Mietmarkt in Deutschland: Kommt jetzt die Wende?
Der Wohnungsmarkt ist leer gefegt. Auch, weil die Politik lange geschlafen hat. Die SPD hat nun einen möglichen Ausweg präsentiert: Profitbeschränkung.
S amstagabend, es ist schon spät, und ich bin etwas angetrunken, wahrscheinlich aus Verzweiflung. Berlin ist durch, sagt ein Freund trocken. Ich nehme gleich noch einen Schluck. Wir sprechen über meine Wohnungssuche, über den Berliner Mietmarkt.
Leider gehört die Wohnungssuche seit über einem Jahr zu meiner Freizeitbeschäftigung. Unfreiwillig. Wenn eine Hausverwalterin mich zu einer Besichtigung einlädt, dann versetzt und später ghostet; wenn eine Hausverwaltung mir unfreundliche E-Mails schickt, in denen mir erklärt wird, wie ich meine Anfrage zu formulieren habe; wenn ich mich mit 100 anderen Bewerber:innen durch den verschimmelten Flur einer muffig riechenden Altbauwohnung quetsche, dann frage ich mich jedes Mal, wie Vermieter:innen, Eigentümer:innen, Unternehmen es übers Herz bringen, so mit Menschen umzugehen, die lediglich versuchen, einem Grundbedürfnis nachzukommen.
Der Staat hat sich aus der Wohnungsversorgung zurückgezogen. Den Markt hat er die letzten Jahrzehnte damit Anbietern überlassen, die renditeorientiert sind. Die durchschnittliche Miete ist unter anderem deshalb für Bestandsmietverträge konsequent gestiegen. Blöd nur, wenn das Einkommen der Mieter:innen parallel dazu viel langsamer steigt. Und jetzt auch noch Inflation! Heute bringt es kaum mehr etwas, sich mit jemandem zusammenzutun und zum Beispiel mit Partner:in nach einer gemeinsamen Wohnung zu suchen. Ich spreche aus Erfahrung.
Dass Berlin durch sei, trage ich dann noch ein paar Tage mit mir rum. Wenn Berlin durch ist und Brandenburg auch schon überfüllt mit Hauptstädtern ist, wo soll ich dann noch wohnen? In meiner Hysterie stoße ich auf einen Gastbeitrag der SPD-Politiker:innen Verena Hubertz und Kevin Kühnert. Die Lösung des Problems soll nun die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit bringen. Die wurde 1990 abgeschafft, danach ging's bergab. Massenhafte Verkäufe von Wohnungsunternehmen waren das Ergebnis. Hunderttausende Wohnungen wurden privatisiert, und die Bestände landeten bei Privateigentümern wie Deutschlands größtem: Vonovia.
Der SPD-Vorschlag sieht nun vor, Investoren und Unternehmen dazu zu animieren, günstigen Wohnraum zu bauen. Im Gegenzug bekommen sie vom Staat Vergünstigungen. Die soziale Wohnungsfrage soll also mit Steuergeschenken an profitorientierte Investoren nachhaltig gelöst werden. Langfristig soll damit bezahlbarer Wohnraum gefördert werden. Die zur Verfügung gestellten Wohnungen könnten dann beispielsweise „mindestens 10 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet“ und denen angeboten werden, die es auf dem Markt sonst schwer haben: „Familien, Alleinerziehende, Studierende, Rentnerinnen und Rentner.“ Und taz-Redakteurinnen.
Ist das jetzt die Wende? Muss ich schon applaudieren, weil ich in fünf oder zehn Jahren vielleicht endlich vernünftig wohnen kann? Ich bleibe skeptisch. Schließlich ist auch der Boden ein Preistreiber, Baumaterial ist gerade knapp, was ebenfalls die Preise nach oben treibt, und seit der Pandemie fehlt es an Handwerkern und Bauarbeitern. Die Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit bleibt dennoch das bevorzugte Prinzip, das Mietervereine und Expert:innen seit Jahren fordern, um für Entspannung in die Wohnungskrise zu sorgen.
Gemeinnützigkeit bedeutet Profitbeschränkung. Das ist eine klare Fokussierung auf das, worum es gehen sollte: den sozialen Versorgungsauftrag. Die Frage ist, wie viele Unternehmen sich davon überzeugen lassen werden. Und ob die Angebote des Staats reichen, um sie zu locken. Denn Profitbeschränkung widerspricht nicht nur ihrer Philosophie. Es passt auch so gar nicht ins kapitalistische Portfolio.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt