Israelischer Luftschlag in Gaza: Bombardement von Flüchtlingscamp
Dutzende Menschen, darunter zwei Hamas-Köpfe, sollen in Rafah getötet worden sein. Eine Evakuierungsansage gab es nicht.
Bilder und Videos, die seit Sonntagabend über X, Telegram und weitere Plattformen geteilt werden, zeigen Tote mit fürchterlichen Verletzungen, einen großflächigen Brand, zerstörte Hütten und dicke Rauchschwaden. Nach Angaben der palästinensischen Autonomiebehörde wurden mindestens 27 Menschen getötet. Das israelische Militär erklärte: Man sei informiert worden, dass der Luftschlag zu einem Feuer geführt habe, in dem auch zahlreiche Zivilisten in der Gegend zu Schaden gekommen seien. Man untersuche den Fall.
Viele Nachrichtenagenturen zitieren den palästinensischen Halbmond und geben an, das getroffene Gebiet sei Teil einer ausgewiesenen humanitären Zone gewesen. Das israelische Militär hat den Gazastreifen in hunderte kleine Zonen aufgeteilt. Es fordert mit Flugblättern, X-Posts, SMS-Nachrichten und Anrufen die Bewohner der jeweils betroffenen Zonen auf, die Gegenden zu verlassen.
Das Camp Tal al-Sultan liegt in einer Zone, für die sich auf den Kanälen des israelischen Militärs keine solche Evakuierungsaufforderung finden lässt. Sie liegt aber auch nicht – entgegen den Angaben der Nachrichtenagenturen – in der humanitären Zone, die das israelische Militär auf seiner Website sowie seinen X-Kanälen ausgewiesen hat. Die letzte Veränderung dieser Zone ist fünf Tage her, damals wurde sie Richtung Norden und Osten erweitert, nicht aber Richtung Süden, wo sich Tal al-Sultan befindet.
Katar sieht Verhandlungen gefährdet
Hilfsorganisationen sowie die Vereinten Nationen kritisieren schon lange, dass es in Gaza keine wirklich sicheren Gebiete gebe. Die Luftschläge des Militärs richteten sich teils auch gegen Ziele in zumindest nicht zur Evakuierung aufgerufenen Zonen – so wie das Bombardement der vergangenen Nacht.
Das Golfemirat Katar, das zwischen Israel und der Hamas vermittelt, aber auch die Hamas-Führungsriege beherbergt, gab am Montag an, dass der Luftschlag die Wiederaufnahme der Gespräche über einen möglichen Geisel-Gefangenen-Austausch behindern könnte. Auch der EU-Außenpolitiker Josep Borrell warnte: Israel ignoriere das Zwischenurteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom Freitag und treibe seine Militärkampagne in Südgaza weiter voran.
Nach Interpretation vieler Medien weist die IGH-Entscheidung Israel an, seine Offensive in Rafah zu beenden. Nach Israels Interpretation des schwammig formulierten Urteils betont es lediglich, dass die palästinensische Zivilbevölkerung auch bei einer Offensive besonders geschützt werden müsse. Außer, dass es den Fall untersuche, kommentierte das Militär die vielen Toten in Tal al-Sultan bisher nicht.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Textes hieß es im Teaser, das Gebiet sei „aber auch keine Schutzzone“ gewesen. Dies bezog sich auf die von vielen Medien wiedergegebene Aussage des Roten Halbmondes, dass der Luftangriff in der von Israel ausgewiesenen humanitären Zone stattgefunden habe. Dies war nach unseren Recherchen nicht der Fall. Wir haben die entsprechende Stelle geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was