Notorischer Holocaustleugner: Horst Mahler kommt frei
Zehn Jahre saß der Rechtsextreme im Gefängnis, nun wird er aus der Haft entlassen. Die Behörden aber wollen dem 84-Jährigen strenge Auflagen erteilen.
Den Termin teilte Mahler seinen Unterstützer*innen in einem aktuellen Schreiben mit. „So nah ist also der Tag, an dem ich meinen Haftraum hier verlassen werde“, schreibt er. Die JVA Brandenburg bestätigte der taz den Termin. Gestritten wird indes noch über Führungsauflagen, die Mahler erhalten soll, wenn er wieder in Freiheit ist – denn der Rechtsextremist ließ in der Haft keinen Verdacht aufkommen, geläutert zu sein.
Noch in den Siebzigern ging der Anwalt mit der RAF in den Untergrund, wurde festgenommen und zu einer 14-jährigen Haftstrafe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Bankraubs verurteilt. Nach seiner Entlassung begann Mahlers Weg in den Rechtsextremismus, der ihm eine ganze Reihe an Verurteilungen einbrachte: Immer wieder leugnete er den Holocaust, zeigte einen Hitlergruß oder begrüßte den Journalisten und ehemaligen Vize-Vorsitzenden des Zentralrats der Juden Michel Friedman mit „Heil Hitler“. Am Ende summierte sich eine Haftstrafe von zehn Jahren und zwei Monaten, die Mahler seit 2009 in der JVA Brandenburg absitzt. Zuvor wohnte er nicht weit entfernt, in Kleinmachnow bei Berlin.
Aber auch in Haft veröffentlichte Mahler antisemitische Traktate, die ihm neue Anklagen einhandelten. Eine vorzeitige Haftentlassung schied deshalb aus. 2015 aber erhielt Mahler einen Strafausstand wegen Haftunfähigkeit: Aufgrund einer Diabetes-Erkrankung und Wundentzündung musste ihm ein Unterschenkel amputiert werden. Als Mahler seine Tiraden fortsetzte, sollte er 2017 wieder in Haft, setzte sich aber nach Ungarn ab – um dort 27 Tage später festgenommen und wieder inhaftiert zu werden.
Das LKA will mitlesen
Nun hat Mahler seine Strafe komplett abgesessen. Die Justiz aber vertraut dem 84-Jährigen weiter nicht. So pocht die wegen der letzten Verurteilung zuständige Staatsanwaltschaft München auf eine fünfjährige Führungsaufsicht für Mahler. Die Behörde äußert sich dazu nicht, aber dies geht aus einer Verfügung hervor, die der taz vorliegt. Mahler müsse sich demnach spätestens drei Tage nach Haftentlassung bei einem Bewährungshelfer melden, diesen mindestens einmal im Quartal treffen.
Einschneidender noch: Ihm sei „die Veröffentlichung von Text- und Sprachbeiträgen im Internet oder in sonstigen Medien verboten“ – es sei denn, er lege seine Beiträge eine Woche vor Erscheinen dem Staatsschutz beim LKA Brandenburg vor, unter Nennung des Erscheinungsortes. Auf seiner bis heute bestehenden Website seien ihm Veröffentlichungen dagegen gänzlich zu verbieten.
Für die Staatsanwaltschaft ist das Ziel, „den Verurteilten an der Verbreitung von Texten zu hindern, die den Tatbestand strafbarer Äußerungsdelikte erfüllen“. Denn, so die Verfügung: „Der Verurteilte hat sich durch die verhängten Strafen nicht beeindrucken lassen.“ Es bestehe „die konkrete Gefahr“, dass Mahler weiter „antisemitisches Gedankengut verbreiten wird“. „Zahlreiche“ seiner jüngsten Texte erfüllen den Tatbestand der Volksverhetzung.
Mahler weist dies in seinem Schreiben als „verleumderische Falschbehauptung“ zurück – und reagiert erneut mit antisemitischen Ausfällen. Es bestehe eine „jüdische Fremdherrschaft über das deutsche Volk“, ätzt er. „Deutschwillige Deutsche“ wie er seien „im jüdischen Machtbereich vogelfrei“.
Null Kooperationsbereitschaft
Die Staatsanwaltschaft hält die Weisungen dagegen für „verfassungsgemäß“: Es bestehe ja „kein allgemeines Publikationsverbot“, die Meinungsfreiheit sei weiter gewahrt. Und die Textvorlagen beim LKA seien eine „reine Anzeigepflicht“, um Straftaten zu verhindern, keine inhaltliche staatliche Kontrolle.
Nun muss das Landgericht Potsdam über die Auflagen entscheiden. Laut einer Sprecherin wurde dazu ein nichtöffentlicher Anhörungstermin am 8. Oktober anberaumt. Auch der steht allerdings auf der Kippe – weil sich Mahler bisher weigert, daran teilzunehmen. Bereits in der Haft war er laut Justizunterlagen ein Einzelgänger, verweigerte eine „Mitarbeit am Vollzugsziel“. Eine Zusammenarbeit mit Sozialarbeiter*innen lehnte er gänzlich ab.
In seiner Szene dürfte Mahler jedoch wieder Anschluss finden. Unterstützer*innen hielten seine Webseite aufrecht und schickten ihm Briefe in die JVA, es gab Kundgebungen für seine Freilassung. Auch wenn es zuletzt stiller um ihn geworden war, behalten die Sicherheitsbehörden Mahlers Haftentlassung im Blick. Die JVA Brandenburg teilte indes mit, Erkenntnisse „über etwaige Aktionen“ anlässlich der Entlassung lägen derzeit nicht vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl