Methoden der Klimaschutzverhinderer: Es ist Gegeneskalation
Junge WählerInnen haben offenbar Angst vor den Grünen. Dahinter steckt eine wirksame Kampagne, die den fossilen Status Quo aufrechterhalten will.
N ach Ablehnung, Häme und mehreren Unterformen von Hass sind wir nun also bei Angst angelangt. Eine seriös wirkende Studie ergab kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, dass Jungwählerinnen und Jungwähler tatsächlich Angst vor den Grünen hätten – zu 25 Prozent im Westen und zu satten 30 Prozent im Osten. Die Gefühlswerte setzten sich dann bei den Wahlen in nie gesehene AfD-Anteile in der Jung- und Erstwählerschaft um.
Angst vor den Grünen – dieser Partei, die seit dem Heizungsgesetz-Desaster wie ein erschrockenes Reh aus der Hecke schaut, und deren Hauptsorge es auch vorher schon war, jemand könnte denken, sie wolle ihm zu nahe treten: Ich war mittelmäßig fassungslos. Doch Vincent August, Soziologe und derzeit Gastprofessor an der Humboldt-Uni in Berlin, mag das nicht abwegig finden, sondern folgerichtig: „Es ist gelungen, die Gegenseite als Gefahr zu framen“, sagt er trocken. „Das ist ein Klassiker der Konfliktforschung.“
Framen – von Englisch frame für Rahmen – ist der Vorgang, wenn etwas sprachlich mit neuer Bedeutung aufgeladen wird. Vincent August forscht an „ökologischen Konflikten“, sprich daran, wie es kam, dass der Klimaschutz und alle, die sich darum bemühen, so ausdrücklich in Verschiss geraten konnten.
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Vergangenes Jahr nannten wir unsere taz-Serie über die Leute, die sich dem Klimaschutz in den Weg stellen, „Klimasabotage“. Damit waren wir nah dran am Forschungsfeld namens „climate obstruction“, von dem ich damals freilich noch nichts wusste: die Beschreibung der Klimaschutzverhinderer sowie ihrer Methoden. Während in den USA dabei klassische Klimaleugnung noch ganz gut funktioniert, setzen die einschlägigen Verdächtigen in Deutschland eher auf Verhinderung im kleinteilig-komplexen Raum, wo die Öffentlichkeit nicht mehr so präsent ist, erklärt August.
Effektive Erzählmuster
Für öffentlichkeitswirksame Kampagnen werden dann Erzählmuster genutzt, für die in deutschen Köpfen schon alles vorbereitet, der Boden bestellt ist: Planwirtschaft/Sozialismus, Terrorismus („Klima-RAF“) oder auch – beim erwähnten Heizungsgesetz im vergangenen Jahr – die klassische Sozialkritik: Jeder Immobilieneigentümer der Republik verwandelte sich plötzlich in die mittellose Ost-Rentnerin, die nur die bescheidene Laube ihr eigen nennt, in der sie sitzt.
„Gegeneskalation“ nennt August diese Rhetoriken und Mechaniken: Während die Klimakrise eskaliert und mit ihr die Forderungen von Wissenschaft und AktivistInnen lauter und dringlicher wurden, hat die fossile Front eben nicht geschlafen. „Gegeneskalation ist für weite Teile der Politik derzeit kostengünstiger als der Klimaschutz“, fasst August sein Argument zusammen. Oder anders: Klimaschutz ist für die Parteien anstrengender, als sich alte Anti-Grün-Spruchtäfelchen umzuhängen, die fast jeder wiedererkennt – und Wiedererkennung ist auch in der Politik immer schön.
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Um zu verstehen, was und wer da auf die Parteien einwirkt, reicht es mutmaßlich jedoch nicht, prominente fossile Akteure so oft wie möglich beim Namen zu nennen: die Gesamtmetall-Außenstelle INSM, den FDP-Abgeordneten Frank Schäffler und so weiter. Die Kampagneros und Kampagneras sitzen auch in den bundesdeutschen Großinstitutionen. Bei Gewerkschaften (looking at you, IG BCE) und Industrieverbänden bekennt man sich ganz oben gern zu was Gutem und Wahrem, lässt die Fachabteilung dann aber ihr Verhinderungswerk fortsetzen.
Und womöglich gehört zum Verständnis der Gegeneskalation auch eine tägliche Selbsterinnerung: Es ist offenkundig sehr leicht, Ressentiments gegen jede Änderung eines eingeübten Lebensstils zu schüren. Bis hin zur Angst.
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