Linke Verschwörungstheorie über Corona: „Im Labor entwickelt“

Der Hamburger Linken-Abgeordnete Mehmet Yildiz erkennt in der Pandemie den imperialistischen Westen am Werk. Genoss*innen distanzieren sich.

Das WOlrd Trade Center, zwei Hochhäuser in New York City, brennen am 11.9.2001

Selber schuld? Die seit 9-11 vom Zaun gebrochenen Kriege verliere der Westen, sagt Mehmet Yıldız Foto: Foto: Hubert Boesl/dpa

HAMBURG taz | Führt eine Spur von der Corona-Krise zu den brennenden Twin Towers in New York? Ist die Pandemie ein einseitig eingesetztes Mittel in einem nicht erklärten, weltweiten Krieg? Und: Kommt das Virus aus US-amerikanischen Militärlabors? Was klingt wie eine dieser arg überreizten Twitter-Diskussionen, hat jetzt der Hamburger Linken-­Abgeordnete Mehmet Yıldız geäußert – zum Ärger seiner Partei, die ja mit dem glücklosen Bürgerschaftskandidaten Tom Radtke gerade erst ein politisches Irrlicht zu managen hatte.

Mittwochnachmittag veröffentlichte das größtenteils türkischsprachige Nachrichtenportal „Avrupa Postası – Online-Nachrichtenmagazin für unabhängige demokratische Berichterstattung“ – auch auf Deutsch ein „Interview“ mit Yıldız, genauer: eine Reihe von Aussagen des 42-Jährigen, aber nicht auch die ihm möglicherweise gestellten Fragen.

Und was Yıldız da sagt, hat es in sich: Unter der Überschrift „Corona wurde in einem Labor hergestellt“ breitet er aus, dass die Corona-Pandemie „den Imperialisten“ dazu diene, „China aufzuhalten und den Klassenkampf von oben zu verschärfen“. Und mehr noch: „Der jetzige Ausbruch des Coronavirus“ werde „als eine moderne Kriegswaffe benutzt“.

Von wem genau, bleibt nicht lange unklar: Da sind „federführend die USA“ am Werk, wenn es nach dem 2008 erstmals ins Hamburger Parlament eingezogenen Yıldız geht. Die nämlich, wie auch ihre Mit-Imperialisten,­ hätten „überall verloren. Sie haben nicht nur die Kriege verloren, sie haben auch ihre Hegemonialstellung­ in der Weltwirtschaft und in der Politik verloren.“

Kein Zufall, das es China trifft?

Wem der Westen mit seinen Ideen da unterliegt, ist demnach vor allem China – wo ja auch das Virus zuerst auftrat.­ „Zu sagen, dass die Chinesen alles­ essen würden, was sie können und das Virus deshalb dort aufgetaucht ist, ist eine Schutzbehauptung“, schreibt Yıldız – und liefert eine alternative Erklärung: „14 Tage vor der Entdeckung des Ausbruchs des Coronavirus nahmen dreihundert­ US-Militärs an den Internationalen Militärspielen (Military Games), die im Oktober in Wuhan stattfanden, teil. Die Inkubationszeit des Corona­virus beträgt 14 Tage. Nicht nur führende chinesische Politiker_innen zweifeln daran, dass das ein Zufall ist.“

Zum ganzen Bild gehört allerdings: Verharmlosen will er die derzeitigen Ereignisse nicht, und das unterscheidet den renommierten Kinder- und Sportzuständigen seiner Fraktion von anderen, die sich in diesen Tagen mit „Alternativem“ zu Corona­ äußern: „Die Empfehlungen der Ärzte müssen befolgt werden“, auch damit lässt er sich zitieren. Aber mehr Herzenssache scheint eben das andere zu sein: „Es sollte nicht übersehen werden, dass das Coronavirus eine politische Seite hat. Corona ist der moderne Krieg der Imperialisten.“­

Aus der Fraktion war am Donnerstag zunächst eine gewisse Überraschung über den Vorgang zu vernehmen. In einer gemeinsamem Mitteilung distanzierten sich dann am Nachmittag die Fraktionsvorsitzende Sabine Boeddinghaus und Landessprecher David Stoop „ausdrücklich“ von den geäußerten „Ansichten“ des Genossen. „Wir alle brauchen einen kühlen Kopf und überlegtes Handeln“, heißt es weiter. „Wirre Theorien und durchsichtige Schuldzuweisungen helfen in dieser Situation absolut niemandem. Im Gegenteil, sie schüren Angst und behindern die Eindämmung und Bekämpfung der Pandemie.“

Yıldız, geboren in der Türkei „als jüngstes von sechs Kindern in einer türkisch-­kurdischen Arbeiter­familie“, lebt in Deutschland, seit er zwölf Jahre alt ist. 2008 zog er als Parteiloser­ auf der Liste der Linken in die Bürgerschaft ein. 2011 errang er ein Direktmandat in einem migrantisch­ geprägten Wahlkreis. Im Februar dieses Jahres gelang ihm das wieder.

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