Israelischer Luftschlag in Gaza: Bombardement von Flüchtlingscamp

Dutzende Menschen, darunter zwei Hamas-Köpfe, sollen in Rafah getötet worden sein. Eine Evakuierungsansage gab es nicht.

Menschen stehen neben einem schwelenden Feuer, eine Frau fasst sich an die Stirn

Rafah, 27. Mai: Menschen blicken auf die Zerstörungen nach einem israelischen Luftangriff auf ein Flüchtlingslager Foto: Jehad Alshrafi/dpa/ap

JERUSALEM taz | In der Nacht auf Montag hat das israelische Militär einen Luftangriff auf das Flüchtlingscamp Tal al-Sultan im südlichen Gazastreifen geflogen. Nach Armeeangaben zielte der Luftschlag auf zwei Köpfe der Hamas: den Leiter terroristischer Aktivitäten im Westjordanland sowie einen Kämpfer höheren Rangs. Auf der Plattform X gab das Militär an: Der Luftschlag sei gegen „legitime Ziele“ erfolgt, auf Basis von „präzisen“ Informationen.

Bilder und Videos, die seit Sonntagabend über X, Telegram und weitere Plattformen geteilt werden, zeigen Tote mit fürchterlichen Verletzungen, einen großflächigen Brand, zerstörte Hütten und dicke Rauchschwaden. Nach Angaben der palästinensischen Autonomiebehörde wurden mindestens 27 Menschen getötet. Das israelische Militär erklärte: Man sei informiert worden, dass der Luftschlag zu einem Feuer geführt habe, in dem auch zahlreiche Zivilisten in der Gegend zu Schaden gekommen seien. Man untersuche den Fall.

Viele Nachrichtenagenturen zitieren den palästinensischen Halbmond und geben an, das getroffene Gebiet sei Teil einer ausgewiesenen humanitären Zone gewesen. Das israelische Militär hat den Gazastreifen in hunderte kleine Zonen aufgeteilt. Es fordert mit Flugblättern, X-Posts, SMS-Nachrichten und Anrufen die Bewohner der jeweils betroffenen Zonen auf, die Gegenden zu verlassen.

Das Camp Tal al-Sultan liegt in einer Zone, für die sich auf den Kanälen des israelischen Militärs keine solche Evakuierungsaufforderung finden lässt. Sie liegt aber auch nicht – entgegen den Angaben der Nachrichtenagenturen – in der humanitären Zone, die das israelische Militär auf seiner Website sowie seinen X-Kanälen ausgewiesen hat. Die letzte Veränderung dieser Zone ist fünf Tage her, damals wurde sie Richtung Norden und Osten erweitert, nicht aber Richtung Süden, wo sich Tal al-Sultan befindet.

Katar sieht Verhandlungen gefährdet

Hilfsorganisationen sowie die Vereinten Nationen kritisieren schon lange, dass es in Gaza keine wirklich sicheren Gebiete gebe. Die Luftschläge des Militärs richteten sich teils auch gegen Ziele in zumindest nicht zur Evakuierung aufgerufenen Zonen – so wie das Bombardement der vergangenen Nacht.

Das Golfemirat Katar, das zwischen Israel und der Hamas vermittelt, aber auch die Hamas-Führungsriege beherbergt, gab am Montag an, dass der Luftschlag die Wiederaufnahme der Gespräche über einen möglichen Geisel-Gefangenen-Austausch behindern könnte. Auch der EU-Außenpolitiker Josep Borrell warnte: Israel ignoriere das Zwischenurteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom Freitag und treibe seine Militärkampagne in Südgaza weiter voran.

Nach Interpretation vieler Medien weist die IGH-Entscheidung Israel an, seine Offensive in Rafah zu beenden. Nach Israels Interpretation des schwammig formulierten Urteils betont es lediglich, dass die palästinensische Zivilbevölkerung auch bei einer Offensive besonders geschützt werden müsse. Außer, dass es den Fall untersuche, kommentierte das Militär die vielen Toten in Tal al-Sultan bisher nicht.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Textes hieß es im Teaser, das Gebiet sei „aber auch keine Schutzzone“ gewesen. Dies bezog sich auf die von vielen Medien wiedergegebene Aussage des Roten Halbmondes, dass der Luftangriff in der von Israel ausgewiesenen humanitären Zone stattgefunden habe. Dies war nach unseren Recherchen nicht der Fall. Wir haben die entsprechende Stelle geändert.

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