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Schließung der iranischen KonsulateDie Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen

Kommentar von Daniela Sepehri

Die sogenannte stille Diplomatie hat versagt. Deutschland muss seine Iranpolitik endlich ändern. Und dabei konsequent sein.

Als Sharmahd noch lebte, passierte wenig. Jetzt scheint die Bundesregierung aufgewacht zu sein Foto: Koosha Falahi/Mizan/dpa

S eit Jahren hat sie die iranische Oppositionsbewegung gefordert, jetzt kommt sie: die Schließung der Generalkonsulate der Islamischen Republik Iran in Deutschland. Damit reagiert die Bundesregierung auf die Hinrichtung des deutschen Staatsbürgers ­Jam­shid Sharmahd. Ein wichtiger Schritt – der jedoch Jahre zu spät kommt.

Im Sommer 2020 wurde der Unternehmer Jamshid Sharmahd während einer Geschäftsreise in Dubai vom Geheimdienst des Regimes entführt und nach Iran verschleppt. Seitdem wurde er in Isolationshaft gefoltert. Bis zum Schluss wusste niemand, wo er festgehalten wird. Nach einem Schauprozess wird er zum Tode verurteilt und schließlich hingerichtet. Erst nach dem staatlichen Mord kündigt die Bundesregierung „schwerwiegende Folgen“ an.

Nicht, nachdem ein Deutscher entführt wurde. Nicht, als er ins Staatsfernsehen mit Folterspuren im Gesicht gezwungen wurde. Nicht, als er zum Tode verurteilt wurde – da wurden als Alibi lediglich zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Immer wieder hat seine Tochter, Gazelle Sharmahd, ernsthafte Maßnahmen der Bundesregierung gefordert – und wurde jahrelang ignoriert.

Stattdessen betonte der Regierungssprecher Steffen Hebestreit bei einer Bundespressekonferenz im Sommer 2023 auf Nachfrage, der Kanzler würde sich nicht für Sharmahd einsetzen, der Fall läge im Auswärtigen Amt. Die Befreiung eines in Iran zum Tode verurteilten Deutschen hatte keine Priorität. Die Bundesregierung forderte nicht einmal die Freilassung der deutschen Geiseln. Wer nicht einmal die Freilassung fordern kann, der setzt sich wohl kaum ernsthaft dafür ein.

Auswärtiges Amt ist „einfach respektlos“

Noch immer wird eine weitere deutsche Staatsbürgerin, Nahid Taghavi, als Geisel in Iran festgehalten. Derzeit befindet sie sich im medizinischen Hafturlaub mit Fußfessel. „Ich sitze auf heißen Kohlen“, sagt Taghavis Tochter Mariam Claren im Gespräch mit der taz. Von der Schließung der Generalkonsulate hat sie erst durch die Medien erfahren, vom Auswärtigen Amt erfährt sie nichts. Sie bangt um das Leben ihrer Mutter. „Das ist einfach respektlos!“

Die Schließung der Generalkonsulate zeigt, dass die Bundesregierung endlich anfängt zu verstehen: Die sogenannte stille Diplomatie hat versagt. Sie muss ihre Iranpolitik endlich ändern. Ob sie darin konsequent ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Dazu braucht es die Terrorlistung der Revolutionsgarde in der Europäischen Union sowie die Schließung der Außenfilialen der Banken der Islamischen Republik Iran in Deutschland sowie weiterer Einrichtungen des Regimes.

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23 Kommentare

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  • Er hat die letzten 20 Jahre in den USA gelebt. Gibt es da auch irgendwelche Reaktionen?

  • Anfangs dachte ich Frau Baerbock bringt frischen Wind und konsequentes Handeln in die deutsche Außenpolitik - feministisch sollte diese werden. Leider kam dann so gut wie gar nichts. Menschen und insbesondere Frauen in z.b. Afghanistan und dem Iran müssen sich ja verraten und verkauft fühlen von der grünen Außenministerin.

  • "Die deutschen Exporte nach Iran beliefen sich 2023 auf rund 1,2 Mrd. Euro (-24% ggü. 2022), darunter Maschinen, pharmazeutische, optische, elektrotechnische und chemische Erzeugnisse sowie Lebensmittel." (Quelle: Auswärtiges Amt)

    Mir ist unklar, wieviele Arbeitsplätze und Steuereinnahmen an den 1,2 Milliarden Euro Umsatz hängen (das müssen Politiker immer mitdenken), aber da die o.g. Produkte auf mich ausnahmslos sehr interessant wirken, kann der Iran als Handelspartner vielleicht ersetzt werden.

    Der Iran liefert an uns im Umfang von ca. 244 Millionen "Safran, Kaviar, Trockenfrüchte und Frischobst, pflanzliche Medikamente, Mineralien, Mineralbrennstoffe wie Steinkohle, Textilien (Teppiche), Kunststoffe, Stahl, Eisen und chemische Produkte."

    Evtl. können wir darauf auch verzichten?

    Ich würde es vorziehen, wenn wir die Beziehungen zum Iran vorerst einfrieren, ungefähr auf dem Niveau unserer Beziehungen zu Afghanistan.

    Ob die Schließung der iranischen Konsulate für die Machtinhaber im Iran sehr unangenehm ist, kann ich nicht einschätzen.

    • @*Sabine*:

      Wäre sicher auch noch mal Interessant die zurückliegenden Exporte, soweit es geht, im Detail durchzuarbeiten bzw. durchgearbeitet zu sehen, und zwar von Personen die beurteilen können, was von den Exporten zur Produktion von z.b. Waffen oder Überwachungstechnik verwendet werden konnte.

      Denn wenn man sich die Außenhandelsinformationen vom Statistischen Bundesamt besorgt, kann man z.b. sehen das im ersten Quartal 2024 z.b. auch ein Turboproptriebwerk im Wert von 870000€ in den Iran geliefert wurde. Und 2023 wurden auch 1991000€ an Hubschrauberteilen exportiert. Das sind zwar keine Riesensummen macht auf mich aber kein Eindruck „ernsthafter“ Sanktionen.

      Hatte mir jetzt aber noch keine Aktuelleren Daten besorgt, und weiß nicht ob das mit einer Verschärfung evtl. ernsthaft behoben wurde.

    • @*Sabine*:

      man darf iranische Gas, die man über Katar sieht nicht vergessen.

  • Ich widerspreche dem Grundgedanken des Textes und halte es eher mit Ben Rhodes: alle Staaten sollten mit allen anderen diplomatische Beziehungen unterhalten, insbesondere mit ihren Gegenspielern. Wenn Beziehungen komplett abbrechen, wird Eskalation wahrscheinlicher. Konsulatsschliessungen sind kein Grund zum Feiern. Was bleibt noch, wenn die Diplomatie scheitert?

  • Was soll es bringen, die iranischen Generalkonsulate zu schließen, außer weitere Probleme für die hier lebenden Iraner zu schaffen?

    • @Michael84:

      Also hat Frau Baerbock wie immer wieder mal alles falsch gemacht. das war ja wohl klar.



      Aber nicht zu tun wäre wohl nicht auf weniger Kritik gestoßen, oder???

      • @Erfahrungssammler:

        Vielleicht hatte sie einfach keine guten Möglichkeiten. Das Problem mit Frau Baerbock ist: Wenn ich aus dem Werkzeugkoffer der Diplomatie eigentlich nur Druck, Protest und Sanktionen (die es auch braucht), kenne, dann kann es nicht gut gehen. Vielleicht hätten wir ihn freikaufen können, mit Zuckerbrot und Peitsche.

        • @Kartöfellchen:

          Selbst NGOs raten von „Appeasement“ gegenüber dem Regime im Iran ab.

          Aus Politikwissenschaftlicher Sicht würde ich hier z.b. Amnesty International zustimmen, die z.b. auch laut der Zeit www.zeit.de/politi...esterreich-belgien von Deals mit dem Iran auch wegen Nachahmungsgefahr Abgeraten haben: „Amnesty International etwa befürchtete, dass sich der Iran nun ermutigt fühlen könne, Ausländer weiter als Geiseln festzunehmen.“ Laut der Zeit www.zeit.de/politi...erung-ermittlungen, haben sie sich aktuell auch so geäußert:

          „Das vollstreckte Todesurteil zeige "das Scheitern der stillen Diplomatie", führte Mihr weiter aus. "Die Bundesregierung, die zwar immer wieder kritisch Stellung zu den Menschenrechtsverletzungen im Iran bezogen hat, muss sich viel stärker als bisher dafür einsetzen, dass die Todesstrafe im Iran abgeschafft wird und die Praxis der Scheinprozesse beendet wird." Die Hinrichtung Sharmahds müsse "spürbare strafrechtliche und diplomatische Konsequenzen haben", forderte Mihr weiter.“

      • @Erfahrungssammler:

        Also haben wir nur die Wahl zwischen reiner Symbolpolitik und überhaupt nichts?

  • Die Frage ist, wie viel Einfluss Deutschland tatsächlich haben kann. Ich meine, welche Druckmittel haben wir? Der Iran braucht diese Konsulate nicht. Wir haben keine Handelsbeziehungen mehr zu kündigen, die wichtig wären (Sanktionen), wir werden nicht militärisch vorgehen. Was also können wir dem Iran androhen oder anbieten? Ich habe darauf keine Antwort.

    • @Kartöfellchen:

      1,2 Mlrd. Export im Jahr 2023 in den Iran sind also "keine Handelsbeziehungen"... aha.

  • Diese Ermordung eines deutschen Staatsbürger lässt einen mit Ratlosigkeit, Wut, Hilflos und mit Fassungslosigkeit zurück.



    Ein deutscher Staatsbürger mit Wohn - und Firmensitz in den USA - wird auf einer Geschäftsreise, bei einem Zwischenstop auf dem Flughafen in Dubai entführt und im Iran eingesperrt, gefoltert und umgebracht.



    Ohne Rechtsbeistand zum Tode verurteilt !



    Wie sicher dürfen wir uns als Deutscher fühlen ?



    UNGEHEUERLICH

    • @Alex_der_Wunderer:

      👍👍

    • @Alex_der_Wunderer:

      Aus iranischer Sicht war der Mann Iraner.

  • Typisch, wäre das ein Bio-Deutscher und kein Pass- Deutscher aus dem Iran, dann hätte sich diese Geschichte ganz sicher anders entwickelt. Eine kriminelle Entführung in Dubai mit einer Verschleppung in den Iran, und ein Todesurteil der eine reine farce ist, sprich nicht anderes war als ein Schauprozess, von einen Deutschen Staatsbürger, krasser kann man den deutschen Staat den Mittelfinger und da wo das Licht. nie hinein scheint, nicht zeigen. Das in Tiergarten einer Hingerichtet wurde von einer fremden Macht auf deutschem Boden und die Reaktion darauf, hat sicherlich dazu beigetragen das was jetzt passiert ist. Ich finde es sollte innerhalb der EU alles in die Waagschale geworfen werden, was alle 27 Staaten aufbieten können um ein Zeichen zu setzen, das so ein verhalten gegenüber einen Europäischen Staatsbürger ein sehr schwerer Fehler ist, der massivste Konsequenzen zur Folge hat! Wann begreift man endlich in der Politik bei uns das es Dinge gibt die unmissverständlich für andere Staaten sein muss, eine Grenze die andere Staaten nie überschreiten dürfen, ohne wenn und aber!

    • @taz.manien:

      Der Unterschied ist das er auch iranischer Staatsbürger war und der Iran das dann natürlich anders sieht als bei einem Nicht-Staatsbürger.

      • @Machiavelli:

        Sie zeigen genau durch ihre Argumentation wo das Problem liegt, für die einen ist das ein Iraner mit deutschen Pass , für mich ist das ein Deutscher unabhängig davon was die Iranische Regierung dazu sagt. Jetzt hat die Iranische Regierung gewonnen weil diese aufgezeigt hat welche Heuchelei in der deutschen Politik existiert, ein Deutscher ist nicht gleich ein anderer Deutscher.

        Iran sagt das ein Iranischer Staatsbürger immer ein Staatsbürger bleibt selbst wenn derjenige eine andere Staatsbürgerschaft angenommen hat.

        Von unser Regierung wäre es intelligent gewesen dem Iran zu zeigen was es wirklich bedeutet einen deutscher Staatsbürger vor sich zu haben, und was es bedeutet wenn man sich an selbigen vergreift. Wir hätten ein statement setzen können welche Bedeutung unsere Staatsbürgerschaft für uns alle hat, und nicht nur für einzelne. Das ist ein trauriges Armutszeugnis und zeugt von einer schäbigen Haltung gegenüber einen teil in unserer Gesellschaft lebenden Staatsbürger. Ich schäme mich für diese Regierung.

  • Ich bin erstaunt Frau Baerbock. Solch konsequentes handeln hätte ich unserer Außenministerin gar nicht zugetraut. Gute Arbeit, so geht man mit dem Iran um.

    • @Rudi Hamm:

      Nachtrag: Mein Staunen hält sich in Grenze, seit ich weiß, dass die Botschaft in Berlin offen bleibt. Also doch nur halbherzig.

  • Was genau juckt die Schließung von Konsulaten das Regime?



    Sorry, aber das ist doch nur eine Alibihandlung.



    Konten einfrieren, Geld des Regimes das in deutschen Immobilien, Firmen etc geparkt ist konfiszieren und den iranischen Opfern oder der Ukraine zur Verfügung stellen (die leidet unter den iranischen Drohnen die die Russen einsetzen). Jeglichen wirtschaftlichen Kontakt unterbinden, ein Embargo - DAS wären echte Maßnahmen.

    • @Farang:

      Einige dieser Diplomaten waren sicher Spione die sind jetzt auch weg, macht es für Iran schwieriger die Opposition hier auszuspionieren.