Paragraf 218 im Rechtsausschuss: CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Die CDU will eine Abstimmung über die Liberalisierung des Abtreibungsrechts verhindern. Sie ist dabei auf Stimmen von FDP und AfD angewiesen.
Ein Gesetzentwurf von 328 Abgeordneten aus SPD, Grünen und Linken sieht eine Legalisierung von frühen Schwangerschaftsabbrüchen vor. Im Bundestag ist eine Mehrheit möglich. Doch zunächst wurde der Antrag in den Rechtsausschuss verwiesen. Wird er je wieder ins Plenum zurückkommen?
Der Gruppenantrag sieht vor, dass Paragraf 218 im Strafgesetzbuch entschärft wird. Schwangerschaftsabbrüche sollen künftig rechtmäßig sein, wenn sie in den ersten zwölf Wochen nach einer Pflichtberatung durchgeführt werden. Bisher gelten sie als rechtswidrig, aber straflos. Bei rechtmäßigen Abtreibungen könnte die Krankenkasse künftig die Kosten übernehmen. Außerdem besteht die Hoffnung, dass sich mehr Arztpraxen und Krankenhäuser bereit erklären, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.
Am Donnerstag letzter Woche fand im Bundestag die erste Beratung des Gesetzentwurfs statt. Danach wurde er wie üblich in die Ausschüsse überwiesen. Federführend ist der Rechtsausschuss. Die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf müsste dann wieder im Plenum des Bundestags stattfinden.
Eine Mehrheit im Plenum ist gut möglich. SPD, Grüne, Linke und SSW haben gemeinsam 353 Sitze. Es ist also denkbar, dass neben den 328 Unterzeichner:innen noch mehr Stimmen aus diesem Lager kommen. Die zehn Abgeordneten der BSW-Gruppe wollen ebenfalls zustimmen, obwohl sie nicht unterzeichnen durften. Mindestens 15 FDP-Abgeordnete sind zwar für den Antrag, wollen darüber aber erst nach der Wahl abstimmen (wenn sie dem Bundestag voraussichtlich nicht mehr angehören). Sie stehen aber unter massivem Druck von Jungen Liberalen und FDP-Frauen, die eine sofortige Zustimmung fordern.
CDU will Abstimmung verhindern
Damit der 218-Gesetzentwurf beschlossen wird, genügt eine einfache Mehrheit im Bundestag. Es muss also nicht die absolute Mehrheit – 367 Abgeordnete – zustimmen. Vielmehr reicht es aus, dass es mehr Ja- als Nein-Stimmen gibt. Jede FDP- oder Unions-Abgeordnete, die sich enthält oder der Abstimmung fernbleibt, erhöht die Chancen auf die Annahme des Gesetzentwurfs.
Die CDU/CSU will daher verhindern, dass es zu einer Abstimmung im Plenum des Bundestags kommt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, stellte bereits offensiv infrage, ob der Antrag „jemals wieder aus dem Ausschuss rauskommt.“ Auch die Initiator:innen fürchten, dass der Antrag im Rechtsausschuss „versenkt“ wird. „Keine Schlussabstimmung ist auch eine Entscheidung – für den Status Quo“, warnt der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg.
Vorsitzende des Rechtsausschusses ist die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker. Sie kann eine Abstimmung im Ausschuss aber nicht verhindern. Wenn eine Fraktion die Rücküberweisung des Gesetzentwurfs ins Plenum beantragt, muss sie den Antrag auf die Tagesordnung nehmen.
Die CDU/CSU könnte dann aber beantragen, die Überweisungs-Abstimmung zu vertagen. Unter den 39 Mitgliedern des Rechtsausschusses sind die 19 Mitglieder von SPD, Grünen und Linken für den Gesetzentwurf. Die CDU/CSU hat im Rechtsausschuss 11 Abgeordnete. Um die Abstimmung im Ausschuss zu verhindern, ist sie also auf die vollzählige Unterstützung ihres Antrags durch FDP (fünf Stimmen) und AfD (vier Stimmen) angewiesen. Wenn nur eine FDP-Abgeordnete sich enthält, ist der Vertagungsantrag abgelehnt. Damit die Rücküberweisung beschlossen wird, müssten sich zwei FDP-Abgeordnete enthalten.
Abstimmung im Ausschuss?
Die SPD-Frau Carmen Wegge weist darauf hin, dass es bei fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen zu ethischen Fragen – etwa zur Suizidhilfe oder zur Impfpflicht – normalerweise gar keine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gibt. „Solche Gruppenanträge werden nach einer Sachverständigen-Anhörung im Ausschuss einfach wieder ins Plenum zurücküberwiesen“, argumentiert Wegge. Dieses Verfahren ist allerdings nur eine parlamentarische Gepflogenheit und nicht rechtlich verbindlich.
Auch die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts dürfte nicht in Betracht kommen. 2017 entschied Karlsruhe, dass es eine politische Frage sei, wann ein Antrag abstimmungsreif ist, dies entscheide der Bundestag. Es gebe keine Pflicht, über alle vorliegenden Gesetzentwürfe innerhalb einer Wahlperiode zu entscheiden. Damals ging es um Gesetzentwürfe zur „Ehe für alle“, die mehrere Jahre nicht aus dem Ausschuss herauskamen, weil die (in dieser Frage uneinige) große Koalition eine Abstimmung im Plenum verhindern wollte.
Sollte der 218-Gesetzentwurf ins Plenum zurücküberwiesen werden, müsste er noch auf die Tagesordnung gesetzt werden. Diese wird im Ältestenrat des Bundestags vorbereitet. Normalerweise schlagen die Fraktionen Themen vor, die ihnen wichtig sind und die anderen Fraktionen akzeptieren dies. Im Streitfall müsste jedoch im Plenum des Bundestags über die Tagesordnung abgestimmt werden.
Bei der Abstimmung über die Bundestags-Tagesordnung entscheidet eine einfache Mehrheit. Wenn es im Plenum also eine Mehrheit für die Liberalisierung des Abtreibungsrechts gibt, dann dürfte diese Mehrheit auch das Thema auf die Tagesordnung setzen. Es kommt also auch hier darauf an, dass sich einige FDP-Abgeordnete zumindest enthalten.
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