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Umstrittener Bürgermeister TübingensPalmer tritt nicht für Grüne an

Boris Palmer will sich nicht mehr um die Spitzenkandidatur der Tübinger Grünen bemühen. Gegen ihn läuft ein Ausschlussverfahren wegen Rassismusvorwürfen.

Will nicht für die Grünen antreten, solange die ihn loswerden wollen: Boris Palmer Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Tübingen afp | Der Tübinger Oberbürgermeister will sich laut einem Bericht nicht der Urwahl seiner Partei stellen, mit der ein Spitzenkandidat für die Neuwahl im Herbst ermittelt werden soll. Er könne sich wegen des „nun beginnenden Parteiausschlussverfahrens nicht am Nominierungsprozess beteiligen“, zitierte die Stuttgarter Zeitung am Dienstag aus einem Brief des 49-Jährigen an den Grünen-Stadtverband.

Palmer schreibt demnach, es sei „logisch und sachlich unmöglich, gleichzeitig ein Verfahren zur Nominierung und zum Ausschluss zu betreiben“. Ein Kandidat könne nicht beides sein – „nominiert und ausgeschlossen“. Palmer wollte sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Bericht äußern.

Die baden-württembergischen Grünen hatten im Mai vergangenen Jahres ein Parteiausschlussverfahren gegen Palmer beschlossen. Palmer hatte sich zuvor in einem Facebook-Beitrag rassistisch über den früheren Fußballnationalspieler Dennis Aogo geäußert. Nach Palmers Angaben waren die Äußerungen satirisch gemeint.

Ermittlungen zu dem Vorfall wurden im September eingestellt. Bereits zuvor hatte Palmer mit Äußerungen zur Flüchtlingspolitik und zu Coronamaßnahmen mit seiner Partei über Kreuz gelegen.

Wegen des drohenden Parteiausschlusses Palmers, der seit 2007 in Tübingen regiert, beschloss der Grünen-Stadtverband eine Urwahl zum nächsten Oberbürgermeisterkandidaten. Die Ortsvorsteherin des Tübinger Stadtteils Weilheim, Ulrike Baumgärtner, meldete ihre Bewerbung dafür bereits an. Ob Palmer in Tübingen als unabhängiger Kandidat erneut kandidieren will, ließ der Amtsinhaber bisher offen.

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38 Kommentare

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  • Wo kämen wir da hin, wenn Politiker eine eigene angreifbare Position haben? Und schlimmer noch, diese auch noch nach Aussen hin vertreten.



    Was habe ich den Strauß gehasst, bin gegen ihn demonstrieren gegangen. Angesichts der heutigen Ausdruckslosigkeit der Politikerkaste vermisse ich ihn. Ich weiss nicht ob ein Großteil der Bevölkerung noch fähig ist, es zu akzeptieren, dass andere Menschen andere Meinungen haben können, die parallel zu der eigenen Bestand haben

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Thomas Derrek:

      FJS vermissen... puh! :-) Das ist ja wie: "Al Capone - das war noch ein echter Gangster!"

    • @Thomas Derrek:

      Parteien vertreten Weltbilder. Wenn ein Funktionär einer Partei konträre Weltbilder vertritt, sollte dieser Mensch sich eine andere Partei suchen. Das weiß eigentlich auch jeder. Entsprechend gehts hier um etwas völlig anderes. Und auch das weiß jeder.

      • @Kaboom:

        Der "Funktionär" handelt aber genau im Sinne seiner Partei, nämlich Grün. In diesem Sinne ist er einer der wenigen grünen "Funktionäre", die tatsächlich Schaffen und nicht nur tolle Reden schwingen.

  • Ein Bürgemeister sollte möglichst viele unterschiedliche Meinungen vereinen können. Palmer schafft das in seinem Umfeld.

  • Guter Schachzug von Palmer. Er kann trotzdem als unabhängiger Kandidat zur OB Wahl antreten und auch so gewinnen.

  • Ich weine Palmer keine Träne nach! Mir sind solche Egozentriker, die in jedes hingehaltene Mikrofon etwas maximal spektakuläres hineinrufen müssen, zuwider. Für mich zeigt sich seine verquere Selbsteinschätzung beispielhaft daran, dass er seine Entgleisungen als Satire erklärt, aber er einem Studenten, der ihn mit "Ach, der schon wieder!" tituliert, glaubt mit einer ordnungspolizeilichen Berechitigung seinerseits Personalien feststellen zu dürfen und Bußgelder verhängen zu können. Auf solche Politiker ohne Selbstreflektion kann man gerne verzichten!

    • @WeissIchs:

      Selberdenken passt nicht zu einer 'grünen Parteiagenda'. Es gibt mir schon zu denken, wenn Leute da rumjammern statt die Verdienste eines OB. der sich um seine Stadt kümmert, lokale Klima- und Gesundheitspolitik vorlebt zu sehen und davon lernen zu wollen. Bitte Leute legt das Brett vorm Kopf weg, das Euch hindert, eigene Erfahrungen zu machen und zu leben. Eigentlich möchte ich auf die derzeit Vernagelten nicht verzichten müssen, wir haben genug Probleme !

      • @Dietmar Rauter:

        Rassismus und Rechtspopulismus sind nicht "Selberdenken", sondern gar nicht denken. Und es geht hier NULL um seine Lokalpolitik.

  • Die Wahl eines Bürgermeisters oder eine Bürgermeisterin MUSS als Urwahl erfolgen.

    Das sollte so langsam vom Kleinhirn an Großhirn gemeldet werden.

    Bürgermeister:innen dürfen keine Parteien brauchen müssen.

  • In anderen Worten: die Grünen werden so richtig abrutschen und Palmer bleibt Bürgermeister.

  • Aolo hat sich doch bestens über Palmers Spruch amüsiert.

    So Kretschmann.

    Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte Palmer auch kritisiert. Aber aus einem ganz anderen Grund: Der Tübinger OB sei doch ein „Profi“, der wissen müsse: „Ironie funktioniert nie in der Politik.“

    Kretschmann hat es auf Anhieb kapiert, die anderen Grünen immer noch nicht. Wie lange brauchen die?

    Die Grünen blamieren sich und betreiben effiziente Selbstsabotage.

    Haben die nichts von der Linken gelernt?

    • @shantivanille:

      LOL, gefühlte 20x Ironie? Nicht die Grünen, sondern SIE machen sich hier lächerlich

      • @Kaboom:

        Ich finde es wirklich total witzig, wie sich hier die Spreu vom Weizen trennt. Dogmatiker versus Pragmatiker. Auch der Erfolg der AfD hat etwas mit Schwächen der Altvorderen zu tun, mit denen Hbaeck & Co rummauscheln, leider, leider !!

        • @Dietmar Rauter:

          Ich finde auch dass sich hier die Spreu vom Weizen trennt. Das Ausmaß der Selbstentlarvung ist bei solchen Threads immer wieder erstaunlich.



          Achja: Der Erfolg der AfD hat ausschließlich etwas mit dem Faible für Rechtsextremismus in Teilen der Bevölkerung zu tun.

  • Ich lach mich krumm. Palmer tritt dann als unabhängiger Kandidat an und bekommt mehr als ein Grünenkandidat. Und dann kommt der Grünenklassiker: Frustriert schauen und „Mimimimimi motzen, wir sind doch die Moralischen“.

    PS: Bevor jetzt einer Meckert. Ich bin braver Grünenwähler. Und natürlich gebe ich mich der informellen Parteilinie hin, dass am Grünen Wesen, die Welt wird genesen!

  • Man sollte Herrn Palmer dahingehend beraten, dass er als Einzelkandidat antritt. Dann stellt sich für die Wähler in Tübingen die Gretchenfrage. Vielleicht mit dem Ergebnis, dass es ein gesundes Erwachen für die grüne Partei gibt.

    Wer konformes Verhalten so eng definiert, wird nach Abebben der woken Welle ziemlich begossen dastehen. Auch der grüne Wähler ist ein scheues Reh.

    • @TazTiz:

      Ich scheues Reh bin schon in den Wald geflohen. Ich habe eigentlich immer Grün gewählt, bin aber in den letzten Wahlen immer öfter davon abgewichen. Zuviel Nonsense und zuwenig grün bei den Grünen. Nicht immer, aber immer öfter.

  • Boris Palmer wird am Ende des Tages als unabhängiger Kandidat antreten und haushoch gewinnen, spätestens in der Stichwahl.

    • @Gregor von Niebelschütz:

      Ich bezweifle, dass das sein Plan ist. Denn das hieße, seiner politischen Heimat, die ihn erst in dieses Amt gebracht hat, einen Spaltkeil hineinzutreiben. Das kann er nicht wollen, denn verlieren würden dabei alle.

      Ich vermute, er wird die per Urwahl zu bestimmende Oberbürgermeisterkandidat*in unterstützen. Das wäre ehrenvoll. Das Ausschlussverfahren wird eingestellt, Boris ist rehabilitiert und empfiehlt sich für andere verantwortungsvolle Aufgaben im Dienste seiner Stadt, z. B.

      Die Satire wird er wohl künftig den Satiriker*innen überlassen. Sogar die verbrennen sich ja manchmal auf verletzende Weise die Finger. Heißt ja nicht, dass man nicht auch mal eine gewagte These aufstellen kann.

      Meinen Respekt hat er schon mal wiedererlangt. Hervorzuheben wäre, dass es noch viele fähige Leute gibt, die die erfolgreiche Kommunalpolitik zu verantworten haben.

      • @What would The Doctor do?:

        Naja verlieren würden nicht alle besonders die Wähler die ihn wählen wollen (und ihn tatsächlich ins Amt gebracht haben) würden die Möglichkeit ihn zu wählen als Gewinn sehen.



        Ich sehe es auch nicht als besonders



        "ehrenvoll" Parteipolitik vor den Willen der Wähler zu stellen.

        • @Blechgesicht:

          Es würde zu einer Spaltung führen. Das ist doch der Zweck dieses ganzen Bohei, der hier wieder gemacht wird, oder? Die Grünen hatten ihn aufgestellt, um gemeinsam grüne Inhalte voranzubringen. Für diese wurde er gewählt. Und diese würden leiden unter einer Spaltung, zumal es dann mit großer Sicherheit ähnlich wie in Stuttgart einen sich ins Fäustchen lachenden Dritten gäbe.

          Sein Herz schlägt weiterhin grün, davon gehe ich aus, deshalb stellt er seine Person nicht über die gemeinsame Sache langjähriger Weggefährt*innen. Für ein gutes Ergebnis muss man geschlossen auftreten. Der Weg ist deshalb: Rehabilitierung → Versöhnung → gemeinsamer Wahlkampf für den oder die Urgewählte. Meine Einschätzung.

          Im Übrigen sollte mal klargestellt werden, dass eine erfolgreiche Kommunalpolitik nie einer allein zustande bringt, sondern eben noch viele fähige Menschen daran mitwirken. Nach 16 Jahren kann man durchaus mal jemand anderes, ebenso brillantes nach vorne bringen.

          • @What would The Doctor do?:

            Ich glaube ich kapiere das nicht so richtig, ein Parteiauschlussverfahren dient ja nicht der Rehabilitierung und Versöhnung sondern ist dazu da jemanden aus der Partei zu werfen der nicht in die Partei passt (zumindest in den Augen der Leute die das Verfahren angestrengt haben). Wenn das Verfahren erfolgreich ist sehe ich wirklich keinen Grund warum er einen Kandidaten unterstützen sollte von einer Partei die ihn nicht haben möchte und wenn das Verfahren nicht erfolgreich ist könnte es natürlich so laufen wie sie es beschreiben.

            • @Blechgesicht:

              Ich sagte ja, das Ausschlussverfahren wäre einzustellen. Ich denke, Boris Palmer hat mit seinem Rückzug bewiesen, dass es ihm nicht um persönliche Egomanie geht, und er eben nicht auf Biegen und Brechen an seinem Sessel zu kleben gedenkt, falls das jemand befürchtet haben sollte. Das eröffnet neue Chancen für die Weiterentwicklung einer erfolgreichen Stadtpolitik.

              Palmer kann nun nochmal verdeutlichen, dass er trotz fragwürdiger Einlassungen eben nicht der Rassist und Rechtspopulist ist, als der er zuletzt gehandelt wurde, sondern im Gegenteil eine grüne Flüchtlings- und Menschenrechtspolitik weitestgehend mitträgt. Beides zusammen würde die gestörte Vertrauensbasis wiederherstellen. Man sollte ihm dahingehend aber auch die Hand reichen können, schließlich musste er zuletzt auch einiges einstecken. Ich hoffe, dass es genau so kommt.

  • Ich wette, Palmer bekommt mehr Stimmen, als die/der Kandidat*in der grünen Partei !

    • @Dietmar Rauter:

      Auf jeden Fall! Schließlich spricht er sowohl Grünen- wie auch AfD-WählerInnen an. Das reicht zur Mehrheit.

      • @Tiene Wiecherts:

        ROTFL, man kann gleichzeitig braune und grüne Wähler ansprechen? So eimen Quatsch habe ich wirklich lange nicht gelesen.

        • @Kaboom:

          Dann sind Ihnen die Blut-und Boden-Esoteriker auf den Coronademos wohl noch nie aufgefallen.

          • @cazzimma:

            Ui, ja richtig, das sind ja knapp 0.001% der Bevölkerung

            • @Kaboom:

              Nicht alle von denen gehen auf die Demos, mal so als Tipp.



              Und für einige Rudolf-Steiner-Fans ist das sicher auch kein Widerspruch.

        • @Kaboom:

          Schon vergessen Wagenknecht hat's immer wieder versucht. Und Linkspopulismus gegen angeblich korrupte geldgierige Politiker findet 100 pro auch Anklang rechts.

    • @Dietmar Rauter:

      Er hat gute Arbeit geleistet und ist ein brillanter Kopf. Kann halt sei Gosch ned halde.

    • @Dietmar Rauter:

      Ich wette mit. Der macht gute Regionalpolitik und Coronapolitik und darauf kommt es an.

    • @Dietmar Rauter:

      Käme es soweit, wäre Palmers nächster Schritt logischerweise die Gründung einer eigenen Partei.

      • @Pfanni:

        Wie ist es, Pfanni, bis Du auch dabei. Wir brauchen nedlich einmal fortschrittliche Menschen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und keine Spinner mit Drang zu viel zu gut bezahlten Posten ! Habeck ist ein Träumer, noch nicht einmal ein guter Schriftsteller !

      • @Pfanni:

        Ah. Vermutlich AfT (Alternative für Tübingen)

        • @Kaboom:

          Ich denke es wird PGS heißen. Partei des grünen Sozialismus.

    • @Dietmar Rauter:

      Ach, wenn Demokratie sich nur darin erschöpfen würde, "mehr Stimmen" zu bekommen... dann hätte Merkel in ihrer Amtszeit die 100 Jahre ungebrochene Demokratie in Deutschland feiern können!