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Terror und die Mitte der GesellschaftKollektiver Einzeltäter

Der antisemitische Anschlag in Halle kam nicht von ungefähr. Das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft ermutigt rechtsextreme Gewalttäter.

Ermutigung für Einzeltäter – nationalistischer Aufmarsch 2018 in Berlin Foto: Christian Jungeblodt

Als die Polizei am Mittwoch nach dem antisemitischen Terroranschlag in Halle ermittelte, fahndete sie zunächst nach mehreren Tatbeteiligten. Lange nachdem der Täter Stephan Balliet gefasst war, kamen dann die Meldungen über den Ermittlungsstand: Es sei doch ein Einzeltäter gewesen. Das bedeutet in der Sprache von Ermittlern zunächst lediglich, dass man davon ausgeht, dass es einen einzelnen Tatbeteiligten gegeben hat. Auch jetzt ist das noch der Stand der Ermittlungen.

Der zunächst auch als Einzeltäter geltende Stephan Ernst, der im Juni den Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ermordet haben soll, stellte sich innerhalb von wenigen Wochen als ein in rechtsextremen Strukturen gut eingebundener Neonazi heraus, der nicht nur Demonstrationen der AfD besuchte, sondern auch mindestens einen ganz konkreten Helfer bei seiner Tat hatte. Auch von der lange als „NSU-Trio“ bezeichneten rechtsextremen Terrorgruppe kennt man mittlerweile ein Unterstützerumfeld mit vielen Dutzend Helfenden.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch bei dem rechtsextremen Täter von Halle noch Unterstützer, Helfer oder Mitwisser ermittelt werden. Doch selbst wenn er sich als Täter ohne ein entsprechendes Umfeld herausstellt, war er nicht allein. Der Begriff Einzeltäter suggeriert immer genau das: Ein Einzelner, der irgendwo in seinem stillen Kämmerlein durchdreht, vermutlich verrückt ist, schreitet unabhängig vom Rest der Welt zu einer grausamen, einzelnen Tat. Das klingt so wunderbar entlastend in unseren Ohren. Es klingt, als hätten wir alle nichts mit dem Mörder zu tun, als gäbe es kein größeres, strukturelles Problem. Und gerade deshalb ist es so falsch.

In dem Livevideo, das der Täter Stephan Balliet von seiner Tat ins Internet und damit an die internationale Rechtsterrorismus-Community übertrug, wird seine Ideologie deutlich. Stephan Balliet ist ein Antisemit und Verschwörungsideologe. Er glaubt, dass die Juden schuld an allen Übeln dieser Welt sind. Für ihn sind diese Übel: Die Migration, der Feminismus, die Geburtenraten. Er glaubt an eine Erzählung, die die rechtsextreme Identitäre Bewegung den „großen Austausch“ nennt. Demnach würde die Bevölkerung in Staaten des Westens planvoll ersetzt und ausgetauscht werden, nach Balliets Lesart eben kon­trol­liert durch die Juden. Mit dieser Erzählung ist er nicht allein, auch wenn nicht jeder so deutlich sagt, wen er für verantwortlich hält.

Einzeltäter. Das klingt so wunderbar entlastend in unseren Ohren

Im Bundestag und allen Landtagen und so mancher Talkshow sitzt eine Partei, deren Funk­tio­nä­re auch schon vom „großen Austausch“ gesprochen haben. Die Ideologen, Politiker und Anhänger der AfD sind gegen den Feminismus und die Mi­gra­tion, viele glauben an Geheimpläne eines Bevölkerungsaustauschs. Der ein oder andere AfD-Vertreter hat offen ausgesprochen, wer dahinter vermutet wird: Mal soll es die jüdische Bankiers­familie Rothschild, mal der jüdische Investor Georg Soros sein. Die meisten Funktionäre der rechtsextremen Partei verzichten darauf, „die Juden“ für alles verantwortlich zu machen. Wer als bürgerlich und konservativ gelten will, überlässt den offenen Anti­semitismus lieber seinen radikalen Anhängern und Bündnispartnern. Zum Beispiel einem Typen wie Stephan Balliet.

Der Begriff Einzeltäter verstellt den Blick auf die global vernetzte rechtsextreme Szene, ihre Strukturen, ihre gemeinsamen Erzählungen und Narrative, ihre Ideologie. In Internetforen versammeln sich unzählige Anhänger der rechtsextremen Terroristen von Utøya, Charlottesville, Christchurch, Pittsburgh, El Paso. Das, was der Terrorist aus Halle in seinem Video sagt, ist in dieser Szene, die auch in Deutschland viele Anhänger hat, mehrheitsfähig. Einzeltäter, das klingt wie: „Es gibt nichts zu sehen, bitte gehen Sie weiter.“

Es gibt aber was zu sehen. Die Liste der Verfahren wegen Rechtsterrrorismus beim Generalbundesanwalt wird immer länger. Alle paar Wochen werden gigantische, illegale Waffenlager gefunden. In Chatgruppen tauschen sich unzählige Terrorfans aus, jeder von ihnen ist eine potenzielle, tickende Zeitbombe. Einige bereiten sich auf den „Tag X“ vor. Am 2. Oktober wurde einer Jüdin im niederbayerischen Massing ein Stein an den Kopf geworfen, am 4. Oktober wurde ein Mann mit einem Messer vor einer Syna­goge in Berlin festgenommen, am 9. Oktober wurde die Synagoge in Halle angegriffen.

Und weil es so viel zu sehen gibt, hat das auch mit uns allen zu tun. In einer Gesellschaft, in der Antisemitismus überall, wo er sich zeigt – sei es im Ingame-Chat eines Computerspiels, in einer Zeitungsredaktion, in einer Kneipe, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in sozialen Netzwerken, auf der Fanmeile, in der Moschee oder am Familientisch— vehementen Widerspruch und konsequente Ächtung erfahren würde, hätten es die viel beschworenen „verwirrten Einzeltäter“ schwerer, sich zu verwirren.

Jede einzelne Tat belegt, wie oft in dieser Gesellschaft vorher weggeschaut werden musste, damit der jeweilige Täter sich zur Tat ermutigt fühlen konnte. Jede Tat zeigt, wie wenig diese Gesellschaft als Ganze noch immer, trotz aller Sonntagsreden, gegen Antisemitismus tut. Mit unserem Schweigen, unserem Nichtstun, unserem Wegschauen machen wir uns mitschuldig – als kollektiver Einzeltäter.

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85 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich stimme zu, dass die Gesellschaft eine rechte Tendenz hat. Speziell antisemitisch ist sie jedoch nicht. Unter Anhängern der AfD tummeln sich auch etliche 'Pseudoantiimperialisten', Evangelikale und moderne Faschisten. Teilweise gibt es darunter auch homosexuelle, dunkelhäutige und was sonst nicht so dazupassen will. Der moderne Faschismus in Europa ist betont antiarabisch und islamfeindlich. Das ist der gesellschaftliche Hauptnenner.

  • „kollektiver Einzeltäter“

    Es ist wichtig über den organisierten und politisch in Erscheinung tretenden Rechtsextremismus zu reden und diesen zu bekämpfen.

    Es ist aber ebenso wichtig sich im stillen Kämmerlein radikalisierende Einzeltäter, die nicht in das Schema einer gemeinsam auftretenden Gruppe passen, im Blick zu haben und sie als solche auch zu sehen.

    Das macht sie nicht weniger gefährlich und verharmlost auch nichts. Nur durch die richtige Betrachtung können auch effektive spezifische Gegenmaßnahmen in Betracht gezogen werden.

  • Ihre Unterstellung, dass ich sein Ziel Juden zu töten nicht sehe, ist eine Frechheit.

    Welches Problem haben Sie mit meiner Aussage, dass es ein antimuslimisches UND antisemitisches Attentat war?

    Lesen Sie doch bitte den Kommentar von Frau Gaus, ab der Überschrift „ „Döner – neh´m wer“:

    „ „Döner – neh´m wer“, sagte er, als er nach seinem ersten Mord an einer Passantin frustriert und zunächst planlos in Halle herumfuhr. Döner – den nehmen wir: Ja, natürlich. Es geht nicht nur um Angriffe auf Juden, sondern um Hass auf alle und alles, was nicht deutsch ist. Angriffe auf gastronomische Einrichtungen haben in dieser Hinsicht Tradition. Siehe NSU.“ taz.de/Gesellschaf...twortung/!5629036/

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Das erste Ziel war eine Synagoge an einem jüdischen Feiertag. Das ein Nazi dann auf andere Ziel ausweichen muss und rassistisch handelt, ändert nichts an seiner persönlichen Gewichtung und a stehen Juden eben ganz oben auf der Liste

      • @6474 (Profil gelöscht):

        Be der Gewichtung seiner persönlichen Motivation bin ich bei ihnen. Bei der Gewichtung (wohl eher Runterspielung) von Sammystein des antimuslimischen Parts als Frustreaktion (siehe taz.de/!5628892/#bb_message_3857901 ) und den Toten ganz und gar nicht.

  • Es wird auch hier viel zu viel über den oder die Täter gesprochen und so gut wie nicht über die Opfer. Ich möchte an die Opfer erinnern, die leider anonymisiert und damit quasi aus der Welt geschafft werden. Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen. Über den Täter urteilen Gerichte.

    Und dass sich in Deutschland brutaler Rechtsradikalismus und Nazitum völlig frei entfalten konnte, ist eine ganz andere Geschichte und hat etwas mit den rechtslastigen sogen. Sicherheitsorganen zu tun und den PolitikerInnen, die da haben durchgehen lassen.

    • RS
      Ria Sauter
      @Rolf B.:

      Das kennen wir doch schon aus unzähligen Berichten. Die Opfer interessieren nicht,stattdessen wird über den Seelenzustand des Täters schwadroniert.



      Wahrscheinlich hatte dieser eine schwere Kindheit.



      Es ist zum k.....



      !

    • 0G
      06313 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Ja, auch mich macht es zornig, dass nicht über die Opfer und auch nicht über die Beinahe-Opfer berichtet wird, denen der Anschlag galt. Denn die, die den Anschlag überlebt haben, sind nicht mehr dieselben Menschen, die sie davor waren.

      • @06313 (Profil gelöscht):

        Ich sehe es als positiv an, dass kein „BILD sprach als erster mit den Angehörigen“ abläuft. Lassen Sie doch bitte die Angehörigen in Ruhe vor dem Medienrummel. Deren Trauer ist muss nicht ihre Neugier über deren Leid befriedigen.

        • 0G
          06313 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Erst die Ausstrahlung der US-amerikanischen Serie "Holocaust" im Jahr 1978 führe in Deutschland mit einer Auseinandersetzung mit dem Thema, weil anhand der fiktiven Familie Weiss Millionen von Menschen sehen konnten, was die deutschen Nazis, Antisemiten und die Mitläufer Millionen von Juden in Europa angetan haben. Hören Sie mir doch bitte auf mit Ihren pseudo-moralischen Belehrungen!

           

          Kommentar gekürzt. Bitte vermeiden Sie Unterstellungen.

          Die Moderation

  • ich erwarte dass alle diese Internet-SS-Webseiten und Vernetzungsformen sofort entfernt werden - per Hausdurchsuchung.



    Geht ja sonst auch :



    ein YPG- Fähnchen aus dem Fenster und ein Öcalan-Emblem auf Facebook - schon kommt die Polizei in München zu Dir nach hause.



    Denn das ist Terrorismus.



    Nach der Beseitigung der "Internet-SS" werden noch viele Verschwörungstheoriewebseiten übrig bleiben, die die politische Bildung bearbeiten wird.

    • @nzuli sana:

      Sehe ich ähnlich und möchte die Aufmerksamkeit zusätzlich darauf lenken:

      Die Gesellschaft wird genauso durch neoliberal geprägte Sendungen, wie "[...] - Plündert die EZB unsere Sparkonten?" (Presseclub, 29.09.2019, gesehen bei phoenix) vergiftet, in welchen die Vermehrung von Geld nur durch Zinsen als Geschichte aus der guten alten Zeit bezeichnet wird, um dann die Frage anzuschließen: "Wie für das Alter vorsorgen?".

      Dieser Neoliberalismus ist rechtsradikaler, als man gemeinhin zuzugeben bereit zu sein scheint.

  • Ich würde meinen, es ist eine vielfältige, strukturelle Problematik mit (bürgerlicher) Tradition. Teile der Mitte ...



    # bedienen sich rassistischen Wissens "Ich bin kein*e Rassist*in/Antisemit*in, aber ..." bzw. geben dieses weiter.



    # fordern, mit Nazis zu reden, tun es aber selbst nicht



    # schauen bei rechts gerne weg



    # pathologisieren die Nazi-Täter



    # verdammen die Linken



    # orientiert sich bzgl. gesellschaftlicher Schicht nach oben



    # sind im System so eingespannt, dass sie ein Stockholmsyndrom ausbilden



    # sind politisch ungebildet/naiv



    # vertreten, wenn überhaupt eine verkürzte Kapitalismuskritik



    # finden Konkurrenz toll, wollen aber nicht zu den Verlierer*innen gehören. Das sollen dann Andere sein und die hätten es verdient.



    # wollen mit anderen Worten ihre Privilegien behalten und haben mit Gleichheit im eigentlichen Sinne nichts am Hut.



    # denken, alle paar Jahre 'nen Kreuzchen machen, reiche als gesellschaftspolitischer Aktivismus aus.



    # ...

    • @Uranus:

      Zustimmung.



      Wie schafft frauman es, möglichst alle Menschen das Buch "Würde" von Gerald Hüther lesen zu lassen?



      Fragen Sie unverbindlich in der Stadtbücherei ihres Vertrauens nach.



      Könnte m. E. helfen, sich selbst zu hinterfragen und zu verbessern – in einem leistungsgesellschaftsfreiem Zusammenhang… würdig eben.

      • @Frau Kirschgrün:

        Das Buch kenne ich nicht. Danke für den Hinweis. Den bürgerlichen Standpunkt und hieraus abzuleitende gesellschaftliche Entwicklungen zu überdenken, fände ich einen guten Anfang. Darüber, dass gesellschaftlich einiges schiefläuft, wird ja immer wieder berichtet, wie bspw. in der mehrteiligen Studie (2002-2012) "Deutsche Zustände" und der Artikel über eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2010:



        taz.de/Neue-Heitmeyer-Studie/!5131105/

  • Wir wissen jetzt, dass er nach eigenem Bekunden Mitglied des Kollektivs Anonymous war, das über Facebook, Imageboards und ähnliches gegen das angebliche jüdische Hollywood und Hochfinanz ihre alt.right Thesen absondert. Wir wissen dass er die Waffenpläne von DiY Waffennarren aus UK bekam.

    Einsamer Wolf? Na, Christchurch war sein Vorbild. Das ist ein Meme in der Anonymous-Kultur.

    Jetzt gegen FPÖ, AfD usw zu politisieren, missbraucht die Taten für den Landtagswahlkampf. Würde ich ja gönnen, dass die Leute weniger AfD wählen. Das ist aber doch ein ganz anderes Milieu. Auch als Analyse falsch. Wenn die rassistisch sind, wie es die Mehrheit der Gesellschaft durchzieht, dann eben ganz anders als hier.

    Videos von Leuten, die mit Ak47 auf Smarties schiessen, Lava auf Eis giessen bauen usw. haben Millionen Klicks im Internet. Genau auf so ein Umfeld hat er abgezielt. Außer, dass seine DIY Waffen gottseidank versagt haben... mit Ausnahme der zwei Todesopfer. Er hat Juden gewählt wegen der Polarisierung. Es ist diese Schule der Gewalt wie es sie seit den Helter Skelter Morden an Sharon Tate oder eben der Anarchistenattentäter des 19. Jahrhunderts gibt. Wo die Täter zu Helden werden. Selbst Bismark hatte sich mit dem Stock Unter den Linden zur Wehr zu setzen. Und wer Tarantino-Gewaltorgien schaut, der weiss um den Unterhaltungswert des Gore-Genres.

    Wichtig ist also die Kanäle dicht zu machen und nicht so viel über den Täter an die Öffentlichkeit zu lassen. Plattformen der Anonymousbewegung wie 8chan, endchan und 6chan sowie hetzerische Facebookgruppen müssen verschwinden.

  • „ Der antisemitische Anschlag in Halle kam nicht von ungefähr.“

    Es war nicht allein ein antisemitischer Anschlag. Es war auch ein antimuslimischer Anschlag. Dies bezeugt der Tote im Dönerladen.

    • @Rudolf Fissner:

      Sie vergessen den Femizid. Und der war mal wirklich einer.

    • 0G
      06313 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Der Attentäter hatte nicht die Absicht, ein Attentat auf einen Döner-Laden zu vetüben, sondern explizit auf Juden, die sich am höchsten jüdischen Feiertag in der Synagoge befanden. Es war somit in erster Linie eine judenfeindlich motiviertes Verbrechen. Den Döner-Laden hat er aus Frust beschossen, so wie er die Passantin, eine vermutlich nichtjüdische Passantin, ermordet hat. Nach Ihrem Verständnis müsste es dann auch ein Femizid sein.

      • @06313 (Profil gelöscht):

        „Den Döner-Laden hat er aus Frust beschossen“

        Das halte ich für eine üble Relativierung seiner rechtsextremen Motivation.

      • @06313 (Profil gelöscht):

        Alles was Sie bezüglich der antisemitischen Hauptmotivation sagen, stimmt natürlich.

        Aber man darf deshalb nicht unter den Tisch fallen lassen, wer am Ende wirklich den Schüssen zum Opfer gefallen ist und warum. Zum Beispiel ist die Frage angebracht, ob Insassen einer deutschen Kneipe oder ein männlicher Passant genauso zu "nachgeordneten" Zielen hätten werden können - und die Antwort ist mit einiger Wahrscheinlichkeit "Nein".

        In dem Fall würden Ausländer- und Frauenhass auch eine nicht unerhebliche Rolle in der Analyse der Tat bilden. Das soll den Antisemitismus nicht relativieren sondern ihn einordnen. Es gibt z. B. auch gewaltbereite Antisemiten, die im Zweifel NICHT auf einen Dönerladen ausgewichen wären. Mit denen muss man auch anders umgehen.

        • @Normalo:

          Ja, es gibt auch Antisemiten, die nicht auf einen Dönerladen ausgewichen wären. Stephan B. war jedoch bekennender und gewaltbereiter Rechtsextremist, d.h. empfand auch Hass und Verachtung anderen Gruppen gegenüber. Das wissen wir bereits. Ich könnte mir gut vorstellen, dass ihn der muslimfeindliche Anschlag von Christchurch inspiriert hat. Der in Halle verübte Anschlag war allerdings lange geplant und gut vorbereitet. Er galt Juden. Der Täter hat sich auch nach der Tat eindeutig geäußert:



          www.morgenpost.de/...han-B-gesteht.html



          Daraus: "Dazu sagte Weber laut SWR, aus Sicht seines Mandanten sei die Tat "schiefgegangen". Zielrichtung sei eine andere gewesen, die Opfer, die es gegeben habe, seien nicht vorgesehen gewesen."



          Trotzdem gibt es einige Leute in diesem Forum, die winden und winden und winden und winden sich und haben ein Problem damit eine antisemitische Tat eine antisemitische Tat zu nennen. Ich verstehe das nicht.

          • 0G
            06313 (Profil gelöscht)
            @Henriette Bimmelbahn:

            "Trotzdem gibt es einige Leute in diesem Forum, die winden und winden und winden und winden sich und haben ein Problem damit eine antisemitische Tat eine antisemitische Tat zu nennen. Ich verstehe das nicht."

            Ich verstehe es auch nicht, kann es mir aber nur so erklären, dass es eine Form der Verdrängung ist. Man will sich nicht damit auseinandersetzen, dass es nach dem in Deutschland geplanten und umgesetzten Holocaust, dem Entrechtung und Verfolgung von Juden vorausgegangen war, der Antisemitismus nach wie vor seine Blüten treibt. Ich finde, dass es gerade im demokratischen Deutschland jegliche Form von Antisemitismus - also auch verbale Übergriffe - strafrechtlich geahndet werden müssen. Doch Antisemitismus ist in Deutschland nur ein Kavaliersdelikt.

             

            Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Fakten.

            Die Moderation

            • @06313 (Profil gelöscht):

              Klingt plausibel. Antisemitismus scheint "das Böse, dessen Name nicht genannt werden darf" zu sein.



              Und wenn schon, dann muss man sich hinterher zwar nicht bekreuzigen, aber mindestens ein "und XY-ismus" dazusagen. Dann geht es gerade noch so.

      • @06313 (Profil gelöscht):

        Mensch kann von seiner Planung her einordnen oder nach seinen konkreten Taten. Nach letzteren Taten waren diese rassistisch und hierunter auch genauer antisemitisch (Antisemitismus als Form des Rassismus).



        Meine Wahrnehmung ist, dass bei alltäglichem Antisemitismus kaum reagiert oder gar relativierit wird (bspw. an Schulen), jedoch bei Gewalttaten symbolisch betroffen reagiert wird. Allein Patriot*innen werden aus Sorge um Deutschlands Image symbolisch reagieren. Was dann im Alltag passiert, kann mensch dann weiter unter den Teppich kehren.



        Bei antimuslimischen Rassismus sieht es bisweilen so aus, dass gar Gewalttaten erst bedacht werden, wenn es kaum mehr ausweichlich ist. Siehe auch NSU und um Jahre verspätete Reaktion.

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Der Täter war rechtsradikal. In dem Fall also nicht "nur" antisemitisch. Die Synagoge war aber sein erklärtes Ziel und der Rest nur ausweichen und Frust ablassen.

      Ich glaube kaum das der Täter ein Freund des Islams ist, aber ein Angriff auf einen Dönerladen ist zunächst mal "nur" rassistisch.

      • 0G
        06313 (Profil gelöscht)
        @6474 (Profil gelöscht):

        Ich frage mich, wieso in diesem Land Antisemitismus nicht beim Namen benannt, sondern immerzu relativiert oder weggeredet wird oder mit anderen Phobien in einen Topf geworfen wird.

        • @06313 (Profil gelöscht):

          Was haben Sie an meinem Satz „ Es war nicht allein ein antisemitischer Anschlag. Es war auch ein antimuslimischer Anschlag. Dies bezeugt der Tote im Dönerladen.“ nicht verstanden, dass Sie in diesem Diskussionsfaden behaupten, dass man Antisemitismus nicht beim Namen nennen darf.

        • 6G
          6474 (Profil gelöscht)
          @06313 (Profil gelöscht):

          Weil Antisemitismus in Deutschland ein sehr lautes Rauen und Flüstern ist. Die einzigen die sich noch stolz und laut darauf berufen, sind eben Neonazis und teilweise Deutscharaber.

          Der Antisemitismus in der Linken bzw. bürgerlichen Ecke ist dagegen selten mal brutal, offensiv oder gewalttätig.



          Man hat sich schon so sehr an seine eigenen Erklärungen gewöhnt, warum "Kauft nicht bei israelischen Juden" oder "Hamas, Hamas, Juden ins Gas" legitime Kritik oder tempramentvolle Wut sind, das man Antisemitismus nur dann noch als solchen identifizieren kann, wenn "historisch, vor 1945" und "Himmler, Hilter, Goebbels" auf dem Etikett steht.

          So eine Tat muss wirklich für viele total überraschend sein. Für mich leider nicht...Willkommen in der Realität

          • 0G
            06313 (Profil gelöscht)
            @6474 (Profil gelöscht):

            "Der Antisemitismus in der Linken bzw. bürgerlichen Ecke ist dagegen selten mal brutal, offensiv oder gewalttätig"

            Der Antisemitismus in der bürgerlichen Ecke ist der Nährboden, auf dem der gewaltbereite, menschenfeindliche Antisemitismus gedeihen kann. Dieselbe Konstellation ermöglichte die Nürnberger Rassegesetze, die Deportationen und den Holocaust. Es gab keine Proteste seitens der nichtjüdischen Bevölkerung. Jüdisches Leben ist 2019 in Deutschland und vielen europäischen Ländern nur unter polizeil. Schutz möglich. Das hat sich in Halle wieder bestätigt.

            • @06313 (Profil gelöscht):

              Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

              Die Moderation

            • @06313 (Profil gelöscht):

              Antisemitismus hat seinen Nährboden nicht allein im „bürgerlichen“ Er ist gesamtgesellschaftlich vorhanden.

              Aber wieso sollten abseits ihrer ansonst richtigen Betrachtung beim konkreten Fall in Halle die nichtjüdischen Todesopfer sprachlich nicht vertreten sein. Was ist so schlimm daran wenn von einem antisemitischen UND antimuslimischen Attentat die Rede ist.

              • 0G
                06313 (Profil gelöscht)
                @Rudolf Fissner:

                Warum haben Sie solche Probleme damit, Tatsachen zu akzeptieren, die sogar der Täter selbst angegeben hat: er wollte Juden töten.

              • @Rudolf Fissner:

                Weil es das NICHT war. Der Tote im Dönerladen war kein Muslim!



                 

                Kommentar gekürzt. Btte vermeiden Sie Unterstellungen.

                Die Moderation

                • @Pia Mansfeld:

                  P.S. Bei einem antisemitischen oder antimuslimischen Anschlag muss nicht zwangsläufig ein Jude oder Muslim unter den Opfern sein. Die Opfer in Halle waren beide nicht jüdisch oder muslimisch. Trotzdem war es ein antisemitischer UND antimuslimischer Anschlag.

                  Akzeptieren Sie also bitte Realität bei dem Anschlag auf die Synagoge und den Dönerladen.

  • Bleiben Sie doch bitte sachlich!



    Ich denke nicht, dass das Attentat der geeignete Anlass ist für Vergleichsspielchen ist. Ich kann mich Sie als Linksextremist auch kaum vorstellen. Zudem sollten Sie wissen, dass der Linksextremismus am allerwenigsten die Bekämpfung des Rechtsextremismus zum Ziel hatte.

    • @Rudolf Fissner:

      War @Uranus

  • Nanu, und ich Trottel dachte, die "Linksextremist*innen" wären das Problem und fand mich fast an der Seite Kubickis wieder und wollte mich zusammen mit ihm gegen Antifaschismus stellen, mit Nazis reden und ... ;/

    • @Uranus:

      Ziemlich billiger Seitenhieb, der die Tat instrumentalisiert. Haben Sie das nötig?

      Man kann über Alles reden, was vielleicht voranbringt: Ob genug Ressourcen gegen rechte Gewalt eingesetzt werden, ob generell - zumal an Jom Kippur - zu wenig Sorge für die Sicherheit jüdischer Einrichtugnen getragen wurde etc.. Ist es so schwer, selbst angesichts solch einer Tat mal den Grabenkrieg sein zu lassen?

      • @Normalo:

        Das ist eine polemische Reaktion auf das Artikelthema - wie also die "Mitte der Gesellschaft" eine Mitverantwortung trägt. Und da spielt schon hinein, welches antifaschistisches Verständnis denn überhaupt da ist bzw. was als Gefahr für die Gesellschaft angesehen und entsprechend behandelt wird. Mein Eindruck ist bspw., dass Nazis im Vergleich zu anderem, was der Staat so repressiv angeht, gut bei wegkommen.



        Dann geht es eben nicht nur um Nazis sondern um Ideologien, die über diesen braunen Sumpf hinaus verbreitet sind wie Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus, Leistungsgesellschaft (damit verbundene Behindertenfeindlichkeit und Klassismus), Trans-, Homo- und Frauen-feindlichkeit ...



        In die Richtung bzw. in diesem Zusammenhang deute ich auch das Zitat, dass Horkheimer zugeschrieben wird, und da lautet:



        "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen"

        • @Uranus:

          Wer über antisemitischen Terror in der Bundesrepublik redet, darf den antisemitischen Linksextremismus nicht unter den Teppich kehren.



          München, Entebe, Mainhofs Judenhass: schon vergessen?

          www.welt.de/geschi...s-Judenhasses.html

        • @Uranus:

          Danke für das Horkheimer Zitat!

          • @Frau Kirschgrün:

            :)

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    Kann sich bitte einer mal in die Situation der 70-80 jüdischen Bürger aus Halle hineinversetzen, die nur von einer Holztür auf fast schon wundersame Weise davor bewahrt wurden, von diesem Mörder massakriert zu werden? Haben die Betenden danach psychologische von der Stadt Halle angeboten bekommen? Wer hat sich um sie gekümmert? Hat irgendein Politiker mit einem von denen gesprochen? Wieso erfäht/liest man nirgends darüber?

    • @06313 (Profil gelöscht):

      Sie haben etwas sehr sehr wichtiges vergessen. Die namenlosen und gesichtslosen Opfer des Attentats, die unbekannte Frau und der Herr im Dönerladen waren beide nichtjüdisch.



      Das wird bei der ganzen Berichterstattung gerne vergessen.

      • 0G
        06313 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Gestern wurde darüber mehrfach berichtet. Auch in der taz. Nochmal: weder die Frau noch der Herr im Dönerladen oder der Laden selbst waren Ziel des Wahnsinnigen. Er selbst hat es doch bereits zugegeben, dass er aus judenfeindlichen Motiven die Tat verübt hat.

        • @06313 (Profil gelöscht):

          Wo wurde darüber berichtet, dass die Angehörigen der Ermordeten eine psychologische Betreuung bekamen?

          • @Rudolf Fissner:

            Und hat irgendein Politiker mit einem der Angehörigen der Toten gesprochen?

    • 0G
      06313 (Profil gelöscht)
      @06313 (Profil gelöscht):

      Es fehlten ein paar Wörter:



      "Haben die Betenden danach "eine" psychologische "Betreuung" von der Stadt Halle angeboten bekommen?"

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    Wie schon andere erwähnten, man erfährt überhaupt nichts darüber, wie es den beinahe getöteten fast 80 jüdischen Menschen geht, die drei Stunden lang in der Synagoge ausharren und fürchten mussten, von diesem Monster niedergemetzelt zu werden. Immerzu wird über die Täter reflektiert. Was ist mit den Opfern???

    • @06313 (Profil gelöscht):

      Schließe mich da an. Offenbar befragt das weiße deutsche Staatsfernsehen lieber die AFD dazu /Sarkasmus/

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    Der Antisemitismus grassiert seit Jahren in Deutschland und tritt in unterschiedlichen politischen/ideologischen Ausprägungen, also auch bei den Linken zutage. Man erinnere sich an die die Selektionen jüdischer Passagiere nach der Enführung eines Air France Flugzeugs durch deutsche und palästinensische Terroristen. Der Antisemitismus ist in Deutschland Alltag. Siehe hierzu auch diesen Artikel

    www.deutschlandfun...urce=pocket-newtab

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Eine sehr gelungene, weil treffende Headline.

  • Wenn ich mir den Wikipediaartikel zum sogenannten „Führerlosen Wiederstand“ ( de.wikipedia.org/w...erloser_Widerstand ) durchlese, dann erscheint mir der Begriff des Einzeltäters gar nicht so abwegig. Er ist ein Konzept des Rechtsterrorismus und bezeichnet „eine Organisations- und Aktionsform des Rechtsterrorismus genannt, bei der Einzeltäter („einsame Wölfe“) oder konspirative Kleingruppen auf eigene Initiative und unabhängig voneinander Anschläge oder andere Gewalttaten planen und verüben und dabei bewusst auf Anführer und Befehlsstrukturen verzichten.“

    Die „einsamen Wöfe ( de.wikipedia.org/w...Wolf_(Terrorismus) ) „folgen in der Regel einer extremistischen Ideologie, ohne ihre Aktion(en) mit anderen Vertretern derselben Ideologie abzustimmen, und ohne persönlichen Kontakt zu möglichen Gesinnungsgenossen. Dadurch sind „einsame Wölfe“ für Geheimdienste schwer im Voraus zu erkennen, weil sie bei der Überwachung verdächtiger Netzwerke nicht auftauchen„

    Der Begriff des Einzeltäters ist daher kein verharmlosender Begriff. Das faschistische Konzept des „Führerlosen Wiederstands“ ist ein sehr gefährliches Konzept. Die Beobachtung von Einzelpersonen im Rechtsextremismus ist im Gegenteil zu intensivieren. Nur Gruppen und Netzwerke intensiver zu beobachten greift zu kurz.

    • @Rudolf Fissner:

      Ist es ein Konzept oder schlicht ein Ergebnis unserer aktuellen Welt, in der man viel Zeit individuell im Netz verbringt? Der Großteil der Leute in den Foren, in denen sich der Täter tummelte ist voller Trolle, denen Sie ihr Tun real nie ansehen werden und die jetzt vermutlich total begeistert sind.

  • Übernächste Woche bin ich endlich wieder in Israel. Der richtige Zeitpunkt.

  • Die Narrative wiederholen sich: Rechtsextreme sind Einzeltäter. Linksextreme sind Gruppen.



    So einfach ist die Welt.

    • @ecox lucius:

      "Rechtsextreme sind Einzeltäter. Linksextreme sind Gruppen."



      Ihre schlichte links-rechts-Analyse stimmt ungewollt : Die Rechten sind "Täter", die Linken sind "Gruppen".

      Können Sie viele "Täter" von Mordanschlägen der Linken in Deutschland aus diesem Jahrtausend aufzählen ?

      • @unSinn:

        Gut, die RAF hatte ihre Zeit vor der Jahrtausendwende. Aber auch dieser Schoß ist noch fruchtbar.

        Allerdings: Die Rechtsextremen waren immer aktiv, weniger in Wellen und oft ohne erkennbare aktuelle äußere Motive ...

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @ecox lucius:

      JA, die Welt kann (in Erklärungen und Verlautbarungen) sehr einfach sein - wenn sie dazu gemacht wird.

      Der Kampf um Deutungshoheit ist hart, wird hart bleiben ... oder noch härter werden.

      Sich über Gewaltausbrüche Einzelner in einer gewalttätigen Welt zu wundern, ist mir fremd. Der Terrorakt in Halle ist das Spiegelbild der Jetzt-Zeit. Einziger Unterschied: die offizielle Gewalt ist - im Regelfall - kalt und effizient, die indivuelle kann zuweilen chaotisch ausfallen.

      Diesem Umstand verdanken die Menschen in der Synagoge ihr Leben.

  • "Das Schweigen der Mehrheitsgesellschaft ermutigt rechtsextreme Gewalttäter."

    Worum geht es bei diesem Satz, geht es zuallererst um ein Schweigen an sich, oder handelt es sich zuallererst um eine Kritik an den Menschen, beides, beidem?

    Soweit es um eine Kritik an den Menschen geht, kann zumindest ich diese nicht teilen.



    Soweit richtig ist, was bislang zum Tathergang in Erfahrung zu bringen war, dann haben den Täter mindestens zwei Menschen angesprochen. Andere Menschen dürften - Und seit wann darf Angst von anderen Menschen, zB hiesigen Gesellschaftskritikern, verteufelt werden?! - dazu wohl nicht gekommen sein, u.a. aus Angst weggelaufen, oder, ich verteufele dies nicht, lieber mit dem Handy die Szenen aufgenommen und dabei geschwiegen haben, um nicht die Aufmerksamkeit des Täters auf sich zu ziehen.

    Ich erinnere hier auch sehr gern an Dr. Gregor Gysi, sinngemäß: Die Gesellschaft gewinnt man nicht mit Vorwürfen, sondern mit dem Aufzeigen von Alternativen.

    Anstatt die "Mehrheitsgesellschaft" des Schweigens zu beschuldigen, oder ein solches so zu kritisieren, dass es leicht - auch ohne eine solche Ausgangsintention - als persönlich aufgefasst werden kann, sollte man sie gewinnen! Aufrufen! Loben (!) - denn noch immer wählt die Mehrheit nicht die AfD!

    Man muss die Probleme der Mehrheit analysieren und ihr die Gelegenheit verschaffen oder helfen, dass sie sich diese selbst verschaffen kann, Zeit und Energie in einem neoliberal intendierten System zu haben, sich zu engagieren.

    Was sollen die Menschen, die absichtlich mit der Aufrechterhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit beschäftigt werden, realiter noch machen! Richter, Polizei, Verwaltung, Handwerker pp., Lehrer, Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, andere abhängig Beschäftigte, Rentner, der Querschnitt der Gesellschaft - Arbeitsverdichtung, niedrige Löhne, Unsicherheit bei den Renten und Pensionen, meinen Sie nicht, lieber Autor, dass diese Menschen, dazu noch unterschiedlich erzogen, nicht auch resignieren?!

    • @Gerhard Krause:

      @Gerhard Krause: Ja, es ist (auch) Kritik an den Menschen. Aber ich glaube, Sie haben diese nicht richtig verstanden. Es geht hierbei nicht darum, demjenigen zu widersprechen, der mit der Waffe dasteht und sich damit in unmittelbare Lebensgefahr zu begeben. Es geht vielmehr darum, demjenigen zu widersprechen - und zwar vehement - der in Chatrooms, in Kneipen, am Arbeitsplatz, in der S-Bahn, im Freundeskreis oder sonstwo entsprechende Ansichten äußert. Der Verzicht auf diesen Widerspruch führt zum (irrigen?) Glauben, dass die entsprechenden Ansichten geteilt werden und bei entsprechender Persönlichkeitsstruktur letztendlich zu Radikalisierung und den Auswüchsen, die wir hier erleben müssen.

      • @Lucanus:

        Mir als Wissenschaftler erscheinen solche maßstabslosen Kritiken eher als journalistische Worthülsen, die - verständlich - unter dem Eindruck solch schrecklicher Ereignisse als zumindest vertretbar erscheinend geäußert werden.

        Meiner Meinung nach spricht ganz stark die tatsächliche Opferauswahl für eine psychopathologische oder ähnlich krankhaft funktionierende Psyche, die anders verursacht auf eine absolut verwerfliche schreckliche auf ihn subjektiv eingängig wirkende Ideologie aufgesetzt wurde. Für mich macht das einen Unterschied, auch in Bezug auf die s.g. Mehrheitsgesellschaft.

  • Verantwortungsloses publizistisches Tamtam um die Person des Attentäters

    Der antisemitische Terrorist von Halle hat sich offenbar an dem Attentäter von Christchurch orientiert. In den politischen und publizistischen Reaktionen sollten sich die deutschen Politiker an derjenigen der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern ein Beispiel nehmen, von der sie sich alle eine Scheibe abschneiden können. Vor dem neuseeländischen Parlament sagte sie zu dem Attentäter von Christchurch: "Er wollte durch seinen Terroranschlag viele Ziele erreichen, aber eines war Bekanntheit, darum werden Sie nicht hören, wie ich seinen Namen erwähne. Er ist ein Terrorist. Er ist ein Verbrecher. Er ist ein Extremist. Aber er wird, wenn ich spreche, namenlos sein." Sie wünsche sich, dass auch andere die Namen der Opfer statt den des Täters im Mund führen mögen.

    Um ähnlich geltungssüchtige Nachahmer nicht auch noch zu ermutigen, sollte man auch in der Berichterstattung über derartige politisch motivierte Amok-Verbrechen alles vermeiden, das diese Loser-Geltungssucht auch noch anstacheln könnte, wie die volle Namensnennung des Attentäters - auch hier in diesem Artikel. Das ist verantwortungslos.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Dann sind wir uns im Allgemeinen wohl eher einig. Im Besonderen aber nicht. Was aber wieder ins Allgemeine führt. Die konsequente Anonymisierung, das konsequent unsichtbar machen wollen ist bloss eine Allmachtsphantasie. Wenn es ein Vorbild gibt, dann ist es Norwegen. Die konsequente und wahrhaftig gemeinte Haltung und gesellschaftlich-politische Praxis: Wir werden, wir wollen den Hass des Täters nicht teilen. Das hiesse auf Deutschland bezogen z.B. konsequent die Delegitimierung der AfD. Selbst damit gerät eine offene demokratische Gesellschaft an Grenzen: Breivik befand sich lange und faktisch in Isolationshaft. Die zu recht und zweifellos unter das Folterverbot fällt. Mir erscheint die Anonymisierung der Täter mehr der Versuch einer sich beruhigenden (noch)Mehrheitsgesellschaft die sich über die Anonymisierung selbst Distanz zur Realität halten will, statt sich ihr zu stellen. Mal abgesehen davon das die Anonymisierung eines Täters nicht gelingen kann, gelingen darf, will man ihn nicht in Geheimprozessen, geheim und namenlos verurteilen - ich glaube das er in Kreisen die ihn bewundern, oder als Helden betrachten es völlig wurscht ist, ob er Stephan B. oder Stephan Balliet genannt wird. Dort ist er immer eine Person. Und was an ihm "anonym" ist, ist Teil der Beliebigkeit auf die ein "Soldat der Sache" stolz ist. Es ist ein bisschen wie mit der Todesstrafe: Tatsächlich hält diese Androhung keinen Täter von der Tat ab. Das ist bloss die Macht, die Phantasie des Triumphes über den Delinquenten als braver Bürger. Ganz im Sinne wie das Gefängnissystem immer auch zu sehen ist: In Wahrheit geht es nicht so sehr darum einen Straftäter weg zu sperren. Schon gar nicht wissenschaftlich und in der Praxis bewiesene Methoden anzuwenden, die einen Straftäter zukünftig straffrei zu machen. Es geht darum einen Ort zu haben vor dessen Mauern man stehen kann um auf die Straftäter zu zeigen, der man selbst behaupten will nicht zu sein.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Es ist eine völlig menschliche Reaktion, fassungslos über die Hintergründe nachzudenken, warum sich ein Mensch derart radikalisiert und irgendwann in seinem Wahn ihm wildfremde Menschen ermordet. Schließlich bedroht es auch die Gesellschaft und das Zusammenleben. Dazu leben wir nun mal in Deutschland, wo solch ein Fall aufgrund der Historie nochmal einen ganz anderen Stellenwert hat. Hinzu kommen aktuelle politische Verschiebungen usw.

      Würde über solche Täter nicht berichtet entstünde der Eindruck, es würde einfach so hingenommen. Außerdem halte ich es für menschlich unnatürlich, bei sowas einfach zu schweigen.

      Über die Opfer (Familien) erfährt man meist viel zu wenig. Das stimmt.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Ob Sie es absichtsvoll tun oder aus Begriffsstutzigkeit: Ihr Anliegen deckt sich gerade vollständig mit dem Interesse des parlamentarischen wie außerparlamentarischen AfD-Milieus bis hin zu den Martin Sellners und Kubitscheks mit pathologisch-ideologischen Identitätsproblemen.



      Hier besteht ein hohes taktisches Interesse daran, sich von solchen Taten und Tätern zu distanzieren, weil es ihrer Vision vom Marsch durch und in die Institutionen widerspricht. Über den Täter und Tat nicht zu sprechen ist Voraussetzung dafür. Während Sie entweder glauben über etwas zu Schweigen mache eine Sache klein, oder uns glauben machen wollen in Wirklichkeit sei die Sache klein, würde aber nur gross gemacht. Der klassische Widerspruch innerhalb der im Geiste und in der Agenda vereinten: Taktisch gilt es jetzt Positionen innerhalb von Gesellschaft, Staat und in Parlamenten zu erobern. Da sind die Soldaten der nationalen Revolution selbstverständlich grad nicht gefragt. Ihre Unversöhnlichkeit, ihre Militanz ihr Aktionismus taktisch kontraproduktiv. Schon hat man mit Maaßen etc. wichtige Positionen räumen müssen. Was das nationalistische Fußvolk nicht immer kapiert. Der gärige Haufen. Aber selbstverständlich nun mal in der Natur der Sache liegt: Klar ballert Meuthen, Höcke, Weidel, Gauland, Kalbitz niemanden weg. So blöd sind die nicht. Und unappetitlich finden sie es auch. Dafür haben sie die Blöden. Meine Treue heisst Dummheit. Aber wer die Strategie verfolgt bürgerkriegsähnliche Zustände zu provozieren, um dann als Ordnungsmacht auftreten zu wollen, braucht hält selbst höchstens die vigelantischen Reden auf dem Dorfplatz Internet, den Wochenmärkten oder im Parlament zu schwingen. Da wo man sich so richtig die Hände schmutzig macht, schlägert, Brände legt oder Menschen umbringt ist die taktische Klugheit systemisch bedingt nicht breit gestreut. Da hatten die Strategen ja auch mit der SA so ihre Mühen.

      • @Martinxyz:

        Begriffsstutzigkeit

        Zitat @Martinxyz: „Ob Sie es absichtsvoll tun oder aus Begriffsstutzigkeit: Ihr Anliegen deckt sich gerade vollständig mit dem Interesse des parlamentarischen wie außerparlamentarischen AfD-Milieus... Über den Täter und Tat nicht zu sprechen ist Voraussetzung dafür.“

        Ob Sie es absichtsvoll tun oder aus Begriffsstutzigkeit: Ihre Interpretation des hier angeführten Beispielcharakters der Reaktion der neuseeländischen Ministerpräsidenten ist nicht sehr starken Sinnes. Noch mal langsam zum Mitschreiben: Es geht nicht darum, „über den Täter und Tat nicht zu sprechen“, sondern durch konsequente Anonymisierung des Täters dessen erhoffte mediale Aufmerksamkeit zu verweigern und nicht auch noch pathologische Nachahmungstäter zu ermutigen. Über die Taten selbst, deren Hintergründe und politische Kontexte kann man nicht genug reden, besonders auch im Vorfeld. Das wäre v. a. Auch Sache der Grundgesetz-Schützer. Aber was will man von einer Gärtner-Innung erwarten, die immer ersichtlicher aus lauter Böcken besteht...

  • Die Verharmlosung des Terros von Rechts beginnt schon damit, dass gewisse Publikationen (z. B. "Augsburger Allgemeine") respektvoll vor AfD, FPÖ, Trump und Konsorten buckeln und sich hier auffällig mit Kritik zurückhalten. Im Gegensatz dazu wird alles verteufelt, was sich irgendwie dem linken Lager zuschieben lässt (Klimademos).

    Übt man beim Gespräch in der Öffentlichkeit laut Kritik an der AfD, kann man schon mal böse Blicke ernten. So zumindest erlebt im Süden der Republik.

    Dieses ganze rechte Gedankengut, es ist wohl doch nicht so sehr weit entfernt von der Denkweise mancher, die eh schon ein kleines bisschen rechts von der Mitte stehen. Entsprechend dürftig der Widerstand gegen Rechts.

  • Der Mehrheitsgesellschaft fehlt es, beim Versagen der Verfassungsorgane, einfach an Vorbilder. NSU, BDS etc. werden nicht konsequent genug bekämpft. Das Bundesverfassungsgericht feiert sich mit seinen "verfassungsgerichtlichen Hürden" selbst, die einem Verbot, etwa der NPD, vorangestellt werden. Das BverfG hatte völlig versagt, weil es nicht erkannt hat, dass rechtsextreme Parteien, die den Holocaust leugnen, wie etwa die NPD, im historisch- deutschen Zusammenhang keine "normalen" Parteien sind. Die Richter hatten das Urteil nur für sich selbst geschrieben... die Wirkung dessen zu erkennen, was sie da zu Papier brachten, dafür fehlte denen jedes Vermögen...Dem Volke auf's Maul geschaut..........ist die Botschaft des Urteils: die NPD hat gewonnen.



    Wenn die Eliten nun wohlfeil, mit mahnenden Worten und hohlem Geschwätz ihr Versagen auf die "Zivilgesellschaft" herab- delegieren, so kann ich vor diesem Hochmut, der am Ende nichts als Unverstand ist, nur verzweifeln.

    Im Übrigen ist hier alles gesagt:



    www.hagalil.com/20...kippur/#more-56228

    • @Günter:

      Wen meinen Sie mit BDS?

  • Sorry, aber das ist Sonntagsrede. Besonders zum Ende hin.



    Je mehr ich über das rassistische Attentat lese, desto mehr fürchte ich, dass sich der Mörder Artikel wie diesen an seine Zellenwand pinnt. Weil sie ihn dahingehend bestätigen, kein einsamer Irrer, bzw. Einzeltäter zu sein, sondern der Held einer großen Bewegung. Alles sehr traurig und kompliziert!

    • @jan ü.:

      Diese Leute sehen sich als Teil der Gegenkultur gegen die Political Correctness. Jedes Berichten darüber macht die Sache nur schlimmer, das ist halt die Krux, wenn man auf die Öffentlichkeit als Finanzier angewiesen ist. Sloterdijk sagte schon zu 9/11, dass der Bericht darüber am besten ein Fünfzeiler im International-Teil einer Deutschen Zeitung wäre.

  • Und schön wäre dann, man machte den Bogen rund, statt bei der Hälfte stehen zu bleiben - denn der Ablauf der Tat verrät mehr als die übliche Standards gegen Antisemitismus hergeben: Nachdem das Massaker an unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern misslingt, wendet sich Balliet der nächsten Bevölkerungsgruppe zu, der er das Existenz- und Anwesenheitsrecht verweigert. Auch der Döner-Imbissladen und die Hoffnung dort ein Angriffsziel zu finden war nur insofern ein Zufallsort, als das es genau diesen Besonderen traf. Weshalb also besucht der Bundespräsident weder den Tatort Döner-Imbiss-Laden, noch nimmt die TAZ angemessen zu Kenntnis, das dieser antisemitische Terrorangriff auch ein rassistischer auf unsere Nachbarinnen und Nachbarn mit Einwanderungsbiografie ist. Oder präziser - was das aufgewiegelte parlamentarische und ausserparlamentarische Terror-Milieu im Alltag und jederzeit und überall für nicht aufenthaltsberechtigte Gäste oder Invasoren hält. Selbstverständlich ist es unerträglich das Menschen in ihrer Synagoge angegriffen werden. Aber weshalb redet niemand darüber, das den anderen nicht einmal helfen würde, wären Sicherheitsvorkehrungen, Bewachung und Türschlösser von zweifelsfreier Qualität. Es nützt einem nichts. In Bus und Bahn, in Strassen und auf Plätzen. Wenn Vigilanten vom Schlage des parlamentarisch gewordenen gutbürgerlichen Rassismus als legitim verbreiten, mein Gegenüber in der Strassenbahn selbstverständlich als ausreisepflichtig, Sozialschmarotzer, oder gar geborenen Vergewaltiger und Messerstecher anzusehen.



    In Kreisen der neuen Rechten gilt Judenhass schon lange als taktisch unklug fürs bürgerliche Milieu. Man hat zur Funktion ja ein aktuelleren mehrheitsfähigeren Sündenbock. Das Burschenschaftsbürschchen Martin Sellner hatte schon gestern Nachmittag entschieden den rechtsterroristischen Background auf seinem Vigilanten-Kanal nicht zu bestreiten. Es geht auch um Symbole und Gesten. Wo ist die Nachricht, die Veranstaltung zur Dönerbude?

  • "Mit unserem Schweigen, unserem Nichtstun, unserem Wegschauen machen wir uns mitschuldig – als kollektiver Einzeltäter."

    Nein, ich schaue nicht weg. Ich kenne aber keinem, dem ich die Meinung sagen kann.

    Ich fühle mich daher nicht schuldig.

  • Danke, ALEXANDER NABERT, für die klaren Worte. Unmittelbar vor der Lektüre Ihres Artikel habe ich den Spiegel-Artikel "Antisemitischer Anschlag in Halle:



    Der Einzeltäter, der nicht allein war" gelesen. Der Autor eiert in seinem spiegel-typischen Reportagestil so rum um das Problem, dass mir beim Lesen speiübel geworden ist.