Rechte Reiche im rassistischen Video: Kündigung nach Hitlergruß auf Sylt
Partygäste filmen sich auf Sylt mit ausländerfeindlichen Parolen. Zwei der mutmaßlichen Sänger:innen verlieren nun ihre Jobs. Die Polizei ermittelt.
Es machte seit Donnerstag in den sozialen Medien die Runde und zeigt eine Gruppe von rund 20 Menschen, die im Außenbereich des Pony Clubs in Kampen zu Diskomusik feiern. Zum Song „L'Amour toujour“ von Gigi D'Agostino singen mindestens eine Frau und mehrere Männer die Zeilen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“.
Einer der Männer deutet einen Hitlergruß an. Mehrere Social-Media-Profile dieses Mannes waren am Freitag abgeschaltet. Auf Linked-In hatte er unter anderem angegeben, im Bereich PR & Content Marketing bei der Firma Serviceplan Group zu arbeiten. Die Firma hat Standorte in Köln, Hamburg, Berlin und München. „Als der Vorfall bekannt wurde, hat die Serviceplan Group sofort gehandelt und eine fristlose Kündigung ausgesprochen“, hieß es als Antwort auf die Kontaktanfrage der taz. Man sei ein weltoffenes Unternehmen mit 6.000 Kolleg:innen aus mehr als 50 Ländern weltweit. „Rassismus wird innerhalb der Agenturgruppe in keiner Form geduldet.“
Auch die Frau, die gleich zu Beginn des Video-Ausschnitts in Großaufnahme zu sehen ist, verlor am Freitag ihre Anstellung. Im Netz konnte man aus den Jahren 2019 und 2021 professionelle Modelfotos von ihr finden. Auch ihr Linked-In Profil ist mittlerweile unerreichbar. Dort hatte sie ein Studium an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) angegeben, sowie für die Influencerin Milena Karl zu arbeiten.
Milena Karl hat auf Instagram über 800.000 FollowerInnen. Am Freitagnachmittag veröffentlichte sie ein Statement, in dem es hieß: „Abgesehen von dem ohnehin abscheulichen Inhalt des Videos hat es mich schockiert, verletzt und enttäuscht, zu sehen, dass eine der Personen aus dem Video mit mir in einem Anstellungsverhältnis stand.“ Unmittelbar nach Kenntnis des Videos sei das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden. „Ich bin selbst Migrantin und als werdende Mutter steht alles, was in diesem Video zu sehen ist, für eine Gesellschaft, in der ich mein Kind nicht großziehen möchte“, erklärte Karl.
Auch die Hamburger Hochschule HAW distanzierte sich in einem Statement von dem Video und erklärte, man toleriere derartige menschenverachtenden Äußerungen in keiner Form. Es bestehe der Verdacht, dass es sich bei einer der beteiligten Personen um eine Studierende der HAW handele. „Hinweisen auf beteiligte Personen wird derzeit polizeilich nachgegangen“, das Fachkommissariat für Staatsschutz ermittle wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen, erklärte die Hochschule. Die Frau und der Mann waren bis zum Freitagabend für die taz nicht zu erreichen.
Entsetzen bis hoch ins Kanzleramt
Das am Pfingstwochenende bei einer Party in der Sylter Promibar entstandene Video hat derweil bundesweit Empörung ausgelöst – bis hoch zum Bundeskanzleramt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Parolen als „ekelig“ und „nicht akzeptabel“.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wer Nazi-Parolen wie „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ grölt, ist eine Schande für Deutschland“. Es stelle sich die Frage, „ob wir es hier mit Menschen zu tun haben, die in einer wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft leben, die die Werte unseres Grundgesetzes mit Füßen tritt.“ Die Frage sei auch, welches hasserfüllte Klima solche Leute dazu ermutige, sich so abgrundtief rassistisch in aller Öffentlichkeit zu äußern.
CSU-Generalsekretär Martin Huber hat die Menschen, die auf der Nordseeinsel Sylt rassistische Parolen gegrölt haben, dazu aufgefordert, sich freiwillig bei den Behörden zu melden. „Die Personen in dem Video sollten sich stellen“, sagte er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. „Der Vorfall auf Sylt ist schockierend und widerwärtig.“ Wer solche ausländerfeindlichen Parolen rufe und feiere, müsse belangt werden. „Es macht fassungslos, dass so viele Menschen in aller Öffentlichkeit ihre Ausländerfeindlichkeit zur Schau stellen und niemand eingreift“, sagte Huber.
Dabei scheint schon jetzt klar, dass die Ekstase am Nordseestrand auch rechtliche Konsequenzen haben wird. Wie die Polizei in Flensburg mitteilte, ermittelt nun der Staatsschutz – wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen. „Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Flensburg und der Polizei richten sich zunächst gegen die Personen, die auf dem Video offensichtlich die oben genannten Äußerungen mitsingen bzw. Kennzeichen tätigen“, hieß es in der Mitteilung. Es sei aber nicht auszuschließen, „dass im Rahmen der Ermittlungen weitere Tatverdächtige hinzukommen, die auf diesem Video nicht abgebildet worden sind“.
Die Betreiber der Pony Bar hatten sich am Freitag selber an die Polizei gewendet, nachdem das Video am Donnerstagabend über Social-Media-Kanäle öffentlich geworden war. Zuvor hatten sie den extremistischen Sänger:innen Haus´verbot erteilt.
Diskussionen im Netz
Die auf Sylt grölenden, weißen Rich-Kids mit dicken Uhren, weißen Hemden und übergeworfenen Pullover haben auch online zu heftigen Reaktionen geführt. Denn während am Geburtstag des Grundgesetzes feierlich zum Schutz der Demokratie aufgerufen wird, scheint das Video genau das zusammenzufassen, was in den Augen vieler gerade schiefläuft: Rassismus, Ungleichheit, Vermögen.
Wie kann es sein, dass so etwas unwidersprochen gesungen werden kann?, Wie kommen Junge darauf, rechts cool zu finden?, fragen sich im Netz viele. Von Entgleisungen ist die Rede. Auch die Forderungen nach Konsequenzen werden in den sozialen Medien lauter. „Ich hoffe so sehr, dass alle Personen, die dort erkennbar sind, eine Anzeige wegen Volksverhetzung bekommen und der Typ, der den Hitler Gruß gemacht hat, 10.000 Sozialstunden im Flüchtlingsheim bekommt“, schreibt etwa eine Person auf Instagram.
Auch nach der Verantwortung der Betreiber des Nachtclubs, wo die Party an Pfingsten stattgefunden haben soll, wird gefragt. „Der Betreiber hat nichts gehört und nichts gesehen? Keiner vom Personal hat was gehört oder gesehen?“
Tim Becker, Mitinhaber des Pony Clubs hatte dazu der taz gesagt, auf Videoaufnahmen der Überwachungskameras in dem Club sei zu erkennen gewesen, dass nur etwa fünf Gäste die ausländerfeindlichen Parolen gesungen hätten. Insgesamt seien 400 bis 500 Menschen bei der Party gewesen. „In der Situation ist es unmöglich für die Türsteher oder Barleute, das rauszuhören“, so Becker. „Keiner von uns hat Kontakt zu Rechten. Wir werden zukünftig unsere Gäste dafür sensibilisieren, in solchen Fälle einzuschreiten.“
Dass es sich bei den grölenden Rassist:innen sichtlich um Personen aus der Oberschicht handelt, lenkt die Debatte auf Social Media auch auf ein politisches Thema, das eher selten zusammen mit Nazis aufkommt: Steuerpolitik. „Heute ist ein guter Tag über die Erbschaftssteuer zu reden“, heißt es aus Reihen der SPD wie von Dario Schramm oder der Bundestagsabgeordneten Isabel Cademartori.
Campact und Luisa Neubauer nutzten die Gelegenheit wiederum, um für Demokratie-Demos am 31. Mai zu werben. Jürgen Trittin (Grüne) und Ulrich Schneider (Paritätischer Wohlfahrtsverband) bitten erstmal Punks, sie mögen nach Sylt zurückkommen. Im vergangenen Sommer hatte ein Camp von Punkern auf der Nobelinsel für Debatten gesorgt.
Rechte Influencer wollen Vorfall runterspielen
Doch da ist nicht nur Entsetzen. Rechte Influencer belächeln den allgemeinen Aufschrei, das Video selbst verharmlosen sie. „Von besoffenen Jugendlichen, die Spaß haben“, ist die Rede.
Reimond Hoffmann, AfD-Politiker mit Verbindungen zur Identitären Bewegung, äußerte sich auf einem mittlerweile gelöschten Tweet, er verstünde den Hass auf „gut gelaunte Leute nicht“, doch „Heimatliebe und gute Laune“ verstünden „Linksextreme“ nicht. Stattdessen versuchen sich rechte Accounts an What-Aboutisms und Relativierungen mit Verweisen auf die Islamistische Demonstration in Hamburg und Antisemitismus an deutschen Universitäten.
Darauf entgegnet Publizist Max Czollek nur: „Erinnerungskultur gilt für alle & nicht nur, wenns in die eigene Abschiebeagenda passt“.
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