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Rücktritt von PolitikerinnenFamilie als Schutzschild

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Eine Linke und eine Grüne schieben die Familie vor, um ihren Rücktritt von politischen Ämtern zu rechtfertigen. Eine kontraproduktive Strategie.

Susanne Hennig-Wellsow und Anne Spiegel, die jeweils ihren Rücktritt erklärten Foto: Fabian Sommer/dpa, Annette Riedl/dpa

W äre ein Politiker mit dem Argument, sich stärker um seine Kinder kümmern zu wollen (oder zu müssen), von einem Führungsposten zurückgetreten, wäre er wohl dafür bejubelt worden, so viel familiäre Verantwortung zu zeigen. Bei den beiden zurückgetretenen Politikerinnen, der Linken Susanne Hennig-Wellsow und der Grünen Anne Spiegel, hält sich der Jubel in Grenzen. Ist das unzeitgemäß, frauenfeindlich?

Wohl eher ist es eine peinliche Verteidigungsstrategie zweier gestrauchelter Politikerinnen, die Familie zu benutzen, um eigenes politisches Versagen zu entschuldigen. Spiegel hatte, als sie in Berlin Familienministerin wurde, gern und stolz betont, dass ihr Mann und sie einen Rollenwechsel hingelegt hätten und er sich vollumfänglich um die Familie kümmere. Auch Hennig-Wellsow brachte, als sie Parteichefin wurde, nie ihren Sohn ins Spiel. Familie schien für die politische Karriere also kein Hindernis gewesen zu sein.

Eine Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und politischen (und anderen) Spitzenämtern macht dies mitnichten überflüssig. Im Gegenteil, sie ist nötiger denn je. Wie sonst soll ein Paradigmenwechsel weg vom Modell Mutti-Care hin zu mehr Fürsorge­beteiligung von Männern gelingen?

Wenn sich Männer stärker in die Familie einbringen und Frauen öfter in Spitzenpositionen zu finden sein sollen, muss offen über Anforderungen an Einzelne in Topjobs und Familie, vor allem aber auch über Überforderung gesprochen werden. Dann muss es erlaubt sein, im richtigen Moment und ohne fadenscheinige Argumente Nein zu sagen, ohne dass dies als Feigheit ausgelegt wird. Das gilt für Frauen wie für Männer.

Diese Debatte hätten die beiden Spitzenpolitikerinnen mit ihren Rücktritten anstoßen können. Mit dem „Schutzschild Familie“ bleibt allerdings ein schaler Nachgeschmack: Top-Ämter sind für Frauen möglich, aber im Zweifel ist doch die Familie wichtiger. Der Care-Debatte, die beide linke Frauen im Munde führten, haben sie einen Bärendienst erwiesen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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35 Kommentare

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  • "Wohl eher ist es eine peinliche Verteidigungsstrategie zweier gestrauchelter Politikerinnen, die Familie zu benutzen, um eigenes politisches Versagen zu entschuldigen."

    Puh. Der Kommentar vergisst leider, dass wir uns in einem Patriarchat befinden.

  • Dass das Scheitern einer politischen Karriere gerne in etwas angenehmere Farben getüncht wird und dafür auch gerne mal "private Gründe" herangezogen werden, ist weder neu noch geschlechtsspezifisch. Insofern stellt sich die Frage, ob man es jetzt und hier thematisieren muss.

    Eines sollte aber klar sein: Es gibt Stellungen, die vollen Einsatz und prioritäre Verfügbarkeit erfordern. Das gilt gerade für komplexe Spitzenjobs, in denen viele, auch interdisziplinäre, Entscheidungsstränge zusammentreffen. Routinemäßige Vertretungsregelungen scheitern hier in der Regel an der schieren Menge an Informationen, die jemand Anderes stets präsent haben müsste, um jederzeit "auf Abruf" gleichwertig einspringen zu können, wenn der eigentlich Funktionsträger gerade mal ungeplant Privates zu tun hat. Man müsste solche Stellen effektiv klonen, also wirklich redundant besetzen, was angesichts des Anspruchs, den sie in aller Regel stellen, nicht wirklich praktikabel ist.

    Wer also so einen Posten bekleidet, wird in der Regel scheitern, wenn er sein Privatleben nicht so organisiert hat, dass er da etwas "entbehrlicher" ist, wenn der Job ihn gerade festhält. Das geht entweder mit einem reduzierten Privatleben, also insbesondere dem Verzicht auf Nachwuchs, oder mit einem Partner, der die Abrufbereitschaft in familiären Dingen übernehmen kann und will.

    Das ist eine Realität, die Gleichstellungspolitik schwerlich ändern kann. Ihre Aufgabe sollte daher sein, insbesondere die zweite der obigen Alternativen zu ent-gendern, die Wahl auf individueller Ebene also vom Geschlecht zu lösen. dazu gehört eine klare, affirmative Position hinsichtlich der Geeignetheit von Frauen für solche Spitzenjobs genauso wie eine - sicher schmerzhaftere - Abkehr vom Stereotyp der alleinerziehenden Mutter als primärem Sorgenkind der Familienpolitik. Denn auch letzterer Fokus schränkt die Durchlässigkeit der Geschlechtergrenze bei der Aufgabenverteilung effektiv ein - Stichwort "Kinder gehören zur Mutter".

    • @Normalo:

      Einverstanden.

  • Ein sehr guter Debatten Anstoß wäre es gewesen, wenn kein anderer Druck zum Rücktritt dagewesen wäre. So sind zwei Menschen zurückgetreten bei denen die Übernahme von politischer Verantwortung Grund genug gewesen wäre.

    Man stelle sich allerdings vor, es treten Menschen zurück die Erwartungen der meisten Menschen erfüllen (alle wird man nie erreichen) - und dann ein Rücktritt aus familiären Gründen. Und ich meine nicht Erkrankungen oder so, sondern der normale Alltag.

    Das wäre dann ein Statement.

    • @Sven Bicker:

      Wenn ich höre, dass jemand in meinem Umfeld seine Arbeit reduziert, um mehr Zeit für seine Familie zu haben, dann denke ich, da hat jemand einen guten Weg für sich gefunden, nicht da haben wir ein gesellschaftliches Problem. Ähnlich würde ich auch bei Politikern denken.

  • Ich finde die beiden Fälle überhaupt nicht vergleichbar. Spiegel hat doch die Familie angeführt, um ihr Fehlverhalten zu rechtfertigen und nicht zurücktreten zu müssen, Hennig-Welsow hat sie angeführt, um ihren Rücktritt so zu begründen, damit er nicht ein völliges Eingestehen eines Scheiterns ist.

    Beide Fälle taugen nicht für eine allgemeine Debatte über Berufstätigkeit von Eltern, einfach weil beide wahnsinnig privilegiert sind. Sie verdienen so viel, dass der Vater eigentlich nicht arbeiten muss und sich um die Kinder kümmern könnte oder dass sie eine Nanny engagieren können. Frau Spiegel hätte als Ministerin offenbar die Möglichkeit, 4 Wochen in den Urlaub zu fahren, das geht bei den meisten Arbeitnehmern nicht. Sie konnten ihren Job hinschmeißen, ohne dadurch in eine wirtschaftliche Existenznot zu geraten oder ihren Lebensstandard senken zu müssen.

    Bei den meisten berufstätigen Eltern geht es nicht um Karriere zur Selbstverwirklichung, sondern darum, genug Geld zu haben, die Familie satt zu kriegen, Miete oder Tilgung zu bezahlen und sich vielleicht hier und da Mal einen kleinen Luxus zu leisten. Die Frage nach Vereinbarkeit von Kind und Karriere ist für die meisten Menschen ziemlich abgehoben und wenn es schwierig ist, dass beide Eltern Karriere machen, dann ist das ein Luxusproblem.

    Gerade bei Frau Spiegel hatte ich das Gefühl, dass sie als Familienministerin gar keinen Bezug zur Realität berufstätiger Eltern außerhalb der Politikerblase hatte, als ihren XXL-Urlaub mitten in der Krise verteidigt hat. Welche Intensivkrankenschwester konnte denn mitten in der Coronakrise als sie dringend gebraucht wurde 4 Wochen Urlaub machen, weil ihr irgendwie alles zu viel wurde? Welcher Kassierer im Einzelhandel kann im Weihnachtsgeschäft plötzlich wegfahren? Es kommt nicht so sehr darauf an, ob ein Politiker selbst Kinder hat, seine Situation ist sowieso außergewöhnlich, es kommt auf die Empathie für alle möglichen Lebensweisen an

    • @Ruediger:

      Ich denke der Urlaub oder die Auszeit war lange vorher geplant. Dies ist im öffentlichen Dienst, Krankenhäusern und Betrieben allgemein üblich. Familien haben das Vorrecht in den Ferien zu fahren, auch das ist üblich. Krankenschwestern, Intensivpfleger, Ärzte haben Anfang des Jahres die Urlaubswünsche vorzulegen um Planung zu ermöglichen. Auch Kassierer werden im Weihnachtsgeschäft eingeplant. Während dieser Zeit ist auch der Krankenstand relativ hoch. Mit Empathie hat das nichts zu tun

      • @Pepi:

        Es ist aber eben ein Unterschied, ob man einer von vielen Arbeitnehmern ist, die den Urlaub miteinander abstimmen, oder der Chef (in diesem Fall die Chefin). Da hat man besondere Verantwortung und muss ggf. das Private dann eben zurückstellen.

        Man muss ja nicht unbedingt Chef werden, wenn man nicht dazu bereit ist.

    • @Ruediger:

      Ein sehr vernünftiger Beitrag, insbesondere der letzte Absatz.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Es ist halt schwer als Mensch und Politiker*in das eigene Versagen zu kommunizieren. Daher brauch man eine Schutzbehauptung. Und Familie kann niemand wirklich angreifen oder in Zweifel ziehen.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Als Kommentar zu einem Artikel in dem Familie als Grund angegriffen und in Zweifel gezogen wird, ist das ganz schön realitätsfremd.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      "Familie kann niemand (...) in Zweifel ziehen" (Franz Frage)



      Und genau das machen Sie aber gerade, indem Sie unterstellen es handle sich um Schutzbehauptungen.

  • Die Leistungskonditionierte Gesellschaft will eben alles, was der Einzelne nicht auf die Kette kriegt. Fallende Politikerinnen kühlen das stets latent frustriert-überhitzte Gemüt.

  • Es ist unfair, den beiden Frauen zu unterstellen, ihre Familie als Schutzschild für den eigenen Rücktritt genutzt zu haben.



    Dieser Vorwurf ist nicht emphatisch, unsolidarisch und nutzt auch noch das Argument bei einem Mann wäre der Rücktrittsgrund wohl gelobt worden.



    Dieses merkwürdige auf den Kopf stellen der gesellschaftlichen Realität möchte ich als Variante eines feministischen Thatcherismus bezeichnen, der ohne persönlichen Bezug zum Feminismus auszukommen scheint. Er verkennt das Argument von Çiçek Tahaoğlu:



    „Es ist Luxus sagen zu können: ich bin keine Feministin!“



    Luxus, dass die Autorin nur über Verbesserungen von Frauen und Männern in Top-Positionen spekuliert. Luxus, dass nicht analysiert wird, warum die Frauen erst so (zu) spät ihre Überlastung bekennen.



    Luxus nicht darüber nachdenken zu müssen, wie es ist, sich in einem toxisch von Männern geprägten Umfeld als Linke (gemeint die Partei) Frau bewähren zu müssen. Und Luxus nicht zu thematisieren, warum führende Frauen bei den Grünen sich nicht sofort mit Spiegel solidarisch erklärten.



    Stattdessen straft die einstmals linke TAZ zwei kluge überforderte Politikerinnen mit dem Thatcher-Trick ab: Geschlechterdifferenz ist für die Autorin nicht primär eine Sache der Ungleichheit, sondern wird individualisiert. Selbst schuld liebe Politikerin, wenn du zum Beginn deiner Karriere auch noch betonst, wie’s zu Hause mit der Arbeitsteilung klappt! Als ob traditionelle Geschlechternormen nicht auch Top-Politikerinnen und Top-Politiker zutiefst prägen würden, der Schwäche im konkreten Einzelfall eben (noch) nicht honoriert. Anstatt das double bind des scheinbar aufgeklärten Dilemmas aufzuzeigen und das gut getarnte alte Rollenbild dahinter zu enttarnen und konkrete Alternativen zu benennen und mehr Solidarität für überforderte Frauen und Männer in der Politik und anderswo einzufordern, wendet die Taz die angebliche familiäre Schwäche der zwei Politikerinnen gegen sie.

    • @Lindenberg:

      Es ging in beiden Fällen und absolute Führungspostionen, wo nur die wenigsten eine Chance haben, diese zu erreichen und es entsprechend Konkurrenz gibt. Daher muss in solchen Positionen klar sein, dass die berufliche Verpflichtung Vorrang hat und der Partner mehr von der Arbeit zuhause erledigen muss. Das galt für Frau Merkel und das gilt für Herrn Scholz oder Frau Baerbock.

  • "Dann muss es erlaubt sein, im richtigen Moment und ohne fadenscheinige Argumente Nein zu sagen, ohne dass dies als Feigheit ausgelegt wird."

    Wann soll dieser Moment denn sein? Wenn frau mit Familie sagt: Wir machen das so, ziehen das durch und gehen dann vier Wochen in den Urlaub, dann ist Mama bei euch." Dann soll man im richtigen Moment, also wenn die Flutkatastrophe ungeplant zum lange geplanten Urlaub dazu kommt, Nein sagen? Nö liebe Bevölkerung, ich mach jetzt Urlaub und trete deswegen zurück. Das kriegt ihr schon hin, macht dann meine uneingearbeitete Nachfolgerin.



    Das ist der Sache deutlich weniger dienlich. Und vermittelbar ist es noch viel weniger.

  • "Wohl eher ist es eine peinliche Verteidigungsstrategie zweier gestrauchelter Politikerinnen, die Familie zu benutzen, um eigenes politisches Versagen zu entschuldigen."

    Hm. Ich kann in die erwähnten Menschen nicht hineinschauen, aber ich sehe das ähnlich wie @HERMA HUHN: nur so kommt die Debatte voran.

    Dazu möchte ich lediglich die andere, finstere Seite hinzufügen: wenn der Job in der Politik unmenschlich ist, dann können nur Unmenschen ihn erledigen. Davon haben bereits wir viel zu viel.

  • Als Strategie ist "die Familie" natürlich nicht gut, als Wirklichkeit darf man sie durchaus schon mal erwähnen. Nicht alles ist Strategie und nicht alles sollte so bewertet werden. Die eigentliche Frage ist, ob etwas anderes, Faulheit, Desinteresse oder Versagen zum Beispiel, dahinter versteckt wird und das scheint mir in beiden Fällen nicht so zu sein. D



    Es handelt sich eher um Selbstüberforderung, um "Frau muss alles und doppelt so gut können wie Männer"- Phänomene. Im Übrigen sollte sich jeder sehr intensiv fragen, ob und inwieweit die Bewertung der beiden Vorgänge nicht auch von Rollenbildern geprägt ist. Wo sich ein Mann noch mit "Verantwortung für meine Familie" ganz gut hätte rausreden können, vielleicht sogar Anerkennung gefunden hätte, wird die Familienarbeit der Ministerin als Egoismus interpretiert und als Ungeeignetheit für den Job. Und der Verweis auf die Familie dann eben als fragwürdige Ausrede. Kann es ja auch sein, muss es aber nicht.

  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Interessant, dass Politikerinnen als Rücktrittsgrund angeben, was von jeder normalen Arbeitnehmerin verlangt wird. Und zwar egal ob der Mann, die Eltern oder auch die Kinder krank sind - die wenigen Krankheitstage , die gesetzlich akzeptiert sind, sind schnell verbraucht.

    • @03998 (Profil gelöscht):

      Und dann ist der Job oft auch bald weg …

  • Vielleicht ist es kein Schutzschild. Vielleicht ist es die Wahrheit. Familie und Hochleistungsberufe... Schwer zu stemmen.

    • @Wonneproppen:

      In der Tat:



      //



      www.zeit.de/arbeit...t-gender-pay-gap//



      //



      Gabriele Winker adressiert das Thema ungeschminkt mit Fakten, aber auch mit Forderungen nach Veränderung. Eines ihrer Bücher hat den Titel 'Care Revolution', die Autorin begeistert auch im persönlichen Gespräch durch ihren Optimismus. Es braucht überzeugende, energische Stimmen.

      • @Martin Rees:

        Genau, viel Forderung, und sie weiss auch genau, wie gut es denen tut, die das gar nicht wollen. Besten Dank…

  • Ich finde sie hätten beide nicht zurücktreten müssen. Sie haben einmal aus Protest, zum andern aus gefühlter Schuld bei Überlastung, eine Vorstellung von Amtsausübung als Dienst an der öffentlichen Gesellschaft zum Ausdruck gebracht. Und so ist ihr Rücktritt von der übertragenen Aufgabe ein "Nicht-mehr-Verantworten-können".



    Das möchte ich mal vergleichen mit Männern, die ihr Amt ausüben als Form persönlicher Macht. Auch Spahn. Sie erleben (würden erleben) Rücktritt als Strafe und Kränkung. So unterschiedlich können die Amtsauffassungen sein. Selbst in einer Regierungskoalition.

  • Eventuell ist der aRückhalt der Familie nicht mehr gegeben. Es funktioniert nicht mehr, wenn wie Frau Spiegel, der Partner komplett ausfällt. Was bei der Linken- Abgeordneten vorgefallen ist kann man nicht beurteilen. Wer redet schon gerne in der Öffentlichkeit darüber wenn das Kind aus dem Ruder läuft, der Partner sich anderweitig umsieht oder was es sonst noch für Fallstricke gibt. Bitte jetzt keine Diskussion über alleinerziehende Mütter mit einem 40h Job, die haben einen strukturierten Tagesablauf. In bestimmten Berufen ist es aber nicht möglich um 17.00 zu gehen oder am Montag zu überblicken was Dienstag, Mittwoch passiert. Ich hätte eher Verständnis erwartet, als die beiden Frauen medial hinzurichten.

  • In welcher Form hätten denn diese Rücktritte eine Debatte über Vereinabrkeit von Familie und Topposition besser anstoßen können?



    Indem sie garnichts über die Familie sagen? Warum hätte dann eine Debatte aufkommen sollen?



    Indem sie sagen: "In der Familie läuft zwar alles supi, aber ich will doch wieder mehr Muddi sein"? Wäre das nicht erst recht Wasser auf die Mühlen der Zeitzurückdrehwoller?



    Warum dient es der Debatte nicht, wenn die Realität zeigt, dass ausschließlich Frauen in Topposition auf die Idee kommen, dass sie sich zwischen Familie und Karriere entscheiden müssen? Oder zeigt sich die Unvereinbarkeit bei anderen eher in der Scheidungsrate? Da könnte man mal eine Statistik zu prüfen.

    • @Herma Huhn:

      Na, weil auch Männer sich zwischen Familie und Karriere entscheiden müssen.

      Und hier die Familie zu instrumentalisieren, stellt jeden unter Generalverdacht, der etwas für seine Work-Life-Balance zugunsten der Familie tun will.

      • @rero:

        Hart aber gerecht. Es geht eben nicht zusammen, eine Position ganz oben mit entsprechender Honorierung haben zu wollen und zugleich für die Familie da zu sein wie in einem 9to5-Job.

        Diese Entscheidung muss jeder (mit seinem Partner) treffen, der Karriere machen will, unabhängig vom Geschlecht - und Leute mit schlechter Ausbildung müssen diese Entscheidung sogar treffen, um einfach die Miete zahlen zu können und sich vielleicht einen Urlaub im Jahr leisten zu können.

    • @Herma Huhn:

      taz.de/Ungerechte-...on-Sorge/!5839488/



      //



      Daten zu Care. Vielleicht kann die taz die offenen Fragen zu Familie und Beruf (Ihre Fragen) auch angehen. Ich sehe in der Debatte eine Gefahr, dass alte Denkmuster zurückkehren und die als ungerecht erkannte Verteilung von Sorge nicht angegangen wird. Die Not, Schaden von der Familie abzuwenden, darf jetzt nicht instrumentalisiert werden. Unser Bild von PolitikerInnen in der Öffentlichkeit ist einseitig, auch weil wir selbst als Gesellschaft häufig noch Überholtes bestätigen. Schlimmstenfalls werden Listen für KandidatInnen zum Lackmus-Test für diejenigen, die nicht die gewünschten Punktwerte für familiäre Stabilität vermitteln wollen oder können. Rolle rückwärts, befürchte ich.

  • solche ähnliche Erklärungen geben auch zurücktretende Männer ab. Ist halt ein Strohhalm, ein rhetorisches Element um nicht ganz bloß dazustehen, irgendeinen Grund muß es ja haben,,,auch wenn alle wissen, dass das nicht stimmt... menschlich halt.



    Aber war es nicht so, dass der Mann von Spiegel erkrankt ist, dann mächte das sogar Sinn, auch wenn sie vorher den Rollentausch betont hat... is aber eigentlich auch egal, es sind ihre Gründe, die ich nicht zu beurteilen habe.

    • @nutzer:

      Ja, der Mann von Spiegel war erkrankt, und sie *ist* darüber gestrauchelt, dass sie sich um ihre Familie gekümmert hat.

      Deswegen finde ich "schieben die Familie vor" einen ganz üblen Vorwurf.

  • Hm, das finde ich unfair. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat der Mann von Frau Spiegel einen Schlaganfall erlitten. Die Einzelheiten seiner Erkrankung gehen uns nichts an, aber es ist durchaus möglich, daß er künftig nicht mehr in der Lage sein wird, sich so vollumfänglich wie zuvor um die Familie zu kümmern.

    • @Hinkelstein:

      Dass Problem ist, dass Frau Spiegel gelogen hat, an Sitzungen nicht teilgenommen hat, es aber behauptete und sich dann mehr und mehr in Widersprüche verstrickt hat. Das ist auch der Grund, warum sie politisch stolperte.

  • Das finde ich einen ärgerlichen Kommentar, weil unterstellt wird, dass die Frauen das Thema Familie als Ausrede verwenden. Gleichzeitig wird postuliert, dass Familie und Spitzenposition als miteinander vereinbar zu gelten haben. Basta.



    Und wenn es einfach aktuell nicht so ist? Wir haben jetzt 2 Jahre Pandemie erlebt, in denen die Situation der Kinder und Familien niemals Priorität hatten. In denen die Betreuungssituation nicht stabil war. In denen die Familien massiv belastet wurden. Wer auf das klassische Versorgermodell gesetzt hat, war noch ganz gut dran. Alle anderen, die auf eine stabile Kinderbetreuung und ein funktionierendes Schulsystem angewiesen sind, haben sich kontinuierlich aufgerieben. Und dann fehlt vielleicht einfach die Kraft, weil man zum Beispiel allein erziehend ist. Oder weil auch noch der Partner krank ist und es einfach nicht mehr funktioniert.

  • Kritik ist sicher nicht per se unerwünscht bei den beiden Frauen, die hingeschmissen haben, aber sie darf auch konstruktiv sein. Die Möglichkeit, dass sich alles bald wiederholt ist vorerst noch systemimmanent abgebildet. Familie kann man definitiv nicht vom Ende her denken, Schicksalsschläge verändern Menschen und ihre Koordinaten, die Selbstverortung verlangt auch ein Umfeld mit Stützfunktion, wenn alles aus den Fugen zu geraten droht. Der Mensch ist als Ganzes zu sehen, nicht seine Funktionen. Ich liebe wegen der Weitsichtigkeit und Vielschichtigkeit der Betrachtungen Hesses Steppenwolf. Wie im richtigen Leben, bei jedem Lesen sehe ich ihn und mich anders. Mit Abstand werden wir die beiden Politikerinnen auch anders bewerten, hoffentlich lassen sich NachfolgerInnen jetzt nicht unnötigerweise verunsichern. Bei den männlichen Pendants früherer Generationen gab es Beispiele deutlich erhöhter Frequenzen von Eheschließungen, bestimmt auch nicht imner ohne Kollateralschäden und Opfer. Bertolt Brecht schrieb an die Nachgeborenen: "Ihr aber, wenn es soweit sein wird, dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist, gedenkt unsrer mit Nachsicht."