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Neues Gesetz zum ZuzugEinwanderung ist normal

Dinah Riese
Kommentar von Dinah Riese

Die Ampelkoalition hat sich endlich durchgerungen, Einwanderung als notwendige Tatsache zu begreifen. Nur die Union tut sich noch immer schwer damit.

Menschen in Berlin Foto: Dominik Burtzmann/laif

D eutschland bekommt ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Schon wieder und: endlich. Die Eckpunkte, welche das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat, waren lange überfällig. Und das, obwohl die Große Koalition – unter Federführung des gleichen Arbeitsministers wohlgemerkt – vor nicht einmal vier Jahren ein Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung beschlossen hat. Dieses aber war durchzogen vom Wunsch, Migration eigentlich abzuwehren, und somit zum Scheitern verurteilt. Die Ampel will diese Fehler nun beheben.

2019 hatte die Union zähneknirschend anerkannt, dass dem sich verschärfenden Fachkräftemangel ohne Migration nicht beizukommen ist. Deutschland als Einwanderungsland zu akzeptieren, das ging den Konservativen aber offenbar zu weit. So entstand ein Gesetz, das nicht nur zu kurz griff, sondern in sich auch widersprüchlich war.

Da ist zum einen das geradezu sture Beharren darauf, dass nur herkommen darf, wessen ausländischer Abschluss als einer deutschen Qualifikation „gleichwertig“ anerkannt wird – obwohl das deutsche duale Ausbildungssystem ziemlich einmalig ist. Auch gibt es im bestehenden Gesetz zwar Wege, zu Ausbildungszwecken oder zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen. Diese Regelungen sehen aber derart viele Hürden vor, dass man sie getrost ignorieren kann.

Die Ampelkoalition will nun nachbessern. Qualifikation bleibt wichtig. Aber neben beglaubigten Urkunden soll künftig auch eine Rolle spielen, welche Erfahrungen und Potenziale Menschen mitbringen. Und wer zum Arbeiten kommt, soll auch schneller in der Gesellschaft ankommen können.

Deutschland ist bei Weitem nicht das einzige Land in Europa oder gar weltweit, das dringend Arbeitskräfte braucht. Andere Länder haben verstanden, dass sie um diese Menschen werben müssen, statt sie Klinken putzen zu lassen. Deutsche Migrationspolitik hingegen war jahrelang geprägt von der Vorstellung, mindestens die halbe Welt warte sehnsüchtig darauf, gnädig eingelassen zu werden.

Wie sehr die Union immer noch dieser aus der Zeit gefallenen Vorstellung anhängt, zeigt ihre aktuelle Kritik an den geplanten Reformen im Bereich der Arbeitsmigration, aber auch im Staatsangehörigkeitsrecht.

Einer Arbeitserlaubnis für Deutschland oder gar einer Einbürgerung für würdig befunden zu werden scheint für die Konservativen fast gleichbedeutend mit einem Bundesverdienstkreuz. Die deutsche Wirtschaft und auch die Gesellschaft im Ganzen aber brauchen ein Land, das Einwanderung weder als Bedrohung begreift noch als reine Notwendigkeit – sondern als Normalität.

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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22 Kommentare

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  • Migration war immer normal. Leider erzählen uns Nationalist_innen und Nationalstaaten seit 150 Jahre das Gegenteil. Dieses Narrativ muss aufhören.

    • @VivaHamburgo:

      Einwanderung wird seit mindestens zweitausend Jahren "staatlich" kontrolliert. Wenn nicht, nennt man das Eroberung.



      Vor 200 Jahren hätten sie ohne Genehmigung innerhalb Europas keinen Umzug machen dürfen.



      Nationalstaaten haben damit wenig zu tun, sie haben die Mobilität sogar erhöht.

      Versuchen Sie mal in 90% der Länder dieser Welt einzuwandern...

  • "offenbar" & "scheint"

    Offenbar scheint das mit der Kritik der Union nicht so einfach zu sein. Dann hätte der Artikel die Kritik auch rezipiert und sich nicht in nebulöser Berrichterstattung verloren, in der die eigene gefühlte Position zur Union im Mittelpunkt der journalistischen Arbeit steht.

  • Wir schaffen es momentan nicht, unqualifizierte Analphabeten in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dafür sind die Kompetenzen für Aus- und Weiterbildung leider zu dünn. Gleichzeitig muss die noch immer recht gute Ausbildung für Handwerker (dual oder im Betrieb) in Deutschland gesichert werden. Viele Standortvorteile hat dieses Land ja nicht mehr. Deshalb bleibt es im Sinne der Autorin wichtig, Qualifikation als vorrangige Einbürgerungsqualifikation zu sichern. Hat die Regierung sich größtenteils wohl auch auf ihre Fahnen geschrieben. Merci.

  • ... wenn die Notwendigkeit von sehr viel Zuwanderung ausschliesslich mit dem Aufrechterhalten bzw. der Steigerung der (deutschen) Wirtschaftsleistung begründet wird, ist das eben auch nur eine neue Seite der Medaille der Ideologie des ewigen Wachstums.

    Total ausgeblendet wird, dass ein Widerspruch besteht zwischen dem dringend notwendigen Ausbau der Energie- Wohnungs- Mobilitäts- Sozial- etc. Infrastruktur und dem Wunsch weiter Teile der Bevölkerung nach vorzeitigem Ruhestand und ggf. bedingungslosem Grundeinkommen. Die Arbeit sollen dann wohl die neu dazugekommenen Bürger machen.

    • @Newjoerg:

      Ich glaube mit der Ideologie des ewigen Wachstums haben Sie den entscheidenden Punkt angesprochen.



      Aber was folgt daraus?



      Wenn wir uns von dieser Ideologie verabschieden, müssen wir auch nicht mehr so viel arbeiten. Der ganze Konsumzirkus, der uns Produkte verschafft, die eigentlich niemand braucht, würde wegfallen.



      Haufenweise Bullshitjobs könnten einfach aufgegeben werden.

      Meines Wissens haben wir auch keinen generellen Wohnungsmangel - wir haben ihn nur in den Ballungsräumen bzw. Boomregionen. Und warum? Weil da die Leute wegen der Arbeitsplätze hinziehen wollen/müssen.

      Es ist natürlich schwer vorherzusagen, aber ich würde davon ausgehen, dass mit Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens sich die allgemeine Gesundheit wesentlich verbessert. Auch in dem Bereich werden wir voraussichtlich mit weniger Arbeit klarkommen. Außerdem dürfte der Sektor der unbezahlten Arbeit sich ausdehnen, d.h. die Leute machen die Arbeit, die gemacht werden muss, aus intrinsischer Motivation bzw. Einsicht in das Notwendige.

      Ich sehe mithin diesen Widerspruch, von dem Sie schreiben, nicht. Und ich bin nicht gegen Migration an sich, aber gegen das gezielte Anwerben leicht ausbeutbarer Arbeitsmigranten, die dann in ihren Heimatländern fehlen.

  • Hilfe kommt!



    "Die Ampelkoalition hat sich endlich dazu durchgerungen, Einwanderung als notwendige Tatsache zu begreifen"



    Das ist eine sehr interessante Information. Wie alt ist das Zitat?



    Die Ampel gibt es fast ein Jahr und die Maßnahme war schon Teil des Koalitionsvertrags .



    Klar, könnte man/frau mal wieder meckern: zu spät! Zu langsam!



    Wer allerdings der Meinung ist, Corona, Krieg und Energiekrise hätte vielleicht doch ein wenig die Planungen durcheinander gebracht, kann sich damit trösten, dass die Initiative noch im ersten Jahr erfolgt.



    Wie beschrieben ist das neue Konstrukt des gleichen Arbeitsministers, vom Bremsklotz CDU befreit, etwas BewerberInnenfreundlicher.

  • Ich bin gespannt, wie sich das entwickeln wird. Meine lebenslangen schlechten Erfahrungen sagen, die Union hat bei diesem Thema die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, aber ich lasse mich gerne überaschen. Auf jeden Fall geht diese Reform in die richtige Richtung, & das ist zumindest eine gute Nachricht.

  • Ja, Deutschland braucht Einwanderung, dieses bloße Faktum ist wohl weitgehend unstrittig. Entscheidend ist jedoch, WER einwandert und auf WELCHE WEISE.

    • @Stefan Schaaf:

      Soll das heißen, das unter den Einwanderern, die hier arbeiten wollen, statistisch mehr Arschlöcher zu finden sind als unter Deutschen und das drei weitere Wartejahre die Arschlöcher irgendwie herausfiltern? Das ist doch Unsinn.

      Und glauben Sie ernsthaft, dass die teilweise offen rassistischen Einwürfe von so offensichtlich korrupten Figuren wie Lindner und Merz (leider beide deutsch) überhaupt das Ziel haben, "bessere" Einwanderer zu bekommen?

      Beide wollen doch nur für ihre Klientel den Eindruck erwecken, Einwanderung erschweren (!) zu wollen. Das Wohl Deutschlands ist beiden doch völlig Wumpe.

      • 6G
        652797 (Profil gelöscht)
        @Sonntagssegler:

        Ich weiß zwar nicht wo Sie hier etwas mit Arschlöchern rauslesen aber gut.



        Wer soll einwandern? Fachkräfte. Wie? Legal, einfach frei Schnauze durch Europa in sein Wunschland zu ziehen ist illegal. Die Rassimuskeule für Merz und Lindner ist auch ausgelutscht. Jeder der nicht mit wehenden Fahnen (aber bitte keine Deutschlandfahnen) zustimmt jeden Flüchtling oder Migranten aufzunehmen ist doch heutzutage im rechten Sumpf beheimatet.

    • @Stefan Schaaf:

      Leuchtet mir ehrlich gesagt nicht ein. Warum müssen immer möglichst viele Dinge in Deutschland produziert und dafür die besonders leistungsfähigen und qualifizierten Leute aus dem Ausland abgeworben werden?

      Ist das irgendwie fair oder "links" oder was?



      Wäre es nicht irgendwie netter und ökologischer, wenn wir auf diese Art von Wirtschaften verzichteten und statt dessen anstrebten, dass wirtschaftliche Entwicklung in allen Ländern dieser Erde stattfinden kann?

      Und andererseits die Leute, die hier leben, so behandelten, dass sie sich ökonomisch einbringen können: Mit Bedingungslosem Grundeinkommen für alle, einem Bildungssystem, das möglichst keine Verlierer produziert, einer Verschiebung der Steuer- und Abgabenlast von der Arbeit auf den Umweltverbrauch u.a.?

      • @Eric Manneschmidt:

        Ich finde es auch sehr problematisch, wenn ein entwickeltes Industrieland wie Deutschland Fachkräfte aus Schwellen und -Entwicklungsländern abwirbt. Ich denke, gerade in diesen Ländern werden die leistungsfähigen Kräfte gebraucht. Es sollte vor allem darum gehen, in diesen Ländern Arbeitsplätze zu schaffen. Auf der anderen Seite gibt es diese Arbeitsplätze oftmals einfach noch nicht. In Deutschland können diese Menschen immerhin Geld verdienen, von dem dann oftmals ein Teil in die Ursprungsländer geschickt wird. Viele Länder sind auf diese Gelder angewiesen.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Sicher ist Einwanderung normal.



    Das bestreitet ausser den Cparteien niemand.



    Es sind aber 2.9 Millionen Menschen ins Land gekommen und selbst diese können wir nicht richtig unterbringen. In bezahlte Arbeit anscheinend auch nicht.



    Deshalb wäre es wünschenswert einen Schritt nach dem nächsten zu gehen oder?

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Ich kenne eine Menge Migranten. Die weitaus meisten nehmen jeden Kackjob an um keine Sozialtransfers beantragen zu müssen. Wenn sie den dürfen. Viele warten ziemlich lange auf eine Arbeitserlaubnis. Basteln sie hier nicht aus den Fehlern der Regierung ihre Vorurteile zusammen.

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Das Einwanderung nicht normal sei ist der Narrativ von Populisten, das diese gerne auch der CDU unterjubeln.

      Und. Es heißt Fachkräfteeinwanderungsgesetz, nicht Flüchtlingsaufnahme. Das sind zwei völlig verschieden Schuhe.

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Also ein Großteil arbeitet schon. Wie kommen sie eigentlich darauf dass die alle faul rumliegen.

      • @wirklich?:

        Das stimmt nicht. 2/3 bis 3/4 der immigrierten Syrern lebt immer noch von H4. Und Wohnungsnot an allen Ecken und Enden.

      • 0G
        06455 (Profil gelöscht)
        @wirklich?:

        Habe ich das behauptet?



        Sind wohl ihre eigenen Gedanken.



        Es ging mir darum erst einmal diesen Menschen eine lebenswerte Perspektive zu verschaffen. Sie in gut bezahlte Jobs zu bringen und in anständige Wohnungsmöglichkeiten.



        Ist Aufgabe der Politik und der Arbeitgeber.



        Mehr Freundlichkeit wünsche ich Ihnen!

    • @06455 (Profil gelöscht):

      In bezahlte Arbeit nicht, weil wir die Einwanderer ja künstlich vom Arbeitsmarkt fernhalten.



      Damit es nicht heisst, die Einwanderer nämen den Deutschen die Arbeitsplätze weg.

      • @Bolzkopf:

        Da werden Flüchtlinge mit Einwanderern verwechselt.



        Flüchtlinge werden größtenteils wieder das Land verlassen, wenn der Fluchtgrund weg ist.

        • 0G
          06455 (Profil gelöscht)
          @WeisNich:

          Die hier lebenden Syrer/innen sind seit 7 Jahren in D. Es sieht nicht danach aus, dass sich die Situation dort ändert.



          Sie werden noch sehr lange hier bleiben. Diese Menschen brauchen eine Zukunft.