabei ihren Bedarf an. Im zweiten Schritt wird dieser Bedarf durch eine unabhängige Expertenkommission geprüft (die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, KEF). Die Prüfung ist durchaus streng, die Sender müssen Abstriche machen. Die KEF-Empfehlung müssen die Bundesländern dann umsetzen. Sie können nur aus sozialpolitischen Gründen abweichen, wenn sie glauben, die Beitragserhöhung überlaste die Bürger:innen. Es genügt auch nicht, dass nur ein Bundesland mit dieser Begründung eine Erhöhung ablehnt. Vielmehr müssen sich alle Länder dabei einig sein.

Die Bundesländer verletzen in diesen Monaten eindeutig ihre verfassungsrechtlichen Pflichten. So hat die KEF schon im Februar empfohlen, den Rundfunkbeitrag für die nächsten vier Jahre um 58 Cent auf 18,94 Euro zu erhöhen, doch noch immer gibt es keinen entsprechenden Staatsvertrag der Länder. Selbst wenn beim nächsten Ländergipfel am 12. Dezember ein Staatsvertrag beschlossen würde, ist es faktisch ausgeschlossen, dass die 16 Landesparlamente diesem Vertrag noch bis Jahresende zustimmen.

Länder müssen Vorgabe des Verfassungsgerichts beachten

Die Lage ist also noch deutlich konfrontativer als vor vier Jahren. Damals fehlte nur die Zustimmung des Landtags von Sachsen-Anhalt. Diesmal sind alle Bundesländer kollektiv säumig.

Die Länder können sich dabei nicht auf die geplanten Reformen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk berufen. Spareffekte wären erst 2028 spürbar, hat die KEF-Kommission berechnet. Bis dahin gilt die KEF-Empfehlung.

Die Länder wollen zwar kurzfristig noch das Verfahren zur Berechnung des Rundfunkbeitrags ändern. Doch zum einen kommt das Manöver viel zu spät. Zum anderen müssen die Länder dabei auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beachten. Eine bloße Indexierung des Rundfunkbeitrags, etwa anhand der Inflation, wäre zum Beispiel nicht möglich, denn so könnte keine funktionsgerechte Finanzierung (inklusive Entwicklungsgarantie) der Rundfunkanstalten sichergestellt werden.

Andere Vorschläge sollen die Beschlussfassung der Länder vereinfachen, etwa indem sie auf Einstimmigkeit verzichten und Mehrheitsbeschlüsse zulassen. Dies wäre zwar ebenso möglich, wie der Verzicht auf eine Beteiligung der Landtage. Eine schnelle Beschlussfassung ist aber auch auf diese Weise nicht gesichert, schließlich sind Landesregierungen nicht per se kooperativer als Landtage. Außerdem müsste dieses neue Verfahren erst von allen Landtagen ratifiziert werden. Die Landtage müssten also ihrer Ausschaltung zuerst zustimmen. Dazu haben sie vermutlich wenig Lust.

Es wird also darauf hinauslaufen, dass – wie 2020 – erneut das Bundesverfassungsgericht die Erhöhung des Rundfunkbeitrags anordnen muss. Fast könnte man meinen, die Länder zielen darauf ab, die unpopuläre Entscheidung den Rich­te­r:in­nen zu überlassen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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14 Kommentare

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  • Wirklich diesen Schrott, mit eingebauter Selbstbedienung und auch noch der Teuerste der ganzen Welt !!



    Ich schaue seit 1988 diesen Schrott nicht an und muss trotzdem bezahlen. Wirklich??

  • Der Politik fehlt einfach eine Vision und der Mut für eine umfassende Reform des ÖRR.

    Über 30 Jahre nach der Öffnung für private Sendeanstalten und nachdem es unzählige Ton- und Filmmedienangebote über Satellit und Internet gibt, wäre es längst an der Zeit gewesen, den Programmauftrag des ÖRR enger zufassen. Stattdesssen hat man den Verantwortlichen freie Hand gelassen, die im (wirtschaftlichen) Eigeninteresse ihr Angebot systematisch ausgeweitet haben, gefüllt zum Großteil mit seichtem Infotainment.

    Angst habe die PolitkerInnen vor der Macht, die die ÖRR als Meinungsmacher und Wirtschaftsfaktor haben. Angst haben sie auch vor WählerInnen, die als Publikum an das Angebot der ÖRR gewöhnt sind und jede Kürzung am Infotainment über nehmen würden. Angst haben sie auch vor einem Publikum eines ÖRR der tatsächlich Bildungsangebote machen würde, die zur Kritik erziehen, und echter Meinungsvielfalt Raum bieten würde.

    So wird wohl alles beim alten bleiben: der ÖRR stopft sein Nest mit Geldscheinen und die BeitragszahlerInnen sorgen für die auskömmliche Grundfinanzierung.

  • Der Gang nach Karlsruhe scheint generell mehr als politischer Notausgang genutzt zu werden. Was da mittlerweile so alles landet. Vielleicht sollte man lieber die Anzahl der Parlamente verkleinern und das Verfassungsgericht stattdessen vergrößern.

  • 58 cent. Das muß man erstmal wirken lassen.



    Alles ist teurer geworden, viel teurer und ja jede Ausgabe zählt, aber der Kampf um 58 cent, zeigt doch, dass es um anderes als um Geld geht. Kulturkampf von rechts.



    Um Inhalte geht es jedenfalls nicht, dann würde man darüber diskutieren und nicht über die Beitragshöhe.

    • @nutzer:

      "Kulturkampf von rechts", so ein Blödsinn. Es geht um jährlich 227,28 Euro für eine von immer größer werdenden Teil der Bevölkerung nicht genutzten Minderleistung, die aus allem Unterhaltung macht.



      Wer sich solide informieren will, liest die großen angloamerikanischen Zeitungen.

    • @nutzer:

      Ich kann mir vorstellen, dass es darum geht, dem ÖRR nicht einfach immer nur mehr Geld zukommen zu lassen, "weiter so", obwohl von manchen anscheinend Reformbedarf gesehen wird.

      Mir würde ein ÖRR gefallen, der sich auf Bildung und Politik beschränkt. Das wäre wirklich toll, wenn für dieses viele (?) Geld mehr Inlands- und Auslandskorrespondenten bezahlt und vielleicht auch Whistleblower vergütet und geschützt werden können, mehr Investigativ-Journalismus ermöglicht würde.

      Als Nicht-Fachfrau stelle ich mir vor, dass so eine Art etabliertes "Whistleblower-Investigativ-Journalismus"-Veröffentlichungsmedium eine hilfreiche Sache für die Demokratie in Deutschland, Europa und evtl. weltweit wäre. Vielleicht ist damit zusätzlich Geld zu verdienen und die taz würde dort auch regelmäßig den ihr gebührenden Platz beanspruchen können.

      Die Kosten bzw. Mehrkosten kann ich nicht einschätzen.

    • @nutzer:

      "...aber der Kampf um 58 cent, zeigt doch, dass es um anderes als um Geld geht."



      Es geht um 58 Cent vor dem Hintergrund, dass die Rundfunkgebühren sowieso schon unangemessen hoch sind. Wie die Mieten.



      Wenn Mieten gedeckelt werden ist das gut, wenn Rundfunkbeiträge gedeckelt werden, ist das schlecht.

    • @nutzer:

      58 cent pro Monat mal... 30 Millionen? Von denen nur noch ein Teil die öffentlich rechtlichen überhaupt nutzt. Natürlich geht es ums Geld. Und es geht darum, dass es überhaupt keinen Grund gibt, standartisiert zu erhöhen. Der Automatismus der Erhöhung ist schon ein Fehler an sich.



      Es ist völlig überflüssig, 2 große TV Sender plus dritte zu haben. Das stammt aus einer Zeit, als es noch keine privaten gab. Damals war das durchaus sinnvoll. Heute? Kann man es problemlos halbieren.

    • @nutzer:

      Ab wann wäre denn Ihrer Ansicht nach Unmut über eine stetig weiter steigende Kopfsteuer angebracht und kein Kulturkampf? Zwei Euro im Monat sind für die große Mehrheit auch nicht viel Geld. Oder 5.

  • Gewählte Abgeordnete sind ausschließlich ihrem Gewissen verpflichtet und keine Abnicker .In dem Sinne hoffe ich, daß ARD und ZDF einen Nasenstüber bekommen werden.



    Btw, das einloggen ging plötzlich ratz fatz.

  • Eine GEZ-Erhöhung als verfassungsrechtliche Pflicht darzustellen halte ich für übertrieben.

  • Es ist immer wieder erstaunlich, was das Bundesverfassungsgericht seit 1949 aus dem Grundgesetz gemacht hat. Im Grundgesetz steht nur ein einziger Satz, nämlich Artikel 5 Absatz 1 Satz 2, der lautet: "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet."

    Und daraus wird nicht nur hergeleitet, dass es einen Rundfunkbeitrag geben müsse (einen "Pressebeitrag" oder "Filmbeitrag" gibt es übrigens nicht), sondern auch, dass dieser Beitrag so hoch sein müsse, wie es die KEF empfiehlt. Von einer KEF steht übrigens kein Wort im Grundgesetz. Und erst recht steht im Grundgesetz nicht, dass eine solche Kommission mehr Macht haben müsse als sämtliche demokratisch gewählten Landesparlamente zusammen.

  • Politik muss als gescheitert angesehen werden wenn sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen kann.

    Und soweit ist es offenbar.

    Und wenn das Schule macht muss man zwar noch nicht das politische System in Frage stellen aber man muss intensiv darüber nachdenken wie man die Funktionsfähigkeit wieder herstellt.

  • "Die öffentlich-rechtlichen Sender haben Anspruch auf funktionsgerechte Finanzierung, weil sie (nach Ansicht des Verfassungsgerichts) für die Demokratie unverzichtbar sind. "

    Sind teure Sportrechte für die Demokratie unverzichtbar ?



    Sind die teuren Senderstrukturen für die Demokratie unverzichtbar ?



    Sind die Unmenge an seichten Unterhaltungsfilme und Krimis für die Demokratie unverzichtbar?



    Müssen ARD und ZDF immer getrennt in Kompaniestärke durch die Welt jetten, wie gerade beim G20-Gipfel in Rio?



    Müssen Figuren wie Böhmermann, Lanz, Plassberg, Will, Illner, Miosga etc. mit überteuerten Produktionsaufträgen unbedingt zu Multimillionären gemacht werden ?

    Die englische BBC kommt mit der Hälfte des Geldes aus, das in Deutschland ARD und ZDF nicht ausreicht.