SPD zu Merz' Asylvorschlägen: Sie nennen es „Erpressung“
Die SPD-Chefin Esken wirft Merz Erpressung vor. Für Kanzler Scholz ist Merz' Plan Rechtsbruch. Aber auch die SPD will Asylrechtsverschärfungen.
Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Wiesbaden forderte sie Merz auf: „Kehren Sie ab von Ultimaten und Erpressungsversuchen und kehren sie zurück auf den Pfad der Verantwortung, indem Sie mit anderen Demokraten Kompromisse aushandeln.“
Kompromisse hatte Merz vergangene Woche zunächst abgelehnt und angedeutet, auch auf die Stimmen der AfD zu zählen, um die Verschärfungen zu beschließen. Am Wochenende warb er in seinem Newsletter #MerzMail vor allem um die Stimmen von Grünen und SPD – ohne allerdings inhaltliche Zugeständnisse zu machen.
Kern der Vorschläge sind dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung aller Menschen, die ohne gültige Einreisepapiere einreisen wollen, was praktisch alle Asylsuchenden betrifft. Die SPD hält die Vorschläge der Union für rechtlich bedenklich und praktisch kaum umsetzbar.
Praktisch nicht durchführbar
In einem internen Papier, das der taz vorliegt, heißt es, ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne Papiere „verstieße gegen europäisches und internationales Recht, wofür sich Deutschland verantworten müsste“. Auch ein nationaler Alleingang (Nationaler Notstand) sei nicht angezeigt. Man habe keine rechtliche Handhabe, „solche Zurückweisungen ohne Einverständnis gegen den Willen der anderen EU-Mitgliedsstaaten durchzusetzen.“
Auch eine dauerhafte Kontrolle der deutschen Außengrenzen hält die SPD laut dem Papier für „praktisch aktuell nicht durchführbar.“ Denn: „Man bräuchte eine sehr kurzfristige Aufstockung des Personals um hunderte oder tausende Bundespolizist:innen.“ Die Forderung der Union, dass ausreisepflichtige Personen unmittelbar in Haft genommen werden, hält die SPD ebenfalls für „rechtlich schwierig“. „Mit gutem Grund ist im Rechtsstaat Inhaftierung immer nur Ultima Ratio.“
Bundeskanzler Olaf Scholz warf Merz, den er auf der Wahlkampfveranstaltung in Wiesbaden nur den „Oppositionsführer“ nannte, Rechtsbruch mit Ansage vor. Der CDU-Chef mache Vorschläge, die über das Grundgesetz und die europäischen Verträge hinausgingen. „Das ist nicht richtig“, sagte Scholz.
Die Union forderte er auf, die nationalen Elemente des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, GEAS, nun gemeinsam zu beschließen. Dabei geht es unter anderem darum, sogenannte EU-Grenzverfahren auch an deutschen Flughäfen einzuführen und die Bewegungsfreiheit von Geflüchteten einzuschränken. Ergebnis könnten geschlossene Zentren mit Haftbedingungen für Asylbewerber*innen wie in Griechenland sein. Außerdem soll eine sogenannte Asylverfahrenshaft eingeführt werden, um etwa die Identität von Geflüchteten zu klären.
Auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese drängt auf die Umsetzung der nationalen Elemente von GEAS und verweist auf die noch nicht in Kraft getretenen Teile des Sicherheitspakets, welches der Bundestag im November beschlossen hatte. Es sieht unter anderem erweiterte Befugnisse bei der Datenanalyse für die Polizei vor, etwa den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Bilderfahndung nach Tätern.
Der taz sagte Wiese: „Was der CDU-Chef vorschlägt, bricht mit unserer Verfassung und mit den europäischen Verträgen. Wenn Friedrich Merz ehrlich daran interessiert ist, etwas für die Sicherheit in unserem Land zu tun, dann könnten wir noch in dieser Woche das Bundespolizeigesetz, die nationale Umsetzung GEAS, sowie die Teile des Sicherheitspakets beschließen, die von der Union bislang im Bundesrat blockiert werden.“
Die SPD will nächste Woche eigene Anträge in den Bundestag einbringen. Wie aus der Fraktion bestätigt wurde, laufen auch interne Gespräche zwischen der Fraktionsspitze und der Union. Fest steht bereits, dass Kanzler Scholz am Mittwoch eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben will.
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