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Tarifkonflikt mit der Deutschen BahnGDL ruft zu 5 Tagen Streik auf

Im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn hat die Gewerkschaft der Lokführer einen neuen Streik angekündigt – der bisher längste im Personenverkehr.

„Es ist eine der längsten Arbeitskampfmaßnahmen, die wir durchführen, und zwar absichtlich“ Foto: dpa

Frankfurt am Main dpa | Dritter und bisher längster Streik für Bahnkunden: Die Lokführergewerkschaft GDL ruft von diesem Donnerstag ab 2 Uhr bis Dienstagfrüh in der kommenden Woche zu einem fünftägigen Ausstand im Personenverkehr der Deutschen Bahn auf. Im Güterverkehr soll der Streik bereits an diesem Mittwoch beginnen.

„Es ist eine der längsten Arbeitskampfmaßnahmen, die wir durchführen, und zwar absichtlich“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Claus Weselsky am Montag in Frankfurt am Main. „Wir sehen uns angesichts der Blockadehaltung der DB-Manager nicht bereit und nicht gewillt, hier kürzere Arbeitskampfmaßnahmen durchzuführen.“ Unbefristete Streiks stünden derzeit aber nicht zur Debatte, betonte Weselsky.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) setzt sich für eine höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten ein. Dabei will die GDL auch im Konkurrenzkampf mit der größeren der beiden Bahngewerkschaft punkten, der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).

Der Arbeitskampf wird neben hunderttausenden Pendlern wieder auch zahlreiche Reisende treffen. Die Urlaubssaison läuft, in mehreren Bundesländern sind noch Schulferien.

Keine Annäherung mit dem Management

Der jüngste Streik war in der Nacht zu Mittwoch vergangener Woche zu Ende gegangen. Der Bahn reagierte mit Notfahrplänen. Im Fernverkehr konnten bis zu 30 Prozent des Angebots aufrechterhalten werden, im Regionalverkehr einschließlich der S-Bahnen waren es im Schnitt 40 Prozent. Am Tag nach den bisherigen Streiks lief der Verkehr wieder weitgehend normal.

Im Tarifkonflikt gab es seither keine Annäherung mit dem Management. In Interviews der vergangenen Tage hatte Bahnchef Richard Lutz die Gewerkschaft aufgerufen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Dem GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky warf er zugleich vor, mit Falschbehauptungen die Belegschaft zu spalten.

Die Bahn will zwar die Löhne und Gehälter wie von der GDL gefordert um 3,2 Prozent erhöhen. Umstritten ist jedoch, zu welchen Zeitpunkten die einzelnen Stufen greifen sollen und wie lange der neue Tarifvertrag gelten soll.

Gewerkschaft will ihren Einfluss ausweiten

Auch eine Corona-Prämie für dieses Jahr hat die Bahn angeboten, ohne sie jedoch zu beziffern. Die GDL fordert 600 Euro. Gerungen wird auch um die Betriebsrenten; hier haben sich beide Seiten noch nicht aufeinander zubewegt.

Die Gewerkschaft will ihren Einfluss im Bahnkonzern ausweiten. Vor dieser Tarifrunde hatte sie zuletzt 2014 und 2015 bei der Bahn gestreikt. So gelang es ihr, auch für Zugbegleiter einen Rahmentarif auszuhandeln. Nun will sie auch die Fahrzeuginstandhaltung, den Netzbetrieb und die Fahrweginstandhaltung sowie die Rahmenbedingungen für die Auszubildenden tarifieren.

Diese vertritt jedoch in der Regel die EVG, deshalb lehnt die Bahn das ab. Denn nach dem Tarifeinheitsgesetz gilt der Vertrag der Gewerkschaft, die im jeweiligen Betrieb die meisten Mitglieder hat.

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34 Kommentare

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  • Hoffentlich gibt es massenhaft Übertritte von der Konzerntochter EVG zur echten Gewerkschaft GDL.

  • Ein Tag Streik kostet die Bahn ca. 100 Millionen Euro. Ein Bahnvorstand, der rechnen kann und der tatsächlich im Interesse der Bahn und ihrer Beschäftigten handelt, hätte der GDL längst ein vernünftiges Angebot vorlegen müssen - aber leider spielt der Bahnvorstand lieber weiter mit Steuergeld. Kost' ihn selbst ja auch nix.



    Mein Vorschlag: Das Management der Bahn sollte direkt an den Streikkosten beteiligt werden, sonst wird das nie was. Keine Boni für die Vorstände bei Streik. Wer nicht in der Lage ist, konstruktiv auf seine Beschäftigten zuzugehen, hat sein Geld auch nicht verdient.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Es ist an der Zeit die Bahn autonom fahren zu lassen, ist wesentlich ungefährlicher als beim Auto und selbst das klappt heute. Deutschland sollte hier eine Vorreiterrole übernehmen und schnell in den Praxis Test einsteigen, wenn man hier Dampf macht kann man in 5 Jahren erste Züge automatisch fahren lassen. Der Mangel an Lockführern ist ja eines der Probleme warum die Bahn nicht mehr leisten kann in Deutschland (Güterverkehr ist komplett ausgelastet).

    • @83379 (Profil gelöscht):

      1. Klappt das beim Auto eben auch nicht so gut, wie es die Hersteller gern hätten. Auch das "selbstfahrende" Auto muss permanent überwacht werden.

      2. Hat die Bahn dafür noch nicht mal annähernd die technische Ausstattung. Es wird noch viele, viele Jahre und Milliarden kosten, bis es so weit ist.

      Bis dahin brauchen wir Lokführer. Und diesen muss man eben einen vernünftigen Lohn und gute Arbeitsbedingungen bieten.

  • Diese Art des Streiks trifft vor allem die Falschen, nämlich Menschen- und Gütertransporte, die zu den umweltfreundlichen zählen. Ich dachte, dass wir eine Verkehrswende wollen? Ergo hilft der Streik der Autoindustrie und führt dazu, dass es sich Menschen zweimal überlegen, ob sie das Auto wirklich abschaffen wollen. Hat jemand eine Idee, wie man anders streiken könnte (z.B. Fahrscheinkontrollen ausfallen lassen etc.)?

    • @resto:

      Man kann eben Menschen nicht verbieten, für ihre Rechte einzustehen. Das würde nur den Falschen helfen.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @resto:

      Es gab in Japan mal einen Streik da fuhren alle Bahnen und Busse ganz normal es wurden nur keine Tickets verlangt.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Wie sollen die Lokführer das machen?

        Streik soll Druck aufbauen. Einer der nicht weh tut, ist sinnlos.

  • Da versucht eine Gewerkschaft, den Reallohnverlust ihrer Mitglieder in Grenzen zu halten und wird dafür angegriffen. Allerdings macht sie nur das, wofür sie da ist.

    Nebenbei zeigt sie dem Bahnvorstand einen Weg, den Lokführermangel zu bekämpfen. Bessere Arbeitsbedingungen und vernünftige Löhne sind ein Weg, Personal zu finden.

    PS: Was macht eigentlich die EVG? Tut sie irgendwas für ihre Mitglieder oder trinken ihre Funktionäre nur Kaffee mit dem Bahnvorstand?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Dass ich das mal schreiben darf:

      Ich stimme Ihnen zu. Vor vorne bis hinten.

  • Was mir hier auch fehlt: offensichtlich will der DB-Vorstand eine *Minusrunde [1]* wegen der... Pandemie.

    Vor diesem Hintergrund... kann ich die GDL gut verstehen. Jede Gewerkschaft, die anders handelt macht ihren Job nicht.

    (Und ja, ich bin einer derer, die kein Auto haben -- die Bahn ist meine einzige Fernverkehrsoption).

    Ich schlage meinem Vermieter auch mal eine Minusrunde vor. Gell, @TAZTIZ?

    [1] www.heise.de/tp/fe...reits-6173271.html

  • Was ist denn nun eigentlich dran an der Vermutung, die GdL streikt nur, weil die DB nur noch eine Streikgemeinschaft, nämlich die EVG, haben will, dessen Mitglieder durchaus mal in hohen Positionen sitzen?

    Offenes Geheimnis? Halbwahrheit? Wäre daher ein Grund mehr, zu streiken, neben den offensichtlichen Ausbeutung

    • @Troll Eulenspiegel:

      Wahrheit.



      Das geht nun schon einige Runden so.



      Das ergibt sich aus dem Tarifeinheitsgesetz und der Tatsache, daß die AG natürlich lasche Gewerkschaften bevorzugen möchten.



      Ist mal eine Gewerkschaft am Ruder, haben die Mitarbeiter faktisch keine Wahl mehr.

  • Die GDL nimmt hier ein ganzes Land in Haftung. Das ist im Hinblick auf die normalen Tarif-Forderungen nicht verhältnismäßig. Wofür soll zudem der Corona-Bonus der Lokführer sein? Müssten den nicht vielmehr die Bahnkunden bekommen?

    • @TazTiz:

      Wie man an ihrer"Frage" erkennen kann, haben Sie ihr "Hintergrundwissen" aus der Bild.....

      • @HoboSapiens:

        Vielen Dank für Ihren persönlichen Angriff. Haben Sie auch sachliche Argumente?

        Dass der Hintergrund ein komplexer Tarifstreit ist, sollte allen klar sein. Soweit geht auch mein Verständnis.

        Offensichtlich führt sich hier aber ein Teil der Lokführer wie ehemals die Piloten deutscher Airlines auf, denen ein gutes Gehalt nicht gut genug ist. Das kostet Sympathie, spätestens wenn Alternativen auf dem Markt sind, fällt diese Hausmacht in sich zusammen. Oder wann haben Sie zuletzt von der Pilotenvereinigung Cockpit gehört?

        Die Bahnmobilität ist zudem auch konkrete Daseinsvorsorge und viele andere (und "unschuldige") Branchen leiden jetzt unter dem willkürlichen Streik. Das Ausmaß dessen scheint vielen (auch Ihnen) nicht ganz klar zu sein. Mit Details will ich Sie hier nicht belästigen, es ist aber alles andere als nur BILD-Niveau.

        • @TazTiz:

          Warum sollte es einem Lokführer mit Reallohnverlusten und abgesenkter Betriebsrente auch nur annähernd interessieren, ob Sie oder sonst wer Sympathie für seine Forderungen hat? Haben Sie sich je dafür interessiert, dass ein durchschnittlicher Lokführer im Schnitt zwei Schienensuizide mitmachen muss?

        • @TazTiz:

          Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Lokführer sind so gut, dass den Job kaum noch jemand machen will. Es fehlt massiv Personal. Der Streik hat also durchaus einen realen, berechtigten Hintergrund.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Fachkräfte fehlen überall, das sagt gar nichts. Ansonsten könnte man annehmen, dass niemand mehr als Arzt arbeiten will, so viele freie Stellen, wie es für die gibt ...

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            So schlecht ist die Bezahlung jetzt eigentlich nicht würde ich sagen. Die Tariftabellen sind ja öffentlich einzusehen. Dazu Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Betriebsrenten usw. die viele Arbeitnehmer in diesem Land nur vom Hörensagen kennen. Ich glaube ja es ist eher der Schichtdienst und das Wissen der Jugend, dass dieser Beruf bald aussterben wird.

            • @Šarru-kīnu:

              Wenn das Geld stimmt, ist auch Schichtdienst erträglich. Beim Streik geht es übrigens auch um die Arbeitsbedingungen.

  • Und die Forderungen der GdL nach Beibehaltung der Betriebsrenten sowie keine Verdichtung der Schichtpläne fallen auch bei der taz aus der Berichterstattung raus.

    Leider wird mal wieder nur das Narrativ der DB erzählt, anstelle alle Fakten darzustellen.

  • Bei einer Inflationsrate von 3,9 % ist doch eine Forderung von 3,2 % ausgesprochen moderat.

  • Habe heute in den nachrichten Claus Weselsky gesehen und gehört.



    Einer der ganz wenigen Persönlichkeiten unsere öffentlichen Lebens, vor deren Arbeit und Wirken man noch Hochachtung empfinden kann.

  • 0G
    0103 (Profil gelöscht)

    Ich bin leider gezwungen eine längere Strecke mit dem Zug zu pendeln. Die einzige Alternative ist das Auto, ich habe aber keins, das wäre zu teuer. Mich trifft der Streik damit vermutlich maximal hart. Dennoch haben die GDL-Mitglieder meine volle Unterstützung. Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung der Bahnbeschäftigten bedürfen dringend einer deutlichen Verbesserung. Das Verhalten der Deutschen Bahn ist völlig inakzeptabel. Ich hoffe dass das Beispiel der GDL, ernstzunehmende Arbeitskämpfe zu führen, auch in anderen Branchen Schule macht.

  • Nicht, dass das am Ende nach "hinten" losgeht und die Bahn ihre Lokführer mal eben "outsourced". Dann gibts nicht nur weniger Kohle, dann wird auch die GDL demontiert.

    • @Bunte Kuh:

      Dafür mpsste die Bahn überhaupt Lokführer finden.



      Das schafft sie ja schon jetzt nicht. Deshalb will sie ja die Schichtpläne verdichten, wogegen sich die GdL wehrt.

    • @Bunte Kuh:

      Eher wird automatisiert als outgesourced. Selbst in Deutschland fahren ja schon die ersten S-Bahnen fahrerlos. Die ganze Berufsgruppe hat vielleicht noch 20 Jahre?

  • Beim Lesen des Beitrags könnte der Eindruck entstehen, dass dieser Streik eine innere Angelegenheit von GDL und Bahn-Management sei. Allenfalls die Konkurrenz GDL – EVG spielt noch eine gewisse Rolle.



    Dagegen werden die Bahnkunden nur mal im ersten Satz kurz erwähnt und gelten damit wohl als erledigt. Dass sie, ebenso wie die Tarifkonflikt-Parteien, eigene Interessen haben, bleibt unerwähnt. Dabei geht es nicht primär um die Urlauber und Ausflügler, sondern um Jene, die aus beruflichen Gründen auf die Bahn angewiesen sind und bewusst auf eigenes Auto verzichten. Wer außerdem noch für Dauerkarte bezahlt hat, bekommt nichts für ausgefallene Fahrten erstattet und muss sich überdies noch um (kostenpflichtige) Ersatzlösungen kümmern.



    Wie wäre es, wenn sich die TAZ auch mal mit den Bahnkunden und deren Problemen befasst?

    • @Pfanni:

      Die Bahnkunden hätte ja früher schon zeigen können das sie mit den Entscheidungen der Bahn gegenüber ihr Personal nicht gut umgeht.



      Jetzt quasi die Bahnkunden als die wahren einzigen Opfer hinzustellen finde ich dann etwas absurd.

      Ja sie sind Opfer, aber das die Ausfälle nicht kompensiert werden hat nicht die GDL zu verantworten, sondern die Bahn und ggf. die Politik. Also dürfen Sie sich gerne auch dahin wenden.

    • @Pfanni:

      Wie wäre es, wenn sich die Deutsche Bahn auch einmal darum kümmern würde, wie sich schlechtes Betriebsklima, Übermüdung und Unterbezahlung auf den Bahnbetrieb und ihre Kunden auswirken?

      • @Peter Sanderone:

        Wie wäre es mit beiden? Man muss ja nicht bei entweder oder bleiben.

    • @Pfanni:

      Ja, kann man machen, im Reiseteil. Hier geht es um einen Streik.



      Interessant für Bahnkunden: massive Zugausfälle