Test des Zugfahrens in Europa: Bahn kann Billigflieger schlagen
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat grenzüberschreitende Zugreisen untersucht. Ergebnis: Tickets können erstaunlich günstig sein.
Ökologisch lohnt sich Bahnreisen allemal: Eine Fahrt mit dem Zug verursacht bei durchschnittlicher Auslastung einen Ausstoß von 13 Gramm CO2 pro Person und Kilometer, beim Auto sind es 139 und beim Flugzeug gar 246 Gramm. Beim Preis kann die Bahn den Billigflieger durchaus schlagen: Für die Strecke von Frankfurt nach Marseille gibt es Tickets schon ab 40 Euro, von München nach Rom kommen Reisende im Nachtzug auf einem Sitzplatz für 30 Euro. Allerdings ist dafür eine langfristige Vorbuchung nötig – wie auch bei Billigflügen.
Der Unterschied: Günstige Flugtickets zu europäischen Zielen sind mit ein paar Klicks im Internet sehr leicht zu kaufen. Bei Bahnfahrkarten ist das eher nicht der Fall. „Die Ticketbuchung ist in manchen Fällen aufwendig“, sagt Bastian Kettler, Bahnexperte des VCD. Es gibt keine europäische Plattform für den Fahrkartenverkauf, weil sich die Bahnunternehmen in den verschiedenen Ländern weigern, ihre jeweiligen Daten herauszugeben.
Der VCD fordert deshalb wie viele andere verkehrspolitische Akteur:innen, dass der Gesetzgeber für eine europäische Buchungsplattform sorgt. Solange es die nicht gibt, rät der Verkehrsclub Reisenden, die Portale der Staatsbahnen und unabhängige Plattformen wie thetrainline.com/de zu vergleichen. Wobei nicht alle Bahngesellschaften in Europa internationale Fahrkarten selbst verkaufen: Die schwedische etwa arbeitet dafür mit der unabhängigen Buchungsplattform Omio zusammen. Schwierig kann es auch sein, mit dem Fahrrad und der Bahn innerhalb Europas zu verreisen. Denn die Regeln sind von Land zu Land unterschiedlich. Zwar gibt es ein internationales Bahnticket für 9 Euro – aber das wird etwa in Frankreich nicht anerkannt. „Hier gibt es einen hohen Nachholbedarf auf europäischer Ebene“, sagt Kettler.
Der Bahntest zeigt anhand von sechs Strecken – nach Amsterdam, Stockholm, Danzig, Rom, Budapest und Marseille – wie Reisende an günstige Fahrkarten kommen und mit welchem Vorlauf sie buchen müssen. Auch sind unter Umständen die Tickets günstiger, wenn Reisende an einem Wochentag und nicht am Wochenende fahren. Verspätet sich der Zug um mehr als 120 Minuten, bekommen Fahrgäste die Hälfte des Ticketpreises zurück. Beantragt werden muss das bei dem Unternehmen, bei dem die Fahrkarte gekauft wurde. Interessierte finden dazu in der Broschüre viele hilfreiche Links, etwa zu einer Liste von Kundendienststellen von Auslandsbahnen.
Nachtzugnetz muss wachsen
Ab 2023 könnte sich einiges verbessern. Dann sind Unternehmen verpflichtet, ein durchgehendes Ticket anzubieten, wenn sie alle Verkehrsmittel einer Verbindung selbst betreiben. Außerdem müssen ab dann neue Züge mindestens vier Stellplätze für Fahrräder haben – so soll nach und nach die gesamte Zugflotte radtauglich gemacht werden.
„Bahnfahren in Europa muss einfacher und bequemer werden“, fordert die VCD-Vorsitzende Kerstin Haarmann. Außerdem müsse der neue Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Ausbau des europäischen Nachtzugnetzes mit vorantreiben. Auch dem von dem früheren CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer groß angekündigten Ausbau des europäischen Zugnetzes TEE müssten endlich Taten folgen, hieß es. Bisher gibt es noch keine verbindlichen Verträge, die dieses Projekt absichern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Israelis wandern nach Italien aus
Das Tal, wo Frieden wohnt