piwik no script img

RBB-Talk mit Anna DushimeLächle alles weg

In ihrer neuen Talkshow „Der letzte Drink“ möchte Anna Dushime mit Roberto Blanco über Rassismus und Sexismus reden. Das gestaltet sich schwierig.

An der Bar, aber nicht wirklich im Gespräch: Anna Dushime und Roberto Blanco Foto: Johanna Wittig/rbb

Auf der linken Seite einer Hotelbar in Berlin sitzt die 35-jährige Journalistin und Moderatorin Anna Dushime. Als Kolumnistin für die taz schrieb sie immer wieder über ihre eigenen Diskriminierungserfahrungen als Schwarze Frau in Deutschland.

Ihr gegenüber sitzt der 86-jährige Roberto Blanco, der unter anderem mit seinem Hit „Ein bisschen Spaß muss sein“ von 1973 berühmt wurde. Der in Tunis als Sohn kubanischer Eltern geborene Entertainer ist der erste und einzige Musiker, der es in dem weißesten aller Musikgenres, dem deutschen Schlager, geschafft hat, sich als Instanz zu etablieren.

Das Konzept der Talkshow ist simpel. Zwei Menschen, die sich an einer Bar unterhalten. Dabei werden vom Barkeeper Cocktails angereicht. Das fürs Fernsehen ungewöhnlich schlichte Format passt sich ausnahmsweise den Interessen des jüngeren Publikums an. Denn der anhaltende Hype rund um Laberpodcasts zeigt: Wir haben Lust auf gute und lockere Gespräche, ohne viel drumherum.

Doch ganz so locker, wie sich das die Moderatorin möglicherweise gewünscht hat, wird es dann leider nicht: „Welchen Ratschlag würdest du deinem 11-jährigen Ich geben?“, fragt Dushime. Blanco blockt ab: „Mach alles genau so, wie du es gemacht hast.“ Und mit dieser Antwort ist der Gesprächsverlauf der 30-minütigen Folge vorgeschrieben.

„Der letzte Drink“

Die Sendung läuft in der ARD Mediathek und am 28.11., 23 Uhr, im RBB-Fernsehen

Dushime versucht es immer wieder mit Fragen, die die strukturellen Hürden für Roberto Blancos Leben als Schwarzer Künstler in Deutschland aufdecken sollen: Haben ihm seine weißen Kollegen den Erfolg gegönnt? Fühlt er sich missverstanden? Wie war das damals, als er 2015 von Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann, bei „Hart aber fair“ als „wunderbarer N*“ bezeichnet wurde?

Alles nur Selbstschutz?

Dushime ist nicht die erste Journalistin, die mit solchen Fragen gegen eine Wand läuft. Blanco fährt die Devise: Lächle alles weg. Konzentriere dich auf das Positive im Adjektiv „wunderbar“ und frag dich gar nicht erst lange, was deine weißen Kollegen verdienen. „Für mich war meine Farbe die beste Public Relation, die ich haben konnte“, meint er.

Anna Dushime hingegen erzählt, dass sie sich früher immer gewünscht habe: „Wenn ich noch mal auf die Welt kommen könnte, würde ich gerne als weißer Mann auf die Welt kommen.“

Hier tut sich der entscheidende Generationenkonflikt zwischen den beiden auf. Während die junge Journalistin mit dem Gedankenexperiment überlegen möchte, was es bedeutet, nicht der weißen Norm der Gesellschaft anzugehören, will der Schlagersänger nicht die Gesellschaft, sondern nur sein Leben betrachten; und das im positivsten aller möglichen Lichter. Vieles klingt bei ihm nach einer riesigen Selbstschutzstrategie. Er möchte keine Probleme sehen und ist somit auch nie ein Opfer in seiner Selbsterzählung. Das ist sein gutes Recht. Und eine Perspektive, die es zu respektieren gilt.

Unangenehm wird das Gespräch immer dann, wenn der Sänger keinen Raum für die Perspektive seiner Gesprächspartnerin lässt. Vor allem wenn die Journalistin von ihren Erfahrungen als Schwarze Frau sprechen möchte. Blanco lässt sein Gegenüber öfters nicht ausreden. Versteht nicht, warum die Moderatorin es nervt, als Frau ständig auf ihr Äußeres reduziert zu werden.

Der Sänger kontert mit Äußerungen à la „na, dann darf man ja Frauen gar keine Komplimente mehr machen“. In solchen Momenten hält Dushime sich an ihrem Cocktail fest, als sei es ein Rettungsring. Und in solchen Momenten wünscht man sich als Zuschauerin: Halt dich nicht fest, sondern schwimm! Jetzt ist mal Zeit für deine Geschichte und deine Perspektive!

Ob Anna Dushime in Zukunft die Chance dazu bekommt, wird sich noch zeigen. Noch ist nicht entschieden, ob das Format nach Ausstrahlung der Pilotfolge weitergeht. Wünschenswert wäre es – dann aber gerne mit Gästen, die Anna Dushime auch ausreden lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wie hat Pierre Bourdieu (sinngemäß) gesagt: Die Untedrückten müssen die Werte der Unterdrückenden annehmen, um ihre Interessen durchzusetzen. Roberto Blanco ist in dieser Hinsicht nichts vorzuwerfen, sondern eher der weißen Mehrheitsgesellschaft. Aber natürlich müssen wir hier auch intersektional denken: Ein Mann, der eine Frau nicht aussprechen lässt, ist natürlich in diesem Verhalten zu kritisieren.

  • Meine Güte, der Mann ist 86 und hat scheinbar seinen Frieden mit der Gesellschaft gemacht, in der er -trotz aller vorhandenen Vorurteile und negativer Aspekte- zu einem Popstar geworden ist. Wieviele von uns haben in ihrem Leben auf verschiedenste Art eine "Selbstschutzstrategie" entwickelt und wieviele wären bereit, die mal eben für so ein halbstündiges Interview öffentlich zu entblättern.



    Und dass als hochbetagter Schlagersänger lieber in einer heilen Wild lebt und ein altmodisches Frauenbild hat... Ja mei, wer hätte das gedacht?

  • Vielleicht hat R.B. einfach die weitaus besseres Lebenseinstellung, nicht überall zu suchen, wo es anderen besser geht, sondern aus seiner Situation mit seinem "ich", das beste zu machen. Vielleicht ist es für die Psyche gar nicht gesund, immer das "ich" in Frage zu stellen und sich vorzustellen, wie ein anderes Leben verlaufen wäre.

    Das heißt nicht, dass man nicht Missstände erkennen und sich dagegen wehren darf. Aber die Veränderung dauert eben eine Weile und daher muss man auch lernen, mit der Situation zu leben, wie sie gerade ist.

  • Super, eine weißte Frau, vermutlich Bio deutsche, erklärt einem Schwarzen, wie er gefälligst die Welt und sein Leben zu sehen habe. Und falls er sich weigert muss es ein psychischer Defekt sein.

    Das ist schon hart an der Grenze zum Rassismus.

  • Es ist denn Sinn und Zweck dieser Sendung, die eingeladenen Gäste von der Richtigkeit der Auffassung der Moderatorin zu überzeugen?

    Dann sollte man doch eher zwei gleichrangige Kontrahenten auf neutralem Boden diskutieren lassen, so wie dieses Format des zdf (13 Fragen). Ein Moderator ist ja immer in einer "Machtposition" da es seine Sendung ist...

  • Eine Talkshow lebt davon, dass der Moderator seine Gäste in Szene setzt. Er selbst ist im Zweifel nicht so interessant wie seine Gäste und niemals interessant genug, um die Show über eine Vielzahl von Folgen zu tragen. Es gibt schon (mindestens) eine Late Night Show im ÖRR, in der der Moderator regelmäßig den Eindruck vermittelt, seine eigene Meinung und sein Wissen zu jeweiligen Thema für mindestens genau so wichtige Sendungsinhalte zu halten wie die seiner Gäste: Lanz.

    Auch hier: Das KANN man so machen. Aber ich kann Gäste verstehen, die mit diesem Konzept fremdeln, und ich schaue diese Show auch nur, wenn es die Gäste mal schaffen, den Moderator abzuhängen. Das Gespräch ist dann gleich viel interessanter.

  • ich Frage mich, wie einige Foriste dazu kommen, R.B. wäre ein "Verdrängungsweltmeister". Ich finde das extrem übergriffig.

    • @Emmo:

      Da ist wohl der linke Tellerrand etwas zu hoch: Der Mann ist BIPoC und im Großen und Ganzen glücklich mit seinem Leben - das KANN doch nur an einer verfälschenden Realitätswahrnehmung liegen... ;-)

  • Natürlich darf auch eine Interviewerin ausreden, aber eigentlich geht es in solchen Formaten doch eher um den Gast. Im vorliegenden Fall wäre die Diskrepanz zwischen den beiden schon interessant, aber kann man überhaupt davon ausgehen, dass sie ähnliche Erlebnisse hatten? Vermutlich ist das aber gar nicht der Fall, die Diskriminierung war für Blanco wahrscheinich zwar mitunter schmerzhaft, gleichzeitig aber auch noch viel normaler und zudem hatte er eine erfolgreiche Sonderstellung. Wir haben hier zwei "Betroffene", aber es gibt offensichtlicht keine Ebene, das Konzept ging ins Leere. Mit etwas mehr Humor hätte man genau das aber gut thematisieren können: ein schwarzer Macho findet sich selber weder diskriminierend noch diskriminiert. Auch wenn dies nicht zutreffen sollte, man kann ihn nicht dazu zwingen dies einzusehen oder zuzugeben.

  • In den folgenden "Erlebten Geschichten":

    www1.wdr.de/radio/...rie-nejar-100.html



    www1.wdr.de/radio/...dormichael100.html

    werden die Lebensgeschichten von zwei schwarzen Deutschen, Marie Nejar und Theodor Michael, eindrucksvoll geschildert.

  • Vielleicht hätte sich Frau Dushime einen anderen Gast einladen sollen wenn sie über Rassismus reden möchte. Roberto Blancos Meinung zum Thema ist ja nicht erst seit gestern bekannt - und warum sollte er es auch anders sehen? 🤷‍♂️



    Geboren in Tunesien, aufgewachsen in einem Internat in Beirut, Medizinstudium in Madrid wenn ich mich recht entsinne 🤔



    Danach eine fulminante Karriere seit über 50 bald 60 Jahren mittlerweile als Sänger, Schauspieler, Entertainer - was hätte er denn noch mehr erreichen können und wollen???



    Solch einen Lebenslauf erreichen deutlich weniger als 1% aller Menschen - egal ob weiß, schwarz, gelb, braun, ...



    Roberto Blanco ist das denkbar ungünstigste Beispiel wenn man das Narrativ vom systematisch bevorzugten "weißen Mann" diskutieren will 🤷‍♂️ - und meiner persönlichen Meinung nach versteift sich die junge Generation auch viel zu sehr darauf.



    Ja es ist nicht alles wunderbar - aber sich "auf das Positive im Adjektiv" zu konzentrieren ist nicht unanständig - Glas halb voll oder halb leer - es kommt darauf an welchem Blickwinkel man sich hingeben will.



    Ich bin selbst auch nur 50% Biodeutscher, habe mein Berufsleben auf drei Kontinenten verbracht, da wurde "dem Fremden" auch nicht immer der rote Teppich ausgerollt, Rassismus ist wahrlich kein Phänomen das nur von Weißen ausgeht - in jedem Land habe ich bisher Vorurteile gegen Menschen aus anderen Ländern, anderer Hautfarbe oder Religion mitbekommen 🤷‍♂️



    Man kann sich hinhocken und beschweren wie ungerecht das ist - oder versuchen es zum Positiven hin zu ändern. Step by step. Das ist wohl Roberto Blancos Idee - und ich teile sie.



    Alle Rechte, alle Freiheiten die wir heute in westlichen Ländern genießen wurden auch nicht über Nacht, sondern über Jahrhunderte, oft auch blutig, von unseren Vorfahren erkämpft. Ungerechtigkeiten zu überwinden ist eine Ewigkeitsaufgabe, leider.

  • Warum sollte Herr Blanco mit 86 aufarbeiten was er so lange erfolgreich vergraben hat? Es ist ein Privileg der Jugend es anders machen zu können, den Finger in die Wunde zu legen. Er hat sein Leben gelebt und erinnert sich sicher gerne an alles Schöne, das Schlechte hat ihn nicht kaputt gekriegt.

    • @Narrenfell:

      Er hätte auch die Größe haben können, einzugestehen, eine fast schon unheimliche Verdrängungsleistung vollbracht zu haben und sich solidarisch zu der jungen Journalistin verhalten können.

      • @Jim Hawkins:

        Was genau hat Roberto Blanco denn so alles verdrängt? Fällt mir jetzt spontan rein gar nichts ein.



        Oder ist "Verdrängen" das Gegenteil von "Beklagen"? Dann vielleicht ja, aber das wäre ein eigenartiges Verständnis von Verdrängen...

      • @Jim Hawkins:

        Frage: Verursacht es es einem strammlinken Problemseher eigentlich physische Schmerzen, wenn Jemand (noch dazu Träger einer Unterdrückten-Identität) einfach nur glücklich ist mit dem, was er hat, und das anderen Leuten auch wünscht, statt in den poltisch korrekten "Alles ist Schrecklich"-Chor einzustimmen?

        Es ist schwer zu glauben, aber gerade etliche Schlagersänger sehen die Welt tatsächlich - und zwar bewusst - so kitschig-positiv, wie sie sie besingen. Sie verstehen daher nicht, wie man sich das Leben mit der ganzen weltverbesserischen Misanthropie so versauen kann.

        • @Normalo:

          "Es ist schwer zu glauben, aber gerade etliche Schlagersänger sehen die Welt tatsächlich - und zwar bewusst - so kitschig-positiv, wie sie sie besingen."

          Das ist natürlich einfach behauptet und/oder dem Goldenen Blatt entnommen.

          • @NurFürDieKommentareHier:

            Nö, kommt schon aus erster Hand. Ich hatte mal geschäftlich ziemlich intensiv mit einem Schlagerlabel zu tun.

      • @Jim Hawkins:

        Für das nach dem Mund reden hätte ein anderer Gast eingeladen werden müssen.

    • @Narrenfell:

      Exakt das steht im Text: »Das ist sein gutes Recht. Und eine Perspektive, die es zu respektieren gilt.«

      Nur: Wenn man zu einem Gespräch geht, wäre es halt ganz nett, auch mal der Gesprächspartnerin zuzuhören und ihre Sichtweise zur Kenntnis zu nehmen. Sonst braucht es kein Gespräch, dann tut es auch ein Monolog. ;)

      • @Gachmuret:

        "Wenn man zu einem Gespräch geht, wäre es halt ganz nett, auch mal der Gesprächspartnerin zuzuhören und ihre Sichtweise zur Kenntnis zu nehmen. Sonst braucht es kein Gespräch, dann tut es auch ein Monolog."

        --> Anders herum wird ein Schuh draus. Frau Dushime ist in diesem Format die Gastgeberin und Herr Blanco der Gast. Es geht also um ihn und gerade nicht um die Moderatorin.

        Wenn sie ihre Perspektive präsentieren will, soll sie konsequenterweise eine Sendung ohne Gäste, also einen Monolog oder ein Meinungsstück machen.

        Wenn sie Roberto Blanco zum Gespräch oder Interview einlädt, muss sie sich auf ihn einlassen, nicht anders herum.

        Falls Roberto Blanco irgendwann ein Interview- bzw. Gesprächsformat moderiert, dann muss er sich und sein Leben zurücknehmen und seinen Gästen den Raum geben.

        Das hat die junge (und mittelalte) Moderatorengeneration (Klamroth, Lanz, Aminata Belli, Aurel Mertz, etc.pp.) entweder vergessen oder nie gelernt.

      • @Gachmuret:

        Für Blanko war das aber wahrscheinlich nur ein 08/15 Interview bei dem er seinen Text runterrattert.

      • @Gachmuret:

        Wenn die Journalistin etwas herbeireden will oder eine bestimmte Reaktion hervorrufen will, Blanco diese aber nicht liefert, dann hat das doch nichts mit nicht zuhören zu tun!

        2. @Jim Hawkins was ist da bitte unsolidarisch gegenüber der Journalistin? Man kann es auch umdrehen und unsolidarisch gegenüber Blanco nennen, wenn sie sich darüber aufregt, dass er das Leben nicht so schlimm empfindet und empfand.



        Sie tun ja das selbe und unterstellen ihm eine Verdrängungsleistung, als wüssten sie was er durchgemacht hat und wie er fühlt.



        Das ist wahre Ignoranz!