Israel-Palästina-Konflikt: Neue Welle der Gewalt droht
Drei Anschläge haben Israel erschüttert. Die Sorge vor einer Eskalation auf palästinensischer als auch auf israelischer Seite wächst.
Tel Aviv taz | Es ist der dritte Terroranschlag in Israel innerhalb einer Woche. Am Dienstagabend erschoss in Bnei Brak, eine überwiegend ultraorthodox geprägte Stadt direkt angrenzend an Tel Aviv, ein Angreifer fünf Menschen mit einem Sturmgewehr. Insgesamt wurden bei den drei Anschlägen in den letzten Tagen elf Israelis sowie die jeweiligen Angreifer getötet.
Kurz nach dem Anschlag vom Dienstagabend hört man in einer Liveschaltung im israelischen Fernsehen Sprechchöre aus Bnei Brak, die „Tod den Arabern“ rufen. Der Angreifer stammte wohl aus Yaabad, einem Dorf in der Nähe von Jenin. Dort feierten junge Palästinenser den Terroranschlag auf der Straße – auch das wurde im Fernsehen übertragen.
Die islamische Ra’am Partei, die an der israelischen Regierung beteiligt ist, verurteilte den Anschlag hart, genauso wie Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas – laut Berichten der israelischen Internetzeitung Times of Israel wohl auf Druck des israelischen Verteidigungsministers Benny Gantz. Auch der Vorsitzende der Vereinigten Liste, ein Zusammenschluss palästinensisch-israelischer Parteien, verurteilte die Attacke, verwies aber im gleichen Atemzug auf 51 Palästinenser*innen, die seit Beginn des Jahres getötet wurden, und führte die Hasstaten auf die Besatzung zurück.
Israel ist im Schockzustand. In den letzten Jahren waren die meisten Angriffe von palästinensischer Seite auf Siedler*innen im Westjordanland oder Sicherheitskräfte an Checkpoints und in Jerusalem gerichtet. Dass Israelis in Städten im Herzen des Landes angegriffen und getötet werden – so nah an der Partystadt Tel Aviv, die gerne die Augen vor dem Konflikt verschließt –, erinnert viele an die Welle von Messerangriffen in den Jahren 2015/16 und an die zweite Intifada in der ersten Hälfte der 2000er Jahre. Das Land schockiert aber auch, dass der israelische Geheimdienst die Anschläge nicht vorhergesehen hat. Auch dass die ersten beiden Terrorakte wohl von Anhängern des „Islamischen Staates“ (IS) begangen wurden, hat sie offenbar überrascht. Vielen scheint es, als sei der IS plötzlich in Israel aufgetaucht.
Immer wieder Konflikte während des Ramadan
Roni Shaked, Nahostexperte am Harry-S. Truman-Institut für Friedensentwicklung in Jerusalem, beobachtet das Phänomen schon länger. Palästinenser*innen sowohl aus dem Westjordanland als auch in Israel näherten sich bereits seit Jahren der Ideologie des „Islamischen Staates“ an. Viel brauche es dafür nicht – über die sozialen Medien kann sich die Ideologie schnell verbreiten. Die meisten Sicherheitsspezialist*innen, wie auch Shaked, bezweifeln aber derzeit, dass die Angreifer vom IS selber beauftragt worden waren.
Der Angreifer vom Dienstag hatte wohl keine Verbindungen zum IS. Doch irgendjemand muss ihn nach Israel gebracht und ihn mit M16-Sturmgewehren ausgestattet haben. Dass er die Tat alleine durchgeführt hat, scheint wohl unwahrscheinlich. In der Nacht zum Mittwoch haben israelische Sicherheitskräfte eine Welle von Festnahmen im Westjordanland durchgeführt. Premierminister Naftali Bennett berief für Mittwoch das Sicherheitskabinett ein.
Durch den Anschlag vom Dienstag rückt der Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser*innen wieder mehr in den Fokus: Am kommenden Samstag beginnt der Fastenmonat Ramadan, in dem sich die Auseinandersetzungen zwischen jüdischen Israelis und Palästinenser*innen ohnehin meist zuspitzen. Dieses Jahr fällt das jüdische Pessachfest in dieselbe Zeit. Spannungen sind vorprogrammiert, meint Shaked: „Fanatiker*innen von beiden Seiten könnten uns eine neue Welle der Gewalt bringen.“
Leser*innenkommentare
Sven Günther
"Bislang scheint das Interesse auf allen Seiten groß zu sein, die Wogen in diesem Jahr niedrig zu halten."
Das hat Frau Poppe vor 2 Tagen geschrieben.
Dann werden wieder 5 Menschen bei einem Attentat erschossen.
Im laufe des Tage soll der Rechte Abgeordnete Ben Gvir den Tempelberg besuchen.
Ich geh ein sehr geringes Risiko ein wenn ich sage, es wird eine neue Gewaltwelle geben.
Sind sie eigentlich in einem anderen Land Frau Poppe?
Wenn an der Uni der in Be'er Scheva und anderswo Sachen gesprüht werden, wie "jüdisches Blut ist nicht billig." Versteh ich Ivrit oder die Leute die sowas sprühen einfach komplett anders?
Da geht es doch nicht nur um die israelische Armee oder Polizei, als ob wir nicht auch zivile gewaltätige Schmocks hätten.