Umstrittener Biosprit HVO100: Tanken mit Speisefett
Ab heute können Tankstellen den Dieselkraftstoff HVO100 verkaufen. Gut fürs Klima, sagt Volker Wissing. Doch Umweltverbände schlagen Alarm.
HVO100 wird aus pflanzlichen oder tierischen Fetten, zum Teil aus Abfällen, hergestellt. Die Öle werden mit Wasserstoff behandelt. Bisher konnte der Kraftstoff schon herkömmlichem Diesel zu 26 Prozent beigemischt werden, der Verkauf als Reinkraftstoff war jedoch verboten. „Wenn er vollständig aus Abfall- und Reststoffen hergestellt wird, sorgt HVO100 für bis zu 90 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als fossiler Diesel“, teilte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am frühen Dienstagabend mit.
Laut Nabu ist allerdings noch nicht gesagt, dass die Kraftstoffhersteller für die Produktion der Spritsorte ausschließlich Abfälle nutzen. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass HVO100 aus Ackerpflanzen wie Soja und Raps hergestellt wird, was global zur Entwaldung beiträgt“, sagt von Wysiecki. „Hier werden wichtige Kohlenstoffsenken zerstört, und dies geht nicht in die CO2-Bilanz der Kraftstoffe ein.“
Auch Altspeisefette seien ein knappes Gut und würden schon jetzt an anderer Stelle wiederverwertet, zum Beispiel als Schmierstoffe oder in der Pharmaindustrie. Wenn sie als Kraftstoffe dienen sollen, müssten diese Industriezweige auf fossile oder klimaschädliche Grundstoffe wie Palmöl zurückgreifen, was sogar mit einem deutlich höheren Treibhausgasausstoß einherginge.
14 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland
Außerdem kämen Hersteller und Bundesverkehrsminister nur dann auf eine Treibhausgaseinsparung von 90 Prozent, wenn sie von null Emissionen bei der Verbrennung des Kraftstoffs ausgehen. Dies sei ein Rechentrick, mit dem die Klimabilanz nahezu aller Biospritsorten aufgehübscht werde, sagt von Wysiecki: Richtig sei, dass zum Beispiel Rapspflanzen in ihrem Wachstum CO2 binden, das bei der Verbrennung des Kraftstoffs wieder freigesetzt wird. Hinzu kämen aber Emissionen im Produktionsprozess, die nicht bilanziert werden.
Nikolas von Wysiecki, Nabu
Und: „Es gibt immer wieder Betrugsverdachtsfälle bei den vermeintlichen Reststoffen, bei denen zum Beispiel Palmöl unter falschem Label importiert wird“, meint der Nabu-Experte. „Die angepriesenen Emissionseinsparungen sind somit mit großer Vorsicht zu genießen.“
In Deutschland sind laut Kraftfahrt-Bundesamt heute gut 14 Millionen Autos, Lastwagen und andere Fahrzeuge mit Dieselmotoren unterwegs. Der ADAC rechnet damit, dass der neue Sprit an den Tankstellen langsam schrittweise eingeführt wird. Der Preis je Liter dürfte bis zu 20 Cent über dem herkömmlichen B7-Diesel liegen.
Der Bundesverband freier Tankstellen (BfT) schätzt, dass HVO zu 80 Prozent gewerblich genutzt wird, also von der Speditions- und Logistikbranche. Der Bundesverband Energie-Mittelstand (Uniti), bei dem 40 Prozent der Straßentankstellen organisiert sind, erwartet, dass gewerbliche Flottenbetreiber die CO2-Vorgaben für ihre bestehenden Fahrzeugen mit HVO100 leichter erreichen.
Verkehr verfehlt Klimaziele
Kund:innen können den Kraftstoff tanken, „wenn das Fahrzeug vom Hersteller dafür freigegeben ist“, erklärt der Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x). Ein „XTL“-Symbol im Tankdeckel oder die Bedienungsanleitung des Fahrzeugs gäben Aufschluss.
Um seine Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland die Emissionen im Verkehrssektor 2030 im Vergleich zu 1990 um 48 Prozent reduziert haben. 20 Prozent des bundesweiten Ausstoßes von CO2 und anderen Treibhausgasen entstehen im Verkehr, vor allem durch Pkws, Lkws und Busse mit Verbrennermotor. In den vergangenen Jahren hat der Sektor seine Klimaziele verfehlt.
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