Kränze für antisemitische Attentäter: Jeremy Corbyn und der Terror
Corbyn misslingt es erneut, sich vom Antisemitismus zu distanzieren. 2014 soll er Führer einer palästinensischen Terrorgruppe geehrt haben.
Vier Jahre später wird dieser Besuch zur möglicherweise größten Krise in Corbyns Amtszeit als Labour-Chef. Denn auf einem Foto jenes 1. Oktober 2014, das vor einigen Tagen veröffentlicht wurde, steht Corbyn nicht vor den Gräbern der Toten von 1986 – in Wahrheit fand der Luftangriff 1985 statt –, sondern vor den Gräbern von Atef Bseiso, Hayel Abdel-Hamid, Salah Khalaf, Fakhri al-Omari, Mitglieder und Mitgründer der palästinensischen Gruppe „Schwarzer September“, die für das Massaker an Israelis bei den Olympischen Spielen 1972 in München verantwortlich war.
Auf der Facebook-Seite von Fatah beschrieb die PLO al-Omari als denjenigen, aus dessen Kopf die Idee des Olympia-Attentats entsprang, Khalaf gilt als Gründer der Bewegung „Schwarzer September“ und wurde damals als Nachfolger Arafats gehandelt. Abdel-Hamid (Abu al-Hol) war Sicherheitschef der PLO. Alle sind inzwischen tot. Alle waren auf israelischen Abschusslisten. Abdel-Hamid erlag zusammen mit al-Omari einem Angriff in Tunis 1991, vollstreckt durch einen palästinensischen Wächter; Atef Bseiso wurde ein Jahr später in Paris erschossen, es bekannte sich damals die militante jüdische Gruppe Kach.
Hat Corbyn einen Kranz an das Grab des geistigen Urhebers des Münchner Olympia-Attentats gelegt? Seit der Veröffentlichung der kompromittierenden Fotos muss sich Corbyn gegen diesen Vorwurf wehren. „Ich legte einen Kranz für alle jene nieder, die bei dem Luftangriff auf das PLO-Hauptquartier in Tunis umkamen“, verteidigte sich der Labour-Chef zunächst im Fernsehen. Hatte er dabei auch Atef Bseiso geehrt? „Absolut nein“, antwortete Corbyn, sprach von Frieden im Nahen Osten und der Notwendigkeit, Menschen zusammenbringen – das war „der Sinn der Konferenz und des Lebens“.
Menschen zusammenzubringen mag ein Sinn des Lebens sein. Ob auch eine Kranzniederlegung am Grab von Mitgliedern des Schwarzen September, etwa 15 Meter vom Grab der Opfer des israelischen Luftangriffs auf Tunis entfernt, zum Sinn des Lebens gehört, ist die Frage, die jetzt Großbritannien bewegt.
Jeremy Corbyn
Als Ankie Spitzer, Witwe eines der 1972 ermordeten israelischen Sportler, von Corbyn eine Entschuldigung forderte – „nicht mir persönlich gegenüber, sondern den Opfern von Terror gegenüber“, sagte sie – hieß es aus dem Labour-Pressebüro, sie sei falsch informiert worden: Corbyn habe nur einen Kranz für die Opfer von 1985 niedergelegt.
Doch als die Schlagzeilen und Fotos in der britischen Presse nicht enden wollten, verteidigte sich Corbyn am Montag mit den Worten: „Ich war bei der Kranzniederlegung präsent, aber ich glaube nicht, dass ich wirklich involviert war.“ Damit erntete er viel Spott in den sozialen Medien. Labour-Abgeordnete Lucia Berger erklärte, dass für sie Präsenz Teilnahme bedeute.
Durch Corbyns ungeschickte Selbstverteidigung scheint Labour immer verwundbarer. Seit Monaten streitet die Partei über die Definition von Antisemitismus und antisemitische Ausfälle von Parteiaktivisten. Was in Bezug auf Corbyn mit Vorwürfen begann, sich mit Hamas- und Hisbollah-Funktionäre zu befreunden, endet nun an den Gräbern von Personen, die für den Terror bei den Olympischen Spielen 1972 mitverantwortlich waren. Und jeden Tag werden Corbyns Gegner erneut fündig. Vergangene Woche kam heraus, dass der Labour-Chef sich 2011 gegenüber dem iranischen TV-Sender Press TV beschwerte, das britische BBC-Fernsehen sei zugunsten des Existenzrechts Israels parteiisch. Diese Woche ging es um Spenden von Hamas-Freunden für seinen Wahlkampf um die Labour-Führung 2015. Am Mittwoch prangte in Zeitungen ein Foto von 2016, auf dem Corbyn neben einem lächelnden jungen Mann mit dem Rabiah-Zeichen der Muslimbrüder posiert.
Die Reise nach Tunesien hat ein Nachspiel. Weil Corbyn sie nicht dem parlamentarischen Rechnungshof gemeldet hat, wurde nun ein Verfahren wegen Bruchs der Abgeordnetenregeln beantragt.
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