Provokationen aus Moskau: Gedankenspiele eines Ex-Kremlchefs

Russlands früherer Präsident Medwedew spricht sich für eine Annexion von Georgien aus. Seine Drohgebärden richten sich auch an andere Länder.

Portrait von Dmitri Medwedew.

Von allen guten Geistern verlassen: Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew Foto: Ekaterina Shtukina/imago

BERLIN taz | Dmitri Medwedew, Russlands ehemaliger Präsident und Regierungschef, ist schon länger von allen guten Geistern verlassen. Seit Beginn des Ukrainekrieges ergeht sich der Vize-Chef des Nationalen Sicherheitsrates in Vernichtungsfantasien und Hasstiraden, die selbst die härtesten Kriegstreiber in Russland in den Schatten stellen.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte Medwedew eine Karte einer komplett dezimierten Ukraine, die nur noch aus der Hauptstadt Kiew sowie etwas Umland besteht. Das restliche Staatsgebiet ist auf Russland, Polen und Rumänien aufgeteilt. Am vergangenen Montag folgte dann ein Post auf VKontakte (das russische Pendant zu Facebook), in dem der 57-Jährige Le­se­r*in­nen an seinen Zukunftsvisionen teilhaben lässt. Die Völker der Sowjetunion würden wieder in Freundschaft und gegenseitigem Einverständnis zusammen leben. Dafür werde man keine Anstrengungen scheuen und die Fehler aus den 90er Jahren korrigieren, heißt es da.

Die Südkaukasusrepublik Georgien habe es seinerzeit zu Russland gezogen, weil sie verstanden habe, dass der große Nachbar der einzige Verbündete in einer „feindlichen muslimischen Umgebung“ sei. Jetzt wiederhole sich die Situation. Nord- und Südossetien, Abchasien und Georgien könnten sich nur als ein Staat mit Russland vereinigen, propagiert Medwedew, was eine vornehme Umschreibung für eine Annexion Georgiens ist.

Von der Realität sind solche Gedankenspiele jedoch meilenweit entfernt. Georgien, durch den Krieg gegen Russland um die Region Südossetien 2008 nachhaltig traumatisiert, ist trotz einiger Rückschläge auf Westkurs. Erst vor einigen Wochen waren Tausende in Tiflis für Europa auf die Straße gegangen, nachdem Brüssel Georgien nicht den erhofften EU-Kandidatenstatus zuerkannt hatte.

Faktische Besatzung

Auch in Abchasien, der zweiten von Georgien abtrünnigen und international nicht anerkannten Region, regt sich Widerstand gegen die faktische Besetzung Russlands. Es geht um ein 301 Hektar großes Gebiet, das kürzlich an Russland übertragen wurde.

Über Kasachstan hat Medwedew ebenfalls Bedeutendes zu sagen. Die zentralasiatische Republik sei ein „künstlicher Staat“. Solange die Russen dort nicht hingingen, werde es keine Ordnung geben. Dabei waren sie erst am vergangenen Januar da und zwar auf Bitten des kasachischen Präsidenten Kassim-Schomart Tokajew. Der hatte um Entsendung von Truppen des von Moskau angeführten Militärbündnisses „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ (OVKS) gebeten, um Massendemonstrationen niederschlagen zu lassen.

Dennoch hält sich Tokajews Dankbarkeit in Grenzen. Mitte Juni bezeichnete er im Beisein von Russlands Präsidenten Wladimir Putin die sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine als „Quasistaaten“, die Kasachstan nicht anerkennen werde.

Man sollte Medwedew nicht als Spinner abtun, der nicht weiß, wovon er redet. Bei vielen Ge­or­gie­r*in­nen – 20 Prozent des Landes sind de facto von Russland besetzt – geht seit Beginn des Krieges die Angst vor einer russischen Invasion um. Übrigens: Besagten Post vom Montag hat Medwedew mittlerweile gelöscht.

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