Neues Gesetz zum Zuzug: Einwanderung ist normal
Die Ampelkoalition hat sich endlich durchgerungen, Einwanderung als notwendige Tatsache zu begreifen. Nur die Union tut sich noch immer schwer damit.
D eutschland bekommt ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Schon wieder und: endlich. Die Eckpunkte, welche das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat, waren lange überfällig. Und das, obwohl die Große Koalition – unter Federführung des gleichen Arbeitsministers wohlgemerkt – vor nicht einmal vier Jahren ein Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung beschlossen hat. Dieses aber war durchzogen vom Wunsch, Migration eigentlich abzuwehren, und somit zum Scheitern verurteilt. Die Ampel will diese Fehler nun beheben.
2019 hatte die Union zähneknirschend anerkannt, dass dem sich verschärfenden Fachkräftemangel ohne Migration nicht beizukommen ist. Deutschland als Einwanderungsland zu akzeptieren, das ging den Konservativen aber offenbar zu weit. So entstand ein Gesetz, das nicht nur zu kurz griff, sondern in sich auch widersprüchlich war.
Da ist zum einen das geradezu sture Beharren darauf, dass nur herkommen darf, wessen ausländischer Abschluss als einer deutschen Qualifikation „gleichwertig“ anerkannt wird – obwohl das deutsche duale Ausbildungssystem ziemlich einmalig ist. Auch gibt es im bestehenden Gesetz zwar Wege, zu Ausbildungszwecken oder zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen. Diese Regelungen sehen aber derart viele Hürden vor, dass man sie getrost ignorieren kann.
Die Ampelkoalition will nun nachbessern. Qualifikation bleibt wichtig. Aber neben beglaubigten Urkunden soll künftig auch eine Rolle spielen, welche Erfahrungen und Potenziale Menschen mitbringen. Und wer zum Arbeiten kommt, soll auch schneller in der Gesellschaft ankommen können.
Deutschland ist bei Weitem nicht das einzige Land in Europa oder gar weltweit, das dringend Arbeitskräfte braucht. Andere Länder haben verstanden, dass sie um diese Menschen werben müssen, statt sie Klinken putzen zu lassen. Deutsche Migrationspolitik hingegen war jahrelang geprägt von der Vorstellung, mindestens die halbe Welt warte sehnsüchtig darauf, gnädig eingelassen zu werden.
Wie sehr die Union immer noch dieser aus der Zeit gefallenen Vorstellung anhängt, zeigt ihre aktuelle Kritik an den geplanten Reformen im Bereich der Arbeitsmigration, aber auch im Staatsangehörigkeitsrecht.
Einer Arbeitserlaubnis für Deutschland oder gar einer Einbürgerung für würdig befunden zu werden scheint für die Konservativen fast gleichbedeutend mit einem Bundesverdienstkreuz. Die deutsche Wirtschaft und auch die Gesellschaft im Ganzen aber brauchen ein Land, das Einwanderung weder als Bedrohung begreift noch als reine Notwendigkeit – sondern als Normalität.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!