Kohlepolitik in NRW: Wo bleibt die CO2-Minderung?
NRW will acht Jahre früher aus der Kohle aussteigen. Zugleich sollen Braunkohlekraftwerke länger laufen. Wie man das nennt? Eine unschöne Mogelei.
N ordrhein-Westfalen will den Kohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorziehen. Das ist eine sehr gute Nachricht. Je schneller die Kohle Geschichte ist, umso besser. Aber die zeitliche Koppelung der Verkündung dieser Entscheidung an eine weitere ist ausgesprochen ernüchternd: Mit dem vorgezogenen Ausstieg teilten die beiden grünen Wirtschaftsminister:innen Robert Habeck und Mona Neubaur mit, dass in NRW zwei Braunkohlekraftwerke bis 2024 weiterlaufen sollen. Dass ausgerechnet das Dorf Lützerath weichen muss, das Symbol des Widerstands gegen den Mega-Erderhitzer Braunkohle, erscheint wie das bittere Menetekel einer klimaignoranten Politik.
Was aussieht wie ein Kompensationsgeschäft – Weiterbetrieb gegen früheren Ausstieg –, ist keins. Grüne und CDU in NRW hatten sich bereits auf das Vorziehen des Kohleausstiegs in ihrem Koalitionsvertrag vom vergangenen Juni verständigt. Die Forderung der Grünen nach einem vorgezogenen Kohlestopp stammt aus der Zeit vor der Energiekrise. Sie ist Teil ihrer Klimapolitik vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Jetzt so zu tun, als käme der frühere Ausstieg, um die zusätzlichen CO2-Emissionen durch die länger laufenden Braunkohlekraftwerke auszugleichen, ist eine unschöne Mogelei.
Richtig ist, dass es keine Kompensation für den vermehrten CO2-Ausstoß gibt. Und das gilt nicht nur für die beiden länger laufenden Braunkohlekraftwerke in NRW, sondern auch die Anlagen, die entgegen ursprünglichen Plänen weiterlaufen oder wieder ans Netz gehen. Diese Anlagen zur Sicherung der Energieversorgung einzusetzen, ist wahrscheinlich unumgänglich. Es erhöht die Aussichten, dass die Bürger:innen, ohne zu frieren und gut mit Strom versorgt, über den Winter kommen – wenn alle mit Bedacht Energie einsetzen und so viel wie möglich sparen.
Es sieht so aus, als ob es für die Versorgungskrise einen Plan gibt. Für eine andere, die Klimakrise, gibt es ihn aber nicht. Denn die Bundesregierung sorgt eben nicht dafür, dass der notwendige zusätzliche CO2-Ausstoß kompensiert wird. Gerade das muss sie aber in die Wege leiten, und zwar sofort. Jede Tonne C02, die wegen Putin hierzulande zusätzlich ausgestoßen wird, muss an anderer Stelle weniger emittiert werden. Sehr schnell umsetzbare Möglichkeiten dazu gibt es, zum Beispiel im Verkehr. Mit dem Aussetzen von Inlandsflügen, der Einführung eines Tempolimits für Autobahnen oder einem neuen sehr günstigen bundesweiten ÖPNV-Ticket wäre viel gewonnen. Doch mit der FDP in der Bundesregierung ist eine echte Klimapolitik kaum zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen