Mietendeckel und Wohnungsmarkt: Wer macht jetzt den Deckel drauf?!
Der Berliner Mietendeckel ist gekippt, aber es gibt noch andere Ideen. Was planen die Parteien gegen den angespannten Wohnungsmarkt?
Besonders deutlich kann man die Preisentwicklung der letzten Dekade in Innenstädten mit Wohnraumknappheit sehen, wo spätestens seit Finanzkrise und Niedrigzinspolitik Investmentfonds und spekulative Wohnungsfirmen Immobilien als Anlageobjekte entdeckt haben.
Steigende Mieten finanzieren dabei dicke Dividenden von DAX-Unternehmen wie Vonovia oder Deutsche Wohnen. Über den Aktienmarkt und den privaten Sektor des Wohnungsmarkts findet eine systematische Umverteilung von unten nach oben statt – nicht selten getarnt hinter Briefkastenfirmen in Steueroasen.
Maßnahmen auf Bundesebene gegen diese Entwicklung griffen bislang nur unzureichend: Die Mietpreisbremse scherte Vermieter*innen wenig, Steuerschlupflöcher wurden nicht geschlossen. Umso bitterer war es für Mieter*innen, dass der Berliner Mietendeckel im April vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte.
Der Deckel scheiterte
Der Mietendeckel trat am 1. Januar 2020 in Kraft und sorgte nach einer ungebremsten Preisexplosion der vergangenen 15 Jahre für ein Aufatmen in Berlin. Vermieter*innen waren verpflichtet, die Mieten von 1,5 Millionen Wohnungen fünf Jahre lang einzufrieren, in einer zweiten Stufe mussten sogar zu hohe Mieten zur Erleichterung von 320.000 Haushalten gesenkt werden.
Bremse und Deckel
Die Mietpreisbremse trat 2015 in Kraft und legte fest, dass Mieterhöhung höchstens 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmieter liegen dürfen – allerdings gibt es viele Ausnahmen. Auch weil die Bremse unwirksam bleib, hat Berlin 2020 einen Mietendeckel beschlossen. Damit sollten die Mieten für 5 Jahre eingefroren und sehr hohe sogar auf festgelegte Obergrenzen abgesenkt werden. Der Deckel kippte vor dem Verfassungsgericht.
Wohnungsnot
Bei mehr als 1 Million Haushalten bleibt laut einer Studie nach Abzug der Miete weniger als das Existenzminimum übrig. Knapp die Hälfte der rund 8,4 Millionen Haushalte, die in Großstädten zur Miete wohnen, müssen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, rund ein Viertel sogar mindestens 40 Prozent, um ihre Bruttowarmmiete zu bezahlen. Am größten ist die Wohnungsnot in Berlin, Hamburg, München und Köln. Daten für die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie sind aus dem Mikrozensus 2018. (gjo)
Zwar gab es ungewollte Nebeneffekte – Vermieter*innen ließen etwa Wohnungen leer stehen und Wohnraum verknappte sich zunächst noch weiter. Dennoch schien es kurz so, als wenn sich Spekulation mit Wohnraum in Berlin nicht mehr lohnt und sich tatsächlich ein Gesetz in der Wohnungsfrage als durchschlagkräftig erwies.
Doch dann kam die CDU: Vor dem Bundesverfassungsgericht klagte die Union gegen den Mietendeckel und bekam aus formalen Gründen recht. Der nicht gerade als progressiv bekannte zweite Senat des Gerichts urteilte außergewöhnlich hart: Das Preisrecht im Wohnungswesen sei vom Bund abschließend geregelt worden, urteilten die Richter*innen.
Inhaltlich äußerten sie sich rein gar nicht zum Berliner Gesetz. Mittlerweile findet man in Berlin wieder Wohnungen zu Mondpreisen, ebenso mussten sehr viele Mieter*innen Nachzahlungen leisten.
Drei Forderungen
Allerdings ist das harsche Urteil noch nicht das Ende der Idee des Mietendeckels: In Berlin demonstrierten noch am Tag des Urteils mehr als zehntausend Menschen mit viel Wut im Bauch. Die zentrale Forderung der Mieter*innen: ein Mietendeckel auf Bundesebene. Und der gekippte Deckel sorgte auch anderswo für Verstimmungen: In Bayern schloss sich ein auf dem Rechtsweg gescheitertes Volksbegehren für einen Deckel nach dem Berliner Vorbild der Forderung an.
Inzwischen haben sich in einem bundesweiten Bündnis Gruppen aus ganz Deutschland vernetzt, um am 11. September, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, eine Großdemo auf die Straße zu bringen – und um zusammen mit dem Berliner Mietenwahnsinn-Bündnis, Aktivist*innen des Berliner Volksentscheids Deutsche Wohnen und Co. enteignen sowie Gewerkschaften und Verbänden einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungspolitik einzufordern.
Das Mietenstopp-Bündnis nennt drei zentrale Forderungen: Erstens sollen Mieten bundesweit für sechs Jahre eingefroren werden mit strikten Oberwerten bei Wiedervermietungen. Zweitens sollen nur fairen Vermieter*innen, wie etwa Genossenschaften oder solchen, die Wohnungen günstiger als für die Obergrenze anbieten, Mietsteigerungen von 2 Prozent jährlich erlaubt sein.
Als Oberwert definiert das Bündnis 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete. Drittens fordert Mietenstopp: „bauen, bauen, bauen“ – insbesondere soll der Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen forciert werden.
Mietenstopp – zumindest regional
Christian Kühn, Sprecher der Grünen für Bau- und Wohnungspolitik im Bundestag, will jedenfalls keinen bundesweiten Mietendeckel einführen: „Das Bundesverfassungsgericht hat formal geurteilt, nicht inhaltlich. Deswegen gibt es eine Unsicherheit, ob ein Deckel auf Bundesebene rechtlich möglich ist“, sagt er.
Auch um nicht erneut Zeit mit einem langwierigem Klageverfahren zu verlieren, plädieren die Grünen dafür, vorhandene Instrumente wie die Mietpreisbremse, Kappungsgrenzen und die Begrenzung von Modernisierungsumlagen zu schärfen. „Viele Instrumente funktionieren nicht, weil die Union in den vergangenen 16 Jahren das Mietrecht durchlöchert und blockiert hat“, so Kühn.
Immerhin wollen die Grünen den Bundesländern ermöglichen, „in angespannten Wohnungsmärkten“ einen Mietenstopp zu erlassen, wie Kühn sagt, wofür das Bundesrecht geöffnet werden müsste. Zumal man den Wohnungsmarkt nicht überall regeln müsse: „Die Lage ist in der Uckermark anders als in Berlin – man muss nur regulieren, wo der Markt explodiert.“
Technisch dürfte Letzteres recht leicht sein, wie etwa Rechtswissenschaftler sagen – man müsste lediglich in der Mietpreisbremse eine Formulierung zur Öffnung ergänzen.
Wenn dann nur ohne CDU
Klar ist: Der Mietendeckel hat deutlich bessere Chance, wenn die traditionell mit der Immo-Lobby verwachsene CDU/CSU nicht in der Regierung ist. Denn wie viel von Klauseln für Mietenstopps etwa in einer schwarz-grünen Koalition oder einem Jamaika-Bündnis übrig bliebe, ist vollkommen offen.
Wenig überraschend, lehnt die CDU dann auch auf taz-Anfrage sowohl Stopp als auch Deckel ab: Der CDU-Sprecher für Baupolitik, Jan-Marco Luczak, sagte er der taz: „Ein Mietenstopp ist am Ende ein verklausulierter Deckel. Wir dürfen aber die Regulierung nicht so weit treiben, dass niemand mehr investieren will.“
Selbstverständlich müsse man das Problem steigender Mieten angehen, deswegen brauche man „starke soziale Leitplanken“, wie Luczak sie in der vergangenen Legislatur mit der Mietpreisbremse umgesetzt haben will. Nachhaltig lösen ließe sich das Problem aber nur, wenn mehr, schneller und kostengünstiger gebaut werden könne, so Luczak.
Deshalb sieht der Kühn die meisten Schnittmengen mit der SPD: „Unsere mietenpolitischen Vorstellungen können wir leichter mit der SPD umsetzen. Wir werden aber in jeder Konstellation für unsere Forderungen kämpfen.“
Unstrittig mit rot-rot-grün
Tatsächlich ist die SPD-Position in weiten Teilen grünen-kompatibel: Laut dem wohnungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Bernhard Daldrup, wollen die Sozialdemokraten einen zeitlich befristeten Mietenstopp in der Mietpreisbremse verankern: Erhöhungen sollen dann in von den Ländern definierten Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten fünf Jahre lange nur um die Inflationsrate steigen.
Ebenso will die SPD die Mietpreisbremse verschärfen und entfristen. Unstrittig ist also, dass ein eher unwahrscheinliches rot-rot-grünes Bündnis einen Mietenstopp in den Koalitionsvertrag schreiben würde.
Die Linke will sogar am Liebsten einen festen Mietendeckel auf Bundesebene einführen, der zudem Mieten senken können soll: Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, sagt: „Ich fände es falsch, wenn es beim Deckel läuft wie bei der Mietpreisbremse, wo Länderregierungen die Umsetzungen noch verhindern können.“
In ihrem Bundesland Sachsen etwa würde „die CDU-Landesregierung niemals eine Mietpreisbremse aussprechen – in meinem Wahlkreis Bautzen braucht es die vielleicht auch nicht zwingend, aber in Leipzig wäre sie dennoch dringend nötig“, sagt Lay. Deswegen ist laut der Linken die beste Idee, dass der Bund ein Rahmengesetz macht, das vor Ort umgesetzt werden könne, so dass Kommunen über mögliche Deckelungshöhen entscheiden könnten.
Der kleinste gemeinsame Nenner
Orientierung soll der Berliner Deckel bieten: Mietobergrenzen definieren, Neuvertrags- und Bestandsmieten deckeln und zu hohe Mieten absenken. Ob man im Rahmen etwa einer rot-rot-grünen Koalition auch zu Zugeständnissen bereit wäre? Eine Öffnungsklausel für Länderrecht sei da wohl der „kleinste gemeinsame Nenner“, sagt Lay.
Ein genaues Konzept für einen Mietendeckel auf Bundesebene erarbeite man derzeit mit dem Stadtsoziologen Andrej Holm. Es soll am kommenden Dienstag vorgestellt werden.
Bis zur Bundestagswahl hofft Lay auch auf Schwung von der Straße: „Wichtig ist, dass Mieter*innen ihre Forderungen auf der bundesweiten Mietendemo am 11. September stellen. Ohne Druck von außen geht es nicht.“
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