Islamistischer Mordanschlag: Es braucht einen Aufschrei
Die grausame Tat richtete sich gegen einen Mann, der die Werte Frankreichs verteidigte. Das Land darf sich nicht einschüchtern lassen.
E s scheint, als habe der Prozess wegen des Anschlags auf Charlie Hebdo die Schleusen des Horrors geöffnet. Das Gerichtsverfahren, das Anfang September begann, wird seitdem von Gewalt und Einschüchterungen begleitet. Die Personalchefin der Satirezeitung musste überstürzt ihre Wohnung verlassen, weil ihr Leben in Gefahr war. Vor drei Wochen verletzte ein 25-jähriger Pakistaner mit einem Hackebeil vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude zwei Menschen schwer.
Und am Freitag enthauptete ein 18-jähriger Islamist in Conflans-Sainte-Honorine, einem ruhigen Vorort von Paris, einen Geschichtslehrer auf offener Straße. Es waren die Mohammed-Karikaturen, die die brutalen Reaktionen auslösten. Zeichnungen, mit denen sich die Redaktion von Charlie Hebdo über den Propheten lustig machte. So, wie sie es auch mit dem Papst tat oder mit dem französischen Präsidenten. Karikaturen, so geschmacklos sie manchmal sind, gehören zur Meinungsfreiheit, die als höchstes Gut gegen religiöse Eiferer, egal woher sie kommen, geschützt werden muss. Der ermordete Lehrer wollte genau das seinen Schülern vermitteln.
Im Gegensatz zu Kollegen, die sich nicht mehr trauen, den Holocaust oder den Darwinismus durchzunehmen, ging er mit dem Thema Meinungsfreiheit mutig um – und er bezahlte mit dem Leben dafür. Die Barbarei richtete sich gegen einen Mann, der im Klassenzimmer seine Aufgabe erfüllte und die Werte der Republik verteidigte; die Freiheit an erster Stelle.
Wie schlecht es um sie in Frankreich bestellt ist, zeigt ein offener Brief, den Ende September mehr als hundert Medien in großer Einigkeit unterzeichneten. Unabhängig von Glaube oder politischer Überzeugung müsse sich das Land gegen die Feinde der Freiheit stemmen, forderten die Verfasser. „Wir brauchen euch. Eure Mobilisierung“, appellierten sie beinahe verzweifelt an ihre Landsleute.
Radikale Auswüchse einer Religion
Wer damals nicht reagierte, sollte es heute nach dem Anschlag von Conflans-Sainte-Honorine tun. Es braucht einen Aufschrei – so wie nach dem Attentat auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt im Januar 2015, als Millionen Menschen für die Meinungsfreiheit auf die Straße gingen und als in vielen Redaktionen, Büros und Wohnungen der Slogan „Ich bin Charlie“ hing.
Es muss klar werden, dass die Französinnen und Franzosen sich nicht den Mund verbieten lassen, dass im Land der Aufklärung jeder das Recht hat, sich gegen die radikalen Auswüchse einer Religion zu stellen, die Muslime wie der Rektor der großen Moschee von Paris selbst so benennen. Die grausame Tat darf nicht zu Selbstzensur führen. Sie erfordert eine mutige Antwort. Das ist das Land dem ermordeten Lehrer schuldig.
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