Krieg in Nahost: Israelisches Parlament billigt UNRWA-Verbot
Damit werden die Aktivitäten des UNRWA „auf israelischem Territorium“ verboten, wohl auch im annektierten Ostjerusalem. Es hagelt internationale Kritik.
Das Gesetz sieht vor, „die Aktivitäten des UNRWA auf israelischem Territorium“ zu verbieten, einschließlich im 1967 von Israel besetzten Ostjerusalem. Das UNRWA verurteilte den Schritt als „empörend“. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), kritisierte das Verbot scharf.
Der Gesetzestext war bereits im Juli in erster Lesung verabschiedet worden. Am Montag wurde er den Knesset-Abgeordneten vor einer endgültigen Abstimmung zur Beratung vorgelegt. Er ist eine Kombination aus zwei verschiedenen Gesetzentwürfen, die sowohl von der Regierung als auch von der Opposition in die Knesset eingebracht wurden. Nach Angaben der Knesset treten sie 90 Tage nach ihrer Verabschiedung in Kraft.
Das UNRWA leistet seit 1949 wichtige Hilfe für palästinensische Flüchtlinge. Das Gesetz hindert das Hilfswerk nun effektiv daran, in Israel tätig zu sein. Zudem betrifft es dessen Tätigkeit in Ostjerusalem, wo das UNRWA derzeit in bestimmten Stadtvierteln Dienstleistungen wie Reinigung, Bildung und Gesundheitsversorgung erbringt.
Teil einer „Kampagne“, um das UNRWA zu „diskreditieren“.
Der Likud-Abgeordnete Juli Edelstein sagte vor der Abstimmung, es gebe „eine tiefe Verbindung zwischen der Terrororganisation Hamas und dem UNRWA“. „Israel kann das nicht hinnehmen“, sagte Edelstein, ein Befürworter des Gesetzestextes, bei dessen Vorlage im Parlament.
Israel steht dem für die Versorgung der Menschen im Gazastreifen wichtigen Hilfswerk seit Langem kritisch gegenüber. Seit dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen im Oktober 2023 sind die Beziehungen zwischen Israel und dem UNRWA auf einem neuen Tiefpunkt. Israel wirft mehreren UNRWA-Mitarbeitern eine Beteiligung an dem beispiellosen Überfall auf den Süden des Landes vor.
Das UNRWA verurteilte das Verbot mit scharfen Worten. Israel schaffe damit einen „gefährlichen Präzedenzfall“, erklärte der Leiter des Hilfswerks, Philippe Lazzarini. Das UNRWA-Verbot werde „das Leiden der Palästinenser verstärken“. Ihm zufolge ist das Gesetz Teil einer „Kampagne“, um das UNRWA zu „diskreditieren“.
„Wenn die Gesetze in dieser Form von der israelischen Regierung umgesetzt würden, würde das die Arbeit von UNRWA in Gaza, im Westjordanland und in Ostjerusalem faktisch unmöglich machen“, erklärte die deutsche Menschenrechtsbeauftragte Amtsberg. Das israelische Vorgehen gegen UNRWA sei „ein gefährliches Signal der Missachtung der Vereinten Nationen und der internationalen Zusammenarbeit“.
Internationale Kritik
UN-Generalsekretär António Guterres warnte, dass das Gesetz bei Umsetzung „verheerende Folgen“ haben und das „UNRWA wahrscheinlich daran hindern würde, seine wichtige Arbeit fortzusetzen“.
Kritik kam auch aus London. „Dieses Gesetz gefährdet die gesamte internationale humanitäre Hilfe im Gazastreifen sowie die Bereitstellung wichtiger Gesundheits- und Bildungsdienste im Westjordanland“, erklärte der britische Premierminister Keir Starmer. Irland, Norwegen, Slowenien und Spanien verurteilten das Knesset-Votum in einer gemeinsamen Erklärung.
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte in den Onlinenetzwerken, dass Israel „bereit“ sei, die Hilfe für den Gazastreifen fortzusetzen – „auf eine Weise, die Israels Sicherheit nicht bedroht“.
Die radikalislamische Hamas verurteilte eine „zionistische Aggression“. Die palästinensische Präsidentschaft erklärte, der Schritt bestätige „Israels Transformation in einen faschistischen Staat“.
UNRWA-Mitarbeiter sollen an Angriff auf Israel beteiligt gewesen sein
Der UN-Sicherheitsrat, einschließlich der USA, hatte Israel am 10. Oktober vor der Verabschiedung des Gesetzes gewarnt.
Das UN-Palästinenserhilfswerk war erstmals zu Beginn des Jahres massiv in die Kritik geraten, nachdem Israel ihm vorgeworfen hatte, zwölf seiner Mitarbeiter seien direkt an dem beispiellosen Angriff der radikalislamischen Hamas vom 7. Oktober beteiligt gewesen. In der Folge kamen sieben weitere Verdächtige hinzu. Das für die Versorgung der Menschen im Gazastreifen wichtige Hilfswerk geriet daraufhin massiv in die Kritik. Deutschland und zahlreiche weitere Länder setzten ihre finanzielle Unterstützung vorübergehend aus.
Im August verkündete das UN-Hilfswerk dann die Entlassung von neun Mitarbeitern wegen einer möglichen Beteiligung am Hamas-Überfall.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken