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Russischer Angriff auf die UkraineTausend Tage Krieg

Anastasia Magasowa
Kommentar von Anastasia Magasowa

Russland will die Ukraine nach wie vor vernichten. Je mehr die Unterstützung des Westens schrumpft, desto geringer wird Putins Grund zu verhandeln.

Versuchen die Stellung zu halten: Ukrainische Soldaten bei Charkiw Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa

S eit tausend Tagen, also seit zwei Jahren und neun Monaten, sterben in der Ukraine jeden Tag Menschen durch russische Angriffe. An manchen Tagen sind es wenige, an anderen Tagen Dutzende auf einmal. Ohne Unterschied Männer, Frauen, Kinder, Russischsprachige, Ukrainischsprachige, Junge, Alte. Zivilisten, Soldaten. Die genaue Zahl der Opfer ist schwer zu ermitteln, aber zusammen mit dem Militär könnten es bislang Zehntausende Ukrainerinnen und Ukrainer sein.

In diesen eintausend Tagen ist es Russland gelungen, 20 Prozent des ukrainischen Territoriums unter seine Kontrolle zu bringen und Dutzende ukrainischer Städte dem Erdboden gleichzumachen. Heute hat jede ukrainische Familie Verwandte und Freunde, die im Krieg gefallen sind. Millionen Menschen haben ihre Häuser verlassen, Hunderttausende werden nie mehr dorthin zurückkehren, weil sie zerstört wurden. Mehr als 1,4 Millionen Menschen in der Ostukraine haben keinen Zugang zu fließendem Wasser.

Die ganze Welt hat gesehen, wozu russische Soldaten fähig sind: Sie foltern und vergewaltigen, sie verbrennen Menschen lebendig und schneiden ihnen Köpfe oder Genitalien ab. Sie erschießen unbewaffnete Menschen und stechen ihnen mit einem Schwert ins Herz. Der Abwurf einer Fliegerbombe auf mehrstöckige Wohnhäuser, in deren Kellern sich Menschen versteckten, wie das in Borodjanka und Isjum geschah, oder die Auslöschung eines ganzen Dorfes mit einer einzigen Rakete während einer Beerdigung – auch das entspricht den Vorstellungen der russischen Armee von den Gesetzen des Krieges.

Anfangs erschien es, als ob die zivilisierte Welt diese täglichen Gräueltaten nicht drei Jahre lang mit ansehen könnte und versuchen würde, den Angriff zu stoppen. Aber nein. Am eintausendsten Tag des genozidalen Krieges gibt es Länder, die neutral bleiben oder sogar den Kriegstreiber Wladimir Putin unterstützen. Russland führt den Krieg gegen die Ukraine nicht allein: Der Iran liefert Drohnen, Nordkorea Raketen und Tausende Soldaten, China leistet technische Unterstützung. Unter diesen Bedingungen unterliegt die Ukraine strengen Beschränkungen für den Einsatz von Waffen westlicher Partner, von denen nur die Hälfte tatsächlich an die Ukraine geliefert wurde.

Genehmigung von ATACMS-Raketen für die Ukraine

Wladimir Putin ruft niemanden an und sucht keinen Dialog. Warum nicht? Weil er ihn nicht braucht

Der bald aus dem Amt scheidende US-Präsident Joe Biden genehmigte erst nach monatelangem Bitten den Einsatz von ATACMS-Raketen auf die russische Region Kursk als Antwort auf den Kriegseintritt nordkoreanischer Truppen. Der Westen tut sein Bestes, um eine Eskalation zu vermeiden, indem er jede Entscheidung hinauszögert. Russland hingegen treibt die Eskalation voran. Nur will der Westen das nicht unbedingt laut zugeben.

36 Stunden nach dem Telefonat zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem russischen Präsidenten Putin – das erste übrigens seit zwei Jahren – startete Russland die massivsten Angriffe der vergangenen eintausend Tage und feuerte 120 Raketen und 90 Drohnen über der Ukraine ab. Hauptziel des Angriffs war die Energieinfrastruktur, in dem Moment, als das Land den ersten Frost erlebte. Der Angriff beschädigte Umspannwerke, von denen die ukrainischen Atomkraftwerke für ihre externe Stromversorgung abhängen. Nur zwei der neun in der Ukraine betriebenen Reaktoren können nun 100 Prozent Strom produzieren.

Wie kommt es, dass die russischen Angriffe nach eintausend Tagen noch größer sein können als in den ersten Tagen der Invasion? Warum sind die Sanktionen gegen Putin nicht wirksam genug? Warum bröckelt die Unterstützung für die Ukraine? Warum gehört es mittlerweile zum Alltag, dass polnische Kampfflugzeuge in die Luft gehen und russische Drohnen in Rumänien und Moldau landen?

Ende des Krieges auf Kosten der Ukraine?

Putin lacht offen über die Unentschlossenheit und die Angst der westlichen Länder. Putin ruft niemanden an und sucht keinen Dialog. Warum nicht? Weil er ihn nicht braucht. Er spürt seine Stärke und die Schwäche derer, die den Kontakt zu ihm suchen. In eintausend Tagen hat der Westen immer noch nicht verstanden, dass ein zivilisierter Dialog und diplomatische Ansätze mit Putin nicht funktionieren. In dieser Zeit haben westliche Politikerinnen und Politiker nie begriffen, dass ein Anruf im Kreml nur dann Sinn macht, wenn der eine klare, starke, ernsthafte Botschaft enthält.

Was sieht Putin nach eintausend Tagen seines brutalen Krieges mitten in Europa? Die USA wollen den Krieg so schnell wie möglich beenden, höchstwahrscheinlich auf Kosten ukrainischer Interessen – und im Sinne der Eigenwerbung. Auch Europa will keine größere Verantwortung übernehmen, nicht einmal auf Kosten der eigenen Sicherheit. Die westliche Welt ist kriegsmüde, die Demokratien wollen zu ihrem Wohlstand zurückkehren. Europa ist nicht im Geringsten auf ein Szenario vorbereitet, in dem Donald Trump wieder US-Präsident ist und die Verteidigung der westlichen Welt mit auf seinen Schultern lasten könnte.

Je weniger der Westen die Ukraine unterstützt, desto weniger wird Moskau einen Grund haben, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Und wenn, dann nur, um die Kapitulation der Ukraine zu akzeptieren.

Was bedeutet das wiederum für Europa? Vielleicht, dass Russland mit der Ukraine nur das erste Ziel auf dem Weg zur Errichtung seiner Herrschaft und militärischen Ordnung in Europa erreicht hat. Wenn die USA unter einem Präsidenten Trump die Ukraine-Hilfen eindämmen oder ganz daraus aussteigen, wird Europa in seinem jetzigen Zustand nicht in der Lage sein, sich zu verteidigen. Das Beispiel der Ukraine sollte die Europäer daran erinnern, dass Wohlstand und Freiheit nur in Demokratien möglich sind. Und: Freiheit ist nicht verhandelbar, sie wird keinem Land geschenkt und muss erkämpft und verteidigt werden. Dafür braucht man Mut und Entschlossenheit.

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Anastasia Magasowa
Anastasia Rodi (Magazova) ist 1989 auf der Krim (Ukraine) geboren. Studium der ukrainischen Philologie sowie Journalismus in Simferopol (Ukraine). Seit 2013 freie Autorin für die taz. Von 2015 bis 2018 war sie Korrespondentin der Deutschen Welle (DW). Absolventin des Ostkurses 2014 und des Ostkurses plus 2018 des ifp in München. Als Marion-Gräfin-Dönhoff-Stipendiatin 2016 Praktikum beim Flensburger Tageblatt. Stipendiatin des Europäischen Journalisten-Fellowships der FU Berlin (2019-2020) in Berlin. 2023 schloss sie ihr Studium am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin ab. Sie hat einen Master of Arts (Politikwissenschaft). Als Journalistin interessiert sie sich besonders für die Politik in Osteuropa sowie die deutsch-ukrainischen Beziehungen. Von den ersten Tagen der Annexion der Krim bis heute hat sie mehrere hundert Reportagen über den Krieg Russlands gegen die Ukraine geschrieben.
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44 Kommentare

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  • "Wladimir Putin ruft niemanden an und sucht keinen Dialog. Warum nicht?"

    Interessante Frage, die die Autorin da aufwirft. Innenpolitisch ist die wesentlich interessantere Frage allerdings: Wieso fordert eigentlich niemand von der sogenannten neuen Friedensbewegung, dass Putin mal jemand anruft? Wieso fordert eigentlich niemand von diesen Leute IRGENDETWAS von Putin?

    • @Kaboom:

      Das ist doch Quatsch. Putin ist ein Verbrecher.

  • "Je mehr die Unterstützung des Westens schrumpft, desto geringer wird Putins Grund zu verhandeln. "

    Und je größer die Unterstützung des Westens wird, desto näher sind wir am dritten Weltkrieg.

    • @EDL:

      Wenn Putin einen Weltkrieg vom Zaun bricht, ob ein Krieg zwischen NATO und Russland ein Weltkrieg sei ist ma dahingestellt, weil er mit seinem imperialistischen Eroberungskrieg scheitert, dann wird er das früher oder später eh tun.

    • @EDL:

      Soll das ein Argument sein? Wir stehen nicht gegen Unrecht auf weil wir Repressalien fürchten?



      Wie groß muss das Unrecht sein bis wir das für legitim halten?



      Macht es dann einen Unterschied ob wir früher oder später die Repressalien haben?



      Im Bezug auf die Repressalien nicht, aber man hätte, meiner Meinung nach, eben gleich aufstehen können, alles was bis dahin passiert ist Opfer unserer Feigheit.



      Welches Zeichen setzen wir damit?



      Ihr könnt alles machen, müsst nur doll genug drohen, auch wenn diese Drohungen völlig leer weil politisch unsinnig sind.



      Man muss entweder jetzt und entschieden aufstehen oder kann gleich aufgeben und den Diktaturen freie Hand geben.



      Alles andere ist Heuchelei bis man zugibt das einen nur das eigene Wohl wichtiger ist, egal zu welchem Preis.

      • @Das B:

        Nach dieser Logik "dürfte" also eigentlich Russland mit einem einzelnen Soldaten, der mit Pfeil und Bogen bewaffnet ist, die komplette Ukraine erobern.



        Denn er hat ja Atomwaffen.



        Und sich dagegen wehren führt automatisch zur totalen Vernichtung der Menschheit.



        Also ist sich wehren quasi verboten um den dritten Weltkrieg zu verhindern.

        Die baltischen Staaten sollen aus der NATO geworfen werden weil Russland sie als ihr Eigentum sieht?



        Klar machen wir Putin hat ja Atomwaffen.



        Danach darf er sie mit einzelnen Soldaten mit Pfeil und Bogen erobern und die Länder dürfen sich, um die gesamte Menschheit zu retten, nicht wehren.



        Legen wir noch Moldau oben drauf?



        Klar, schließlich droht Putin ja sonst mit dem dritten Weltkrieg.



        Darf es vielleicht noch Polen, Ostdeutschland und dazu eine Tüte Pommes sein?



        Oder gleich, wie es im russischen Fernsehen formuliert wurde, alles von Alaska bis Lissabon?

      • @Das B:

        Sehr richtig.



        Dieser Tick, den Widerstand gegen Bedrohung zum Bedrohlichen zu erklären wäre wahrhaft clownesk, würde er nicht massiv zur Auslieferung Europas an die blutrünstigen Kriegsherren im Kreml beitragen.

  • "Je mehr die Unterstützung des Westens schrumpft, desto geringer wird Putins Grund zu verhandeln."



    Nicht, dass hier der falsche Eindruck entsteht, ich würde diese Einschätzung der Autorin (deren Beiträge ich seit dem Kriegsausbruch im Februar 2022 immer sehr eindrücklich und lesenswert fand, auch wenn ich ihren zunehmenden Patriotismus kritisiere) nicht teilen.



    Sie hat damit völlig recht, nur hätte man das eben schon früher verstehen müssen und insbesondere lange *vor* dem absehbaren Erfolg von Trump, als die westliche Unterstützung noch eindeutiger war, eine andere Lösung als die Fortsetzung des Krieges anstreben sollen, gerade um Putin diese Möglichkeit (es einfach auszusitzen und am Ende sowieso zu gewinnen) wegzunehmen.

  • Putin würde niemals die Krim einnehmen. Das wäre dumm - das war vor 10 Jahren die Diskussion.



    Und beinahe: Putin würde niemals Nuklearsprengköpfe einsetzen. Das wäre dumm.

    1000 Tage Krieg, 1000 Tage ein dummer Diktator, der schon vor zehn Jahren dumm war. Was wird Taurus bringen? Selbst wenn Scholz dem sofort zugestimmt hätte, wäre Müdigkeit eingekehrt. Mal hier und da tief in Russland eine Taurus eingeschlagen, aber kein Plan, wie ein Diktator gestürzt und vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt wird. Denn Putin muss die Rakete abkriegen und kein Militärstützpunkt. Weil solange der bei Verstand ist, wird er weiterhin die Ukraine bombadieren.

  • Menschlich und moralisch nachvollziehbarer "Rant" oder auch ein "Venting", wie man im englischen Sagen würde. Politik ist das aber nicht, die muss mit Realitäten beginnen. Und damit sind wir bei den Kriegsgründen. Ich zitiere, direkt von der NATO-Homepage, den Generalsekretär Stoltenberg vor dem EU-Parlament:



    "The background was that President Putin declared in the autumn of 2021, and actually sent a draft treaty that they wanted NATO to sign, to promise no more NATO enlargement. That was what he sent us. And was a pre-condition for not invade Ukraine. Of course we didn't sign that.

    The opposite happened. He wanted us to sign that promise, never to enlarge NATO. He wanted us to remove our military infrastructure in all Allies that have joined NATO since 1997, meaning half of NATO, all the Central and Eastern Europe, we should remove NATO from that part of our Alliance, introducing some kind of B, or second class membership. We rejected that.



    So he went to war to prevent NATO, more NATO, close to his borders. He has got the exact opposite. "

    www.nato.int/cps/e...pinions_218172.htm

    • @Kartöfellchen:

      Putin hat die empfundene Bedrohung durch die NATO aus russische Sicht 2007 auf der Sicherheitskonferenz dargestellt. Was wäre gewesen, wäre die Ukraine neutral geworden? An russischer Stelle wollte ich die NATO nicht vor der Tür. Die Historie fällt heute fast immer unter den Tisch.



      Ich denke, mit den gelieferten konventionellen waffen kann der Krieg nicht von de Ukraine gewonnen werden, was immer das heißen mag. Diese waffen halten nicht schritt mit der Entwicklung in diesem Krieg und bisher hat die Ukraine mindestens eine Generation junger Menschen geopfert. Ich mag naiv sein , aber heute fiel mir ein Spruch von früher ein:Lieber rot als tot.



      Aktuellere Berichte als in unseren Medien zum kriegsgeschehen findet man beim österreichischen Verteidigungsministerium.

      • @Rubió:

        "Putin hat die empfundene Bedrohung durch die NATO aus russische Sicht 2007 auf der Sicherheitskonferenz dargestellt."

        Spannend, dass Putin 3 Jahre gebraucht hat, bis ihm aufgefallen ist, dass es ihn stört, wenn Länder vor dem Wesen des russischen Imperialismus Schutz suchen.



        Im Übrigen wurde Russland über den Vorgang vorher informiert, und - und jetzt wirds richtig putzig - es störte Russland gemäß offiziellem Statement NICHT.

        "Was wäre gewesen, wäre die Ukraine neutral geworden? "

        Die Ukraine WAR neutral. Bis 2014. Deshalb sind die Vorschläge von Wagenknecht auch so ausgesprochen lächerlich.

    • @Kartöfellchen:

      Klar. Die NATO hätte einfach einen Vertrag mit Putin unterschreiben sollen, der alle seine Forderungen erfüllt. An den hätte er sich dann sicher gehalten.

    • @Kartöfellchen:

      Das Putin das wollte stellt niemand in Frage, er wollte es aber weil die NATO seiner imperialen Herrschaftsausdehnung im Weg steht, wie man an der annektion der 4 Oblaste und seiner zaristischen Rhetorik sieht und nicht weil er sich von der NATO bedroht fühlt.

      • @Machiavelli:

        Das, was Stoltenberg da zitiert war, dass Putin in den Krieg gezogen sei, um die Nato, mehr Nato, in der Nähe seiner Grenzen zu verhindern.

        Aber bevor Stoltenberg dies quasi einräumte, hatten bereits vorher John Mearsheimer und Jeffrey D. Sachs dieselbe Einschätzung abgegeben.

        Es könnte sein, dass sie damit Recht haben.

  • Da haben es alle demokratischen Länder zusammen nicht geschafft, ein einziges ordentlich auszustatten, sich vollständig zu verteidigen, stattdessen sind es jetzt schon tausend Tage.

    Ich hätte es für möglich gehalten, mit ordentlicher materieller Ausstattung die Russen zumindest aus dem Festland zu werfen. Von der Krim vielleicht nicht.

    • @Ciro:

      Im entscheidenden Moment (vor der leidigen "Sommeroffensive" 2023) haben die Ukrainer und ihre Unterstützer versagt und triumphalistisch auf Sieg gesetzt, statt das Momentum auszunutzen und Putin zu einem "Deal" zu zwingen (bzw. das wenigstens zu versuchen). Danach war es zu spät, und Putin weiß das und bleibt gnadenlos.



      Das war absehbar (hatte das schon immer gesagt).



      Die realitätsblinde Kriegsmentalität der ukrainischen Verteidiger (angeheizt durch die anfänglichen Erfolge) ist mindestens ebenso tragisch wie der Mangel an Material (das der Westen im notwendigen Umfang ja gar nicht liefern konnte). Hauptmangel ist auch gar nicht nur Material, sondern Personal (die vielen Toten, die nicht mehr kämpfen können und die "Freiheit", das angebliche Ziel der Verteidiger, für immer verloren haben). Deshalb gibt es da auch nichts zu entschuldigen (auch wenn man von den Erfolgen beflügelt war), es war einfach nur unverantwortlich, auf eine "Entscheidung auf dem Schlachtfeld" zu setzen, bei der logischerweise am Ende Russland am längeren Hebel sitzt, statt den Krieg schnellstmöglich zu beenden.



      Genauso unverantwortlich war, den Wahlsieg von Trump abzuwarten, bevor man das einsieht.

      • @Günter Picart:

        Das sehe ich ähnlich.



        In der kommune wird ja, nach wie vor, so getan, als lägen ausreichend Waffen auf Halde, die nur mal eben geschickt werden müssten um den Krieg zu gewinnen.



        Das hätte in der letzten Zeit offensichtlich werden sollen, dass das Gegenteil der Fall ist. Deutschland hat massiv Unterstützung beigebracht, obwohl wir derzeit nicht wirklich verteidigungsfähig sind. Die paar Taurus sind Teil unserer eigenen Abwehr. Ein europäischer Schutzschild ist noch bloße Idee, Lieferungen aus Israel kommen wohl nicht.



        Den Mangel an Soldaten hat Selensky zu verantworten.



        Wir werden sehen, wie die Erlaubnis, Storm Shadow einzusetzen, den Kriegsverlauf beeinflussen wird.



        Es wird sich wohl ein weiteres Heilsversprechen in Luft auflösen.



        Besonders interessant ist ja auch, dass die "Wunderwaffen" nun noch nicht einmal genutzt werden um die Ukraine zu verteidigen, sondern um die besetzten Gebiete um Kursk zu verteidigen.

    • @Ciro:

      @Ciro diese These, die ich nicht teile, würde aber in der theoretisch angenommenen Realität, dass die Ukraine die Russen aus dem Festland gedrängt hätte, aber die Krim noch besetzt wäre, auch nichts nützen, denn Selenskyj hat klar gemacht, dass es zum kompromisslosen Sieg der Ukraine dazugehört, die Krim ebenfalls zu befreien.



      Also selbst wenn die Ukrainer, wie sie sagen, das mit den westlichen Waffen geschafft hätten, würde der Krieg immer noch weitergehen und die Spirale raus noch mehr und noch schwereren Waffenlieferungen würde nicht aufhören und dabei trotzdem immer wieder ins Bodenlose laufen.

  • Messerscharfe Analyse.

    Der Westen hat Putin vor über 1000 Tagen quasi einen Freibrief ausgestellt, in dem er ohne Not verkündete sich nicht direkt militärisch an einem Konflikt zu beteiligen.

    Geschah das damals evtl. noch aufgrund einer Fehleinschätzung der militärischen Stärke Russlands, so hat die heutige Situation sehr viel mit der von der Autorin erwähnten Einstellung "die Demokratien wollen zu ihrem Wohlstand zurückkehren" zu tun.

    Aber eher in der Form, dass keine unkalkulierbaren Risiken eingegangen werden, die diesen Wohlstand gefährden könnten.

    Für die Ukraine könnte Trump aber auch eine Chance sein, denn ein Charakter der Russlands Atomdrohungen lapidar kommentiert mit "was solls, wir haben auch Atombomben" ist besser geeignet Putin Zugeständnisse abzuringen, als Zauderer wie Biden oder Scholz.

    Es wird daher viel davon abhängen, ob die Ukraine in der Lage ist, Trump einen lukrativen Deal anzubieten.

  • Ich empfinde die Unterstützung, auch den Taurus, für die bewundernswerte Ukraine als wichtig.

  • Der Verlauf dieses Krieges stellt einen gewaltigen Offenbarungseid des Westens dar.

    Man hat die Ukaine am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Scholz schafft es selbst dann nicht, wenn seine Kandidatur dabei ist in die Grütze zu gehen, sich ein Herz zu fassen und den Ukrainern Taurus zur Verfügung zu stellen.

    Anders als Biden.

    Das Verhalten Deutschland und Europas war von Anfang an ein reines Gekrampfe. Von der Lieferung der lächerlichen Helme bis heute hat man sich in erster Linie wegen einer ominösen Eskalationsgefahr in die Hosen gemacht und dabei nicht realisiert, dass man den großmäuligen Drohungen Putins schlicht auf den Leim gegangen ist.

    Dass es auch anders hätte kommen können, das sagt der Militärexperte Greg Melcher im Tagesspiegel:

    "Woran ist es gescheitert?



    Über jedes einzelne Waffensystem gab es im Westen lange Diskussionen. Erst sagte man nein, dann gab man es der Ukraine am Ende doch. Es gab viele unnötige Verzögerungen. Warum nicht gleich? So viele ukrainische Menschenleben sind dafür geopfert worden. Die Biden-Administration hat eine ziemlich dumme Politik verfolgt. Biden hat sich von Russland völlig kleinmachen lassen."

    • @Jim Hawkins:

      Genau das! Die verhängten Sanktionen waren nur ein zahnloser Papiertiger. Kaum ein europäisches Land hat sich daran gehalten. Europa hat schon tatenlos zugesehen, als Putin die Krim annektiert hat. Billiges Gas und Öl waren eben wichtiger als Rückgrat.

    • @Jim Hawkins:

      Das ist auch so ein Ärgernis. Jetzt auf einmal, wo Trump an die Macht kommt, soll Biden schuld sein, dass die Ukrainer nicht rechtzeitig eingelenkt haben. Dabei hat Bidens Stärke und die von Biden geschmiedete und gehaltene westliche Unterstützerkoalition das Land gerettet (neben den natürlich anzuerkennenden eigenen Leistungen der ukrainischen Armee, vor allem die Überraschungserfolge am Anfang). Mehr war aber nie drin. Dass die vielen Toten dazu führen, dass man Russland am Ende doch nachgeben muss, ist seit langem klar; trotzdem setzte die Ukraine immer weiter nur auf Krieg, der absehbar verloren gehen muss, statt *vor* dem Machtwechsel im Weißen Haus zu Potte zu kommen.



      Die Eskalationsgefahr war (und ist) auch nicht "ominös" (man weiß seit dem ersten Tag, dass Putin niemals eine echte Niederlage Russlands dulden und sich lieber selbst in die Luft sprengen würde, gleich zu Beginn wurde schon die Notwendigkeit betont, ihm einen "gesichtswahrenden" Rückzug zu ermöglichen). Das gilt immer noch, auch wenn er sich jetzt auf der Siegerstraße wähnt. Schuldzuweisungen an Deutschland und Biden sind lächerlich.

      • @Günter Picart:

        Was Sie alles wissen, Respekt.

        Mit ihrer Einschätzung, dass Putin ein suizidalen, unberechenbarer Wahnsinniger ist, haben Sie natürlich den Joker in der Hand.

        So jemandem muss man einfach nachgeben.

        Und jetzt sehen wir das Ergebnis dieser Appeasement-Politik. So wie es aussieht, bekommt Putin, was er will.

        Und endlich herrscht dann wieder Frieden.

        • @Jim Hawkins:

          Putin ist nicht so unberechenbar wie Trump. Ein typisches Muster, dass sein Verhalten im Ukraine-Krieg gut charakterisiert, ist: Er denkt lange nach und tut am Ende das Falsche (Satz ist nicht von mir, sondern von einem Experten, dessen Namen gerade leider vergessen habe).



          Zynismus können Sie behalten und von irgendwelchem "Appeasement" war nicht die Rede.

  • Man bleibt traurig und sprachlos zurück.



    ich drücke die Daumen für die tapfere Ukraine.



    Haltet durch.

  • Es ist leider militärisch völlig unmöglich das russische Militär mittels militärischer Kraft aus den besetzten Gebieten zu vertreiben. Und das Massensterben junger Männer auf beiden Seiten darf auch nicht beliebig lange fortgesetzt werden.

    • @Marmot:

      "Es ist leider militärisch völlig unmöglich das russische Militär mittels militärischer Kraft aus den besetzten Gebieten zu vertreiben."



      Genauso ist es militärisch völlig unmöglich, Russland aufzuhalten, sollte es planen, die Ukraine zu besetzen.



      Diese Aussage sind natürlich falsch. Der Ukraine alleine vielleicht. Und selbst die hat es schon einmal fast geschafft.

      • @Encantado:

        "Der Ukraine alleine vielleicht. Und selbst die hat es schon einmal fast geschafft."

        Wann denn? Sie werden wohl kaum 2014 meinen als Merkel und Hollande Putin zum Minsker Abkommen überzeugen konnten kurz bevor die ukrainische Front zusammenbrach? Oder meinten Sie 2022 als die Ukraine sich Dank enormer Informationshilfen und Waffen aus den USA und GB wehren konnte?

    • @Marmot:

      10% des NATO-Militärs könnte das mühelos erreichen. Was das Massensterben betrifft: bitte bei Putin einen Antrag auf einen Gewaltverzicht gegen seine Nachbarn stellen.

    • @Marmot:

      Die Vertreibung der USA aus Vietnam war auch unmöglich.

    • @Marmot:

      Die einen kämpfen für ihre Freiheit, die anderen sie ihnen zu nehmen, das Ziel sollte es sein das Sterben der Ukrainer zu minimieren und das der Russen zu maximieren. Bis Russlands materielle und wirtschaftliche Reserven aufgebraucht sind.

      • @Machiavelli:

        Ich halte ihre Strategie unter humanistischen und realitätsbezogen Gründen für falsch.



        Wie u.a. Masala gestern bei Lanz im ZDF erwähnte dürften die Anzahl der toten Soldaten auf beiden Seiten seit Kriegsbeginn ungefähr ählich hoch sein, wenn man nüchtern analysiert und Propaganda aussen vorlässt.



        Ich plädiere dafür sich mehr an der Realität zu orientieren, unabhängig davon ob sie uns genehm ist oder nicht.

        • @Alexander Schulz:

          Verliert Russland nicht wird es weitermachen, alles außer einer Niederlage Russlands wird das Sterben nicht beenden. Daher ist unter humanistischen Gesichtspunkten alles außer einer russischen Niederlage nicht erstrebenswert.

          • @Machiavelli:

            Das ist pure Spekulation und nicht seriös. Und eine Niederlage von Russland ist ohne nukleare Eskalation sehr unwahrscheinlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie solche Positionen vertreten würden, wenn Sie in einer verantwortlichen Position wären.

            • @Alexander Schulz:

              Das ist keine Spekulation dazu gibt es genügend Erfahrungswerte im Bezug auf Russland und genügend Aussagen Offizieller. Nukleare Eskalation ist Spekulation, warum Putin plötzlich selbstmörderisch werden sollte wenn er sich während Covid von der Welt isolierte, konnte noch niemand sinnvoll erklären.

              " Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie solche Positionen vertreten würden, wenn Sie in einer verantwortlichen Position wären." Ich hätte im Februar 2022 eine militärische Antwort auf den Einmarsch angedroht und damit vermutlich den Krieg verhindert. In jedem Fall recht schnell beendet und dann den Leuten um Putin einen Deal für seinen Kopf angeboten.

  • Werden Mützenich und Co und in Gefolgschaft Scholz je verstehen, was es bedeutet, wenn die Ukraine verliert? Ich fürchte nein. Gut, dass diese Regierung nun ihr Ende findet.

    • @QuerBeetLeser:

      Die Meinungen darüber gehen eben auseinander. Das ist gelebte Demokratie, Die einen befürchten Ihre Annahme, die anderen befürchten, dass die indirekte Beteiligung Deutschlands am Krieg -denn egal, wie man es dreht und wendet, auch in unserer eigenen Auffassung, ist das, was wir tun mit der Lieferung schwerer Waffen und immenser finanzieller Unterstützung, eine indirekte Kriegsbeteiligung- erst recht dazu führen wird, dass Putins Aggressionen sich gegen uns richtet. Krieg geht auch ohne Militär.



      Putin wird niemals verlieren, das kann er sich nicht leisten, es wäre sein eigener, unausweichlicher Untergang und eher drückt er auf den roten Knopf, wenn er nichts mehr



      Jegliche weitere Kriegsführung führt zu mehr Leid, Tod und langfristiger Gewaltherrschaft. Die einzige Möglichkeit der Schadensbegrenzung ist, lieber jetzt in den sauren Apfel beißen und für beide Seiten Sicherheit gewährende Vereinbarungen mit Russland festzunageln, gerne auch mit dem Blick darauf, dass Putin nicht ewig währt, aber wir auch mit einem Russland nach Putin rechnen müssen. Dass nicht zwangsläufig gemäßigter geführt werden wird, sondern ich befürchte nach Putin, sogar einen noch radikaleren Führer.

      • @Edda:

        "für beide Seiten Sicherheit gewährende Vereinbarungen mit Russland"

        So wie das Budapester Memorandum oder die Minsk-Abkommen?

  • Ich kann die Wut der Autorin sehr gut verstehen. Und ich kann ihr auch in vielen Punkten zustimmen, nur:es nützt nichts. Es ändert nichts daran, dass die Ukraine nicht so in die Freiheit gerettet wird wie sie es sich vorstellt. Auch wenn Sie, Frau Magasowa und viele andere mehr mir dafür den Kopf abreißen.



    Es klingt total verrückt und sogar pervers, aber der baldige Präsident Trump bedeutet einen Wendepunkt. Wie auch immer - ganz Europa hat ja Angst davor.Ist vielleicht auch eine Chance, was aber auch total abgeschmackt klingt.



    Nach 1000 Tagen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fällt mir leider nichts anderes dazu mehr ein.

    • Anastasia Magasowa , Autorin des Artikels,
      @poesietotal:

      Vielen Dank für Ihren Kommentar! Ich habe sogar vor kurzem selbst über diese Chancen geschrieben - taz.de/Reaktionen-...-US-Wahl/!6047592/.

      • @Anastasia Magasowa:

        Laut der letzten Gallup Umfrage sind 52 % der UkrainerInnen für schnelle Friedensverhandlungen.

        Insofern scheint auch eine Mehrheit der UkrainerInnen kriegsmüde zu sein.