Instrumentalisierung des Ukrainekriegs: Ukraine ist nicht Palästina
Antizionistische Aktivist:innen vergleichen den Ukrainekrieg mit dem Nahostkonflikt. Doch diese Gleichung geht auf mehreren Ebenen nicht auf.
V or einem Monat begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Seither gab es aufrichtige Solidaritätsbekundungen, aber auch jene, die den Krieg für die eigene Agenda instrumentalisieren. Antizionistische Aktivist:innen etwa versuchen eine Gleichsetzung mit dem Nahostkonflikt: Was Ukrainer:innen jetzt erlitten, machten Palästinenser:innen seit jeher durch, hieß es. Die Solidarität mit Palästina sei jedoch ausgeblieben, während die internationale Gemeinschaft den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einstimmig verurteile.
Diese Gleichsetzung ist auf vielen Ebenen falsch. So wird unterschlagen, dass es die Hamas war, die den Raketenbeschuss Israels aus Gaza begonnen hatte. Internationale Aufmerksamkeit erfuhr dies erst, als Israel sich wehrte und Hamas-Stützpunkte bombardierte. Dem palästinensischen Kampf gegen Israel ist zudem weltweit mehr Berichterstattung zuteil geworden als jedem anderen Konflikt der Welt.
Währenddessen war die ukrainische Regierung stets bemüht, eine Eskalation zu vermeiden, und hat im Gegensatz zu Palästina nie Gebietsansprüche an Russland erhoben – und trotzdem richtet Russland Raketen auf dicht bewohntes Gebiet und löscht dadurch viele Leben aus. Zudem droht Russland mit dem Einsatz von Atomwaffen und der kompletten Auslöschung der Ukraine, deren Eigenstaatlichkeit es nicht anerkennt. Ähnliches lässt der Iran, großer Bruder der Hamas und Teil der islamischen Umma, verlauten.
Anastasia Tikhomirova, Jahrgang 1999, ist freie Journalistin und taz-Lab-Redakteurin.
Aktuell erschüttert eine neue Terrorwelle Israel. Intifada-Morde an unschuldigen Israelis werden in den Straßen palästinensischer Ortschaften gefeiert, die Täter als Märtyrer gelobt. Es gibt nichts Vergleichbares auf ukrainischer Seite, denn der dortige Widerstand gilt ausschließlich dem russischen Militär.
Wem es wirklich um die Benennung palästinensischen Leids geht, der sollte nicht gespielte Solidarität mit der Ukraine für das eigene Anliegen missbrauchen. Dieses wird damit letztlich diskreditiert – palästinensischen Zivilist:innen ist damit nicht geholfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker