Reform des Straßengesetzes: Die unerträgliche Leichtigkeit
Das Straßenverkehrsgesetz wurde modernisiert, endlich. Doch die Änderungen sind so minimal, dass Menschen ohne Auto sie kaum bemerken werden.
H urra, es geht voran! Ein paar Meter wenigstens. Ungefähr so zügig wie im Stau am ersten Tag der Sommerferien auf der Autobahn Richtung Süden. Aber auch da ist man dankbar, wenn überhaupt mal was passiert. Dieses Staugeruckel beschreibt ganz gut, in welchem Tempo es bei der Verkehrspolitik vorangeht.
Auf einen dieser rasanten Fortschritte haben sich Bund und Länder nach monatelangem Streit im Vermittlungsausschuss geeinigt. Die lang erwartete Reform des Straßengesetzes darf nun endlich kommen, weil laut Kompromiss die Verkehrssicherheit nicht nur berücksichtigt, sondern garantiert sein muss. Na, danke!
Immerhin kann nun – nach weiterem gegenseitigen Behakeln und den üblichen Bremsversuchen der Autolobby – irgendwann im absoluten Schritttempo auch die Straßenverkehrsordnung so geändert werden, dass bei verkehrspolitischen Umbauten auch Klima- und Umweltschutz eine Rolle spielen dürfen. Sodass Tempo-30-Zonen oder Fahrradspuren auf kommunaler Ebene nicht mehr das Aus durch klagefreudige Autofanatiker droht, nur weil die hier und da etwas langsamer fahren müssen. Ja, darüber darf und muss man sich freuen.
Eigentlich wäre es höchste Zeit, die Ideologie des Straßenverkehrsrechts, die in ihren Grundzügen aus den 1930er Jahren stammt, über Bord zu werfen. Sie schreibt fest, dass die unerträgliche Leichtigkeit des Verkehrs ein Kriterium bei allen Maßnahmen bleiben muss: Automobilisten dürfen nicht behindert werden. Damit haben Menschen, die gar nicht vorankommen, sondern schlichtweg im öffentlichen Raum verweilen wollen, weiterhin das Nachsehen.
Aber vielleicht müsste man diese Karteileiche aus den Urzeiten automobiler Verkehrspolitik nur mal ernst nehmen. Das größte Hindernis, der einzige Staufaktor für den Verkehr in den Städten sind ja nicht die Radfahrerinnen oder Fußgänger. Es sind die Unmengen von Autos, die sich alle gegenseitig im Weg stehen. Wer sie aus den Innenstädten verbannt, schafft Platz für Verkehre aller Arten – mit größter Leichtigkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten