Lindners Blockade des Rentenpakets: Regieren mit dysfunktionaler Partei

Die FDP agiert so, als befände sie sich auf einem Kreuzzug und nicht in einer parlamentarischen Demokratie.

Christian Lindner wirkt genervt

Trotzkopf Christian Lindner Foto: Christoph Hardt/Panama Pictures/imago

Christian Lindners Blockade des sogenannten Rentenpakets kommt erst einmal nur als weitere Umdrehung im Haushaltsstreit der Koalition daher. Kurzfassung: SPD und Grüne wollen Schuldenbremse aufweichen, FDP nicht, das Geld für den Haushalt 2025 fehlt, Lösung fehlt auch. Und weil der Finanzminister sauer ist, dass die anderen beiden Koalitionspartner ständig sagen, dass die Schuldenbremse jeder sinnhaften Politik im Wege stehe, wirft er jetzt halt die längst vereinbarten Beschlüsse zur Rente von der Tagesordnung des Kabinetts.

Jedem, der sich nun mit erschlafftem Interesse abwendet, seien seine Ermüdungserscheinungen gegönnt. Im Übrigen ist das Rentenpaket nicht wesentlich mehr als eine rhetorisch aufgeblasene Absicherung des Status quo. Niemand muss trauern, wenn diese Regelung erst mit ein paar Tagen Verzögerung durchs Kabinett geht, was derzeit absehbar zu sein scheint. Doch gibt es insgesamt gerade zu viele Gründe zur Sorge über den Zustand der demokratischen Politik, um Lindners Trotzkopfaktion mal eben so durchzufächeln.

So ist das Gebaren des Finanzministers als weiterer Hinweis darauf zu lesen, was alles schieflaufen kann, wenn man eine dysfunktionale Partei an der Regierung beteiligt. Die FDP ist seit Jahrzehnten nicht mehr als ein Verbund von LobbyistInnen, der sich einen guten Redner zum Parteichef wählt. Von Lindner als Parteichef hat sich die FDP nun in einer Weise abhängig gemacht, die seine Persönlichkeit sichtlich überfordert – so hochfahrend und aggressiv, wie er seit Monaten auftritt. Die paar Menschen mit FDP-Parteibuch, die ein ideelles Gesamtkonzept von Staat und Gesellschaft haben, ändern daran leider nichts.

Soll Lindner allein verfügen, was die Regierung ausgibt?

Daher aber rührt es auch, dass die FDP keinen Unterbau aus Fachleuten hat, die sich komplexen Problemen mit ausreichend Sachverstand nähern könnten, um satisfaktionsfähige Politikentwürfe zu stricken. Stattdessen werden Fahnen mit Parolen hochgehalten, als befände man sich auf einem Kreuzzug, nicht in einer parlamentarischen Demokratie unter beispiellosem geopolitischem Druck.

Natürlich wäre es richtig und begründbar, die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen. Und vermutlich müssten SPD und Grüne dafür auch nach eigenen, allzu lauten Verkündungen einlenken – Beispiel: „Keinerlei Einschnitte beim Sozialstaat.“ Das kann man dann schlecht und unnütz finden. Aber alles wäre besser, als ohne einen verabschiedeten Haushalt 2025 dem Finanzminister – was rechtlich dann die Folge wäre – die komplette Verfügungsgewalt darüber zu geben, was diese Regierung überhaupt noch ausgeben darf und was nicht.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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