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IfW Kiel entlässt VerhaltensökonomenFlieg oder du fliegst

Gianluca Grimalda weigerte sich, in der Klimakrise von einer Forschungsreise zurückzufliegen. Dafür hat ihn das Kiel Institut für Weltwirtschaft gefeuert.

Gianluca Grimalda unterwegs nach PokPok Island im Kanu Foto: privat

Knapp 13.700 Kilometer liegen zwischen dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) an der Kieler Förde und dem Dorf Hangan im Inselstaat Papua-Neuguinea im Pazifik. Wüsten, Wälder und Ozeane trennen die Orte. Zwei Monate kann es dauern, von einem zum anderen zu reisen – oder zwei Tage.

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Als der Verhaltensökonom Gianluca Grimalda sich am 27. September in Hangan an den Klapptisch in seinem Zimmer setzt, um per Videoschalte mit seinen Chefs in Kiel über seine Rückreise zu sprechen, ist er noch entspannt. Er ahnt nichts von dem Konflikt, den er über die nächsten Wochen öffentlich mit ihnen austragen wird – und der ihn am Ende seinen Job kosten wird. So erzählt er es der taz am Telefon.

Sechs Monate verbrachte Grimalda in Papua-Neuguinea, überquerte Flüsse und wanderte durch den Regenwald, um 30 teilweise tief in den Bergen liegende Dörfer zu besuchen. Dort erforschte er, wie sich die Folgen der Klimakrise auf die Bereitschaft der Menschen auswirken, einander zu helfen. Er ist zufrieden mit den Ergebnissen und freut sich auf die Heimreise.

Um seine Treibhausgas-Emissionen zu minimieren, will Grimalda über die nächsten zwei Monate per Schiff, Bus und Zug nach Kiel zurückkehren. Slow Travel nennt sich diese Art der Fortbewegung. Grimalda, der neben der Arbeit auch Aktivist bei Scientist Rebellion ist, reist bereits seit Jahren so. Auf dem Hinweg bestritt er 16.000 der 22.000 Reisekilometer, ohne zu fliegen – das IfW störte sich nicht daran.

Ursprünglich sollte er schon am 10. September zurück in Kiel sein. Doch Erpressungsversuche von macheteschwingenden Banditen und Ablehnung und Skepsis gegenüber seinem Vorhaben in einigen Dörfern zögerten seine Abreise immer wieder hinaus. Grimalda rechnete deshalb mit Verständnis von seinen Chefs.

Aber das Gespräch am 27. September verläuft anders als erwartet. Neben seinem Vorgesetzten sind auch der Präsident des Instituts und die Direktorin anwesend. Von ihnen kommt ein Ultimatum: Entweder Grimalda sitzt am nächsten Montag an seinem Schreibtisch in Kiel oder er ist seinen Job los.

„Da ist meine mediterrane Art mit mir durchgegangen“, sagt Grimalda. Er sieht das Ultimatum als Angriff auf seine Würde, seine Werte in der Klimakrise. Er weigert sich zurückzufliegen.

In den sechs Monaten in Papua-Neuguinea ist er immer wieder Menschen begegnet, die fordern, dass der Globale Norden endlich seine Emissionen reduziert. Nach diesen Gesprächen will Grimalda nicht einfach in ein Flugzeug steigen und zurück in seine komfortable Wohnung in Kiel. „Weiße Männer wie ich werden hier oft ‚Giaman‘ genannt, Lügner oder Verräter“, sagt Grimalda. Aber er wolle kein Giaman sein. Er entscheidet sich, die Sache öffentlich zu machen.

Grimalda sagt, sein Vertrag beim Kieler IfW sei „fantastisch“, ein Job, wie er ihn mit seinen 51 Jahren wohl nicht mehr finden werde. 3.700 Euro netto, 30 Tage Urlaub, alle Freiheiten in der Forschung. All das setzt er jetzt aufs Spiel.

Ungehorsam zieht ins Büro ein

Grimaldas Weigerung, für Dienstzwecke zu fliegen, ist ungewöhnlich. An zivilen Ungehorsam auf der Straße hat man sich mittlerweile gewöhnt. Doch dass sich ein Arbeitnehmer derart öffentlich gegen die Reisepolitik seines Arbeitgebers wehrt, das ist neu. Von der Schule über die Straße könnte der Ungehorsam angesichts der Klimakrise nun auch im Büro angekommen sein.

Auf gewisse Art wirkt Grimaldas Verhalten kleinlich. Täglich steigen hunderttausende Geschäftsreisende ins Flugzeug, um zu Konferenzen und Kunden zu kommen, um Fabriken zu inspizieren oder zu forschen. Grimaldas Beitrag zur Erderwärmung ist winzig. Warum steigt er nicht einfach ein?

Grimalda hat Erfahrung mit zivilem Ungehorsam, blockierte bereits einen Privatflughafen in Mailand, klebte sich an den futuristisch designten Porsche-Pavillon in Wolfsburg. Doch obwohl er selbst zivilen Ungehorsam übte, hat er Zweifel an der Protestform. Er ist unsicher, ob das bewusste Brechen von Gesetzen, um auf einen Missstand hinzuweisen, wirklich wirkt. Der größte Effekt sei aus seiner Sicht der, dass die Legitimität weniger radikaler Gruppen steige.

Trotzdem hat er sich an den Aktionen von Scientist Rebellion beteiligt. „Auf mich wirkt es einfach absurd, dass es in der Klimakrise weiterhin Orte wie Privatflughäfen gibt“, sagt Grimalda. Und ebenso absurd sei es für ihn, dass sein Arbeitgeber ihn nun in ein Flugzeug zwingen will. „Bei dem Klimazusammenbruch, den wir derzeit erleben, ist es die einzig richtige Antwort, der Forderung meines Instituts nicht nachzukommen“, sagt er.

Nach seinen Berechnungen würde Grimaldas Rückreise über Land gegenüber einem Flug 4,9 Tonnen CO2 einsparen. Das ist mehr CO2, als eine Person durchschnittlich in einem ganzen Jahr ausstoßen dürfte, um das 1,5-Grad-Limit zu halten.

Nach der physikalischen Logik der Klimakrise mag Grimalda mit seiner Weigerung, ins Flugzeug zu steigen, das Richtige tun. Aus Sicht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft verletzt er damit seine Pflichten als Arbeitnehmer. Einen Tag nach dem Telefonat mit seinen Chefs erreicht ihn eine schriftliche Abmahnung. Man sei nicht mehr bereit, sein „arbeitsvertragswidriges Verhalten hinzunehmen“, heißt es darin.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„Der Zeitgeist geht zwar in eine andere Richtung, aber was, wie und wo gearbeitet wird, bestimmt im Rahmen des Direktionsrechts grundsätzlich der Arbeitgeber“, sagt die Arbeitsrechtlerin Dr. Nathalie Oberthür. Es spreche vieles dafür, dass die Zurückhaltung von Grimaldas Gehalt für den September und die Abmahnung durch das Institut rechtens sei.

In Grimaldas Versuch, auf eigene Faust aufs Fliegen zu verzichten, zeigt sich ein Dilemma der Klimakrise. Denn so sehr Klimaschutz auch als individuelle Konsumentscheidung geframt wird: oft sind es die physischen, sozialen und ökonomischen Infrastrukturen, die bestimmen, wie klimafreundlich wir wirklich leben können.

Paper schreiben sich auch auf einem Frachter

Nach eigenen Angaben gibt es für Grimalda keinen Grund, in Kiel sein zu müssen. Er habe keine Lehrverpflichtungen, und an Meetings könne er auch online teilnehmen. Dass er auch auf Reisen produktiv sein könne, habe er bereits bei einer Containerschiffsreise 2015 gezeigt, während der er an einem Paper gearbeitet hat. Mit Publikationen unter anderem in der renommierten Fachzeitschrift PNAS sei das vergangene Jahr bislang eines seiner erfolgreichsten als Wissenschaftler gewesen.

Grimaldas Arbeitgeber will sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern. Man tue das bei internen Personalangelegenheiten grundsätzlich nicht. Ein Sprecher des Instituts verweist jedoch darauf, dass man Mitarbeiter grundsätzlich bei klimaschonenden Reisen unterstütze. In der Vergangenheit habe man Herr Grimaldas Slow-Travel-Aktivitäten zum Beispiel bei einer Reise nach Tokio 2019 unterstützt.

Mit seinem Versuch, als Einzelner aus den Normen, Erwartungen und Zwängen der Arbeitswelt auszubrechen, sieht sich Grimalda plötzlich scharfen arbeitsrechtlichen Sanktionen gegenüber. Ein Wissenschaftler, der entlassen werden soll, weil er sich zu sehr fürs Klima engagiert: Das sorgt weltweit für Aufmerksamkeit.

Der Guardian, CNN, die Frankfurter Allgemeine Zeitung – sie alle berichteten über Grimaldas Weigerung, für die Arbeit ins Flugzeug zu steigen. Sein Protest scheint einen Nerv zu treffen.

Denn mit ihm rüttelt Grimalda an einem der Grundpfeiler der Arbeitsgesellschaft: In den Büros des Arbeitgebers anwesend zu sein ist so wichtig, dass die mehreren Tonnen CO2, die ein Interkontinentalflug verursacht, dagegen kaum ins Gewicht fallen. Unternehmer:innen, Ma­na­ge­r:in­nen und Ban­ke­r:in­nen folgen dieser Arbeitslogik genauso wie Wissenschaftler:innen, Jour­na­lis­t:in­nen und NGOs. Grimalda stellt sie nun infrage.

Risikobereitschaft sorgt für Aufmerksamkeit

„Sein Protest funktioniert so gut, weil er tatsächlich bereit ist, ein Opfer zu bringen“, sagt Steve Westlake, Psychologe an der Universität Cardiff. Westlake erforschte in seiner Doktor­arbeit die Rolle von Vorbildern bei CO2-reduzierendem Verhalten. Evolutionär seien Menschen darauf gepolt, hinzuschauen, wenn ein Gruppenmitglied risikoreiches oder kostspieliges Verhalten zeige, das man nicht intuitiv verstehe. In diesem Moment der Aufmerksamkeit könne auch das eigene Verhalten hinterfragt werden, sagt Westlake.

Wie gut das funktioniert, hängt jedoch vor allem davon ab, wie sehr man sich mit dem Abweichler identifiziert. „Fehlt dieses Verständnis, reagieren Menschen schnell mit Abwertung auf moralisch gut wirkendes Verhalten“, sagt Westlake. Der vermeintliche Held wolle doch nur Aufmerksamkeit für seine Person oder der Protest bringe doch gar nichts, heißt es dann.

Grimalda hält an seiner CO2-armen Rückreise fest. Er sei bereit, alle rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen zu tragen. In einer Mail versicherte er seinem Institut, über Land so schnell wie möglich nach Kiel zurückzukehren.

Seine Chefs überzeugte er damit nicht. Am 11. Oktober kündigten sie offiziell seinen Arbeitsvertrag. Grimalda will nun vor Gericht gegen seine Kündigung vorgehen.

„Diese Entscheidung des Kieler Instituts ist schockierend“, sagt Julia Steinberger, Professorin für die gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels an der Universität Lausanne und Hauptautorin des jüngsten Berichts des Weltklimarats (IPCC). „Trotz des internationalen Aufschreis und der Unterstützung für Dr. Grimalda durch die wissenschaftliche Gemeinschaft haben sie beschlossen, einen Forscher zu entlassen, dessen größtes Vergehen darin besteht, seine Arbeit gründlich und ohne weitere Schädigung der gefährdeten Gemeinschaften, mit denen er arbeitet, durchzuführen.“

Als die taz Grimalda nach seiner Kündigung um 3 Uhr morgens Ortszeit erreicht, läuft er gerade draußen vor seinem Zimmer in Hangan auf und ab. Derzeit stehe er noch unter Schock. Aber er bereue seine Entscheidung nicht. Er sagt: „Wenn ich einige Leute zum Nachdenken gebracht habe, dann hat es sich gelohnt.“

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50 Kommentare

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  • Vielen Dank für eure Beiträge. Wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation

  • Hört sich für mich ein wenig nach Prinzipienreiterei an, von beiden Seiten, wobei wir nur eine Seite kennen. Bin damals wegen dem isländischen Vulkan auch mal eine Woche später aus dem Urlaub zurückgekommen. Dann muß man eben vernünftig reden. Ich bekam damals kein Gehalt und auch keinen Urlaub abgezogen. Oder eben vorher vereinbaren, was man tun will und nicht einfach machen.

  • mal angenommen es könne 120 passagiere in dem flugzeug transportiert werden. alle 120 entscheiden sich nun für slow-travel, das flugzeug braucht also nicht fliegen. also 120 x emissionen schonendes slow-travel zusammengerechnet, plus slow-travel für die pakete/briefe die auch in dem flugzeug hätten transportiert werden sollen. wenn das unter dem strich sauberer aufgeht als alle in einem flieger, fresse ich einen besen.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Dort erforschte er, wie sich die Folgen der Klimakrise auf die Bereitschaft der Menschen auswirken, einander zu helfen. Er ist zufrieden mit den Ergebnissen und freut sich auf die Heimreise."

    Der Delinquent hat durch sein Verhalten seine Forschungen eigenmächtig auf das eigene Institut ausgeweitet und infolge dessen Reaktion seinen Arbeitgeber einer ungewollten weltweiten Aufmerksamkeit ausgesetzt, was den Gegenstand seiner Untersuchungen betrifft. Er kann mit dem Ergebnis zufrieden sein und sich während der Heimreise an einer genugtuenden Beachtung der Relevanz seiner Fragestellung freuen. Mal ein etwas anderes Studiendesign als "Festkleben" an Porsche ;-)



    Alles entwickelt sich weiter dank progressiver Wissenschaftler. Glückwunsch weiterhin.

  • Warum brauchen wir deutsche Forscher in diesen Ländern? Es gibt in jedem Land studierte Menschen, diese für die Zukunft zu fördern erspart uns sinnlose Diskussionen

  • War da vielleicht ein Forschungsfreisemester? Dann würde für mich alles zusammen passen. Die Hinreise interessiert nicht weiter, da ja Freiheit besteht. Dann muss er aber pünktlich zum Ende des Freisemesters da sein.

  • Klingt für mich alles ein wenig konstruiert bis abenteuerlich. Am Ende hätte man aber sicher eine Lösung finden können, wenn denn beide Seiten wirklich gewollt hätten.



    Was ich lustiger finde ist, wie man sich CO2 Bilanzen zurecht rechnen kann.



    Der Herr argumentiert, er hätte bei seiner Rückreise durch das Vermeiden eines Fluges etwa 4,9 CO2 einsparen können.



    Als die Mitrglieder der letzten Generation für ihre Bali Reise in der Kritik standen, gaben sie an, ihr Flug hätte "1,4 Tonnen C02-Äquivalent pro Person verursacht".



    Papua Neu-Guinea ist vielleicht 2000 Km von Bali entfernt. Äquivalent hin oder her, Glaubwürdigkeit geht anders.

  • Fliegt 6.000 km



    Geriert sich als Klimaschützer

    Soll das ein Scherz sein?

  • Die Mobilitätszwang der Arbeitswelt ist eine wesentlich größere Urache der Klimaerwärmung als bisher gedacht und errechnet.

    Die Lösung ist so einfach wie bereits seit Jahrzehnten propagiert/bekannt:

    Das Bedingungsfreie Grundeinkommen in Verbindung mit einer demokratisch kontrollierten Monetative/Vollgeldsystem.

    Müssen nur wollen... . :-()

  • Klingt eigentlich wie ein Konflikt, der gütlich hätte gelöst werden können, vielleicht wollte man ihn sowieso schassen und fand hier einen Vorwand.

  • Persönlicher Fußabdruck hin, Strukturveränderung her: Entscheidend ist, dass Herr Grimalda vor den indigenen Menschen nicht als Lügner dastehen will. Respekt vor dieser Haltung! Dass Arbeitgeber dafür kein Verständnis hat, ist aber auch nachvollziehbar. Ich bin sicher, dass es auf dieser Welt NGOs gibt, die Herrn Grimalda einen adäquaten Arbeitsplatz anbieten werden. An seiner Stelle würde ich keine Energie mit einer Klage verschwenden. Der politische Impact ist bereits da. Lieber loslassen und neu anfangen.

  • Wie schon im Vorgängerartikel zu diesem Thema so wird auch in diesem mit der Überschrift völlig die Realität verdreht. Das IfW hat Grimalda nie gezwungen in einen Flieger zu steigen - es verlangte einzig und allein von seinem Mitarbeiter pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen 🤷‍♂️



    Ob Home Office die physische Anwesenheit ersetzen kann oder nicht liegt nicht in der Entscheidungsgewalt des Arbeitnehmers, sondern immer in der des Arbeitgebers - er zahlt ja schließlich das Gehalt.



    Da Herr Grimalda ja schon die Hinreise größtenteils ohne Flugzeug bestritt war ihm klar wie lange der Rückweg dauern würde - insofern hätte er sich 8 Wochen vor Ablauf seines Studienaufenthalts mit seinem Arbeitgeber in Verbindung setzen müssen und eine Verlängerung beantragen oder wie auch immer eine Absprache treffen - oder eben rechtzeitig die Heimreise antreten. Anscheinend wurde aber nichts dergleichen getan.



    Seine Haltung in allen Ehren, aber nüchtern betrachtet hat Herr Grimalda als Arbeitnehmer schlicht verweigert pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen - daraus dem IfW einen Strick drehen zu wollen ist Quatsch - wenn ich aus Überzeugung mit dem Fahrrad statt dem Auto zur Arbeit fahren möchte, muss ich auch pünktlich erscheinen und kann nicht jeden Morgen eine halbe Stunde zu spät kommen, nur weil ich auf dem Rad langsamer bin als mit dem Auto - das liegt in meiner Verantwortung nicht der des Arbeitgebers.

    • @Farang:

      Jenseits aller preußischen Tugenden sollte man aber schon auch noch die Frage danach stellen was noch verhältnismäßig ist und was ein Arbeitgeber ungeachtet der resultierenden Schäden für Dritte legitim fordern kann. Im konkreten Fall wäre also schon abzuwägen ob Emissionen jenseits dessen was ein Mensch pro Jahr klimaneutral verursachen dürfte für das Anliegen eines pünktlichen Erscheinens am Arbeitsplatz vertretbar und akzeptabel sind. Solange man diese Frage mit Ja beantwortet kann man das Bemühen um Klimaschutz auch gleich ganz sein lassen.

      • @Ingo Bernable:

        Da nennen sie einen Punkt.



        Mit der selben Logik können sie dann aber auch gleich direkt weiterfragen, wieso überhaupt ein deutscher Forscher von Kiel aus nach Papua-Neuguinea reisen muss...



        Es wäre ein leichtes Gewesen beispielsweise ein australisches Institut zu beauftragen einen Kollegen ins Nachbarland zu schicken, die gewünschten Untersuchungen durchzuführen und die Ergebnisse nach Kiel zu senden 🤷‍♂️



        DAS wäre ja wohl mit Abstand die nachhaltigste Lösung gewesen, oder?



        Für mich wird in diesem Fall das Klima als Alibi missbraucht.

      • @Ingo Bernable:

        Na ja. Dann stellt sich die Frage, ob überhaupt ein Deutscher Forscher dort forschen muss oder ob das nicht ein Einheimuscher und/oder einer aus einem Nachbarland genauso gut hinbekommt.

        • @Strolch:

          Selbstverständlich. Entweder das oder eben klimaverträgliche An- und Abreise.

          • @Ingo Bernable:

            Aber das bestimmt nicht der Arbeitnehmer mal so im Nachhinein für sich selbst.

    • @Farang:

      Dieser Kommentar ist eine perfekte Verkörperung des Problems, um das es im Artikel geht.

      Vorschriften werden um der Vorschrift willen erzwungen, statt auf den Gesamtnutzen des Verhaltens zu schauen.

      Das Beispiel mit dem Fahrrad ist völlig irreführend, denn er arbeitet ja auf der Fahrt.

      In der Sache verursacht Grimalda seinem Arbeitgeber keinen Schaden — wie im Artikel beschrieben bringt seine Anwesenheit im Büro keinen Mehrwert.

      Das ist die wirkliche nüchterne Betrachtungsweise.

      Der einzige Schaden betrifft die Systeme Bürokratie und Gehorsam.

      Also Ideologie.

      Denn aus sich selbst heraus bringen weder Bürokratie noch Gehorsam einen Mehrwert.

  • Einen Wissenschaftler, der die Folgen des Klimawandels erforscht, zu feuern, weil er CO2-minimiert nach Hause reisen will (hat dafür auch seinen Urlaub angeboten) ist in seinem zutiefst provinziellen Denken kaum zu überbieten.



    In einigen Jahren wird die Welt - und nicht der Nabel der Welt, für das sich Institut für Weltwirtschaft hält - Menschen wie Grimalda ein Denkmal setzen.



    Das Bundesverfassungsgericht sollte am Ende der Prozesskette ein Grundsatzurteil zu Klimaschutz und Arbeitnehmerrecht sprechen.



    Deshalb sollten Umweltverbände Grimalda durch alle Instanzen finanziell unterstützen, denn sein Verhalten setzt international und national einen neuen normativen Maßstab im Verhältnis Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Klimaschutz.

    Da Bund und Land das Institut finanzieren, sollten die Medien bei den Geldgebern nachhaken, warum das Institut einen Wissenschaftler entlässt, der Klimaschutz ernst nicht, aber sein Arbeitgeber nicht.

    Friday for future sollte das Institut für Weltwirtschaft zu einem regelmäßigen Demonstrationsziel machen, weil dessen Förderer vor allem aus der Wirtschaft kommen, aber nicht aus der Umweltbewegung und der damit verbundenen Zivilgesellschaft.

    Ein Forschungspaper des Europäischen Parlaments verdeutlicht, dass vom normativen Standpunkt aus gesehen, dass was gestern noch gut genug im Klimaschutz war, heute vollkommen unakzeptabel ist, vor allem vom internationalen Recht aus gesehen.

    Genau daran hält sich das Institut nicht, dass sich ausgerechnet Institut für Weltwirtschaft nennt, aber Forschung zur Globalisierung und Klimaschutz und damit zuammenhängende neue Verhaltens- und Rechtsnormen im Arbeitnehmerrecht mit Füssen tritt.

    Mit seinem provinziellen Verhalten macht sich das Institut weltweit lächerlich. Das Institut hatte



    schon immer den Ruf, lediglich ein Büttel der regionalen Wirtschaft zu sein, das nicht in der Lage ist, global zu denken.

    www.europarl.europ...2023)749395_EN.pdf

    • @Lindenberg:

      Ein Grundsatzurteil wäre sicher angebracht durch das Verfassungsgericht.

      Allerdings wird wohl auch das Verfassungsgericht nicht zu dem Ergebnis kommen, dass dem Arbeitgeber zuzumuten ist, dass 45-60 Tage Rückreise zu akzeptieren, wenn die Alternative wenige Stunden benötigt.



      Auf Kurzstrecken könnte ein Urteil sicher zu dem Schluss kommen, dass der Arbeitgeber Klimafreundlichere Alternativen zu akzeptieren hat.



      Aber nicht bei 45-60 Tagen Mehrreisezeit.

  • Na der Vergleich hinkt ja gewaltig. Herr Grimalda wollte ja nicht nach Hause laufen. Versuchen Sie es doch mal mit ÖPNV oder Fahrrad. Da fahren Sie einfach eher los und sind trotzdem pünktlich auf Arbeit. Die Stunde, die sie täglich länger unterwegs sind, sparen Sie dann am Wochenende beim Fitnesscenter wieder ein.

    • @Schusterjunge:

      Der Post bezog sich auf MARTIN SAUER, heute 8:56.

  • man kann natürlich immer argumentieren, dass das Flugzeug ja sowieso fliegt, dann nur mit einem Passagier weniger drin und die CO2 Ersparnis nur gering ist, weil es ein wenig leichter ist....



    Nur: so kann man natürlich jede Veränderung wegdiskussieren.

    Diese Argumentationskette hilft also nicht weiter.

    Das Anbieten und die Gewährung, von unbezahltem Urlaub (wie wohl gesechehen, wäre eine gute Lösung gewesen.

    Hmm.



    Ich wage es nicht von aussen her mit den spärlichen Informationen zum Geschehen eine Beurteilung zu treffen.



    Zweifel an den Positionen bleiben auf jeden Fall.

    Die Sympathie für die Position desWissenschaftlers überwiegt bei mir momentan.

  • Als Arbeitnehmer hat er kein Recht, sich die Art und Weise der Reise auszusuchen oder seinen Arbeitsort (Schiff) selbst zu bestimmen. Diese Entscheidungen liegen in der Dispositionsmaxime des Arbeitgebers.

    Vor Ort ein Versprechen über die Art der Reise ohne Abstimmung mit dem Arbeitgeber abzugeben ist rechtlich halt schwierig und bindet ganz sicher nicht den Arbeitgeber.

    Da er bereit ist, die rechtlichen Konsequenzen zu tragen, ist doch alles in Ordnung.

  • Der Mann hat RECHT!!!



    Und dieses "merkwürdige" Institut sollte eigentlich dicht machen. Ich möcht nicht wissen, für wen die irgendwelche Daten/passende Publikationen machrn.

    • @MahNaMahNa:

      Der Mann hat nicht Recht. Er hatte einen Forschungsauftrag, und sollte am 10. September wieder in Kiel an seinem Arbeitsplatz sitzen. Da würde garantiert schon vor seiner Abreise nach Neu-Guinea auch schon die Rückreise geplant. Jetzt ändert er die Pläne, ohne dies vorher mit seinem Arbeitgeber (der die Rückreise und die Zeit als Arbeitszeit dazu bezahlen soll), zu besprechen. Wenn die Rückreise wirklich 2 Monate dauert, ist er, wenn er in den nächsten 2 Wochen abreist, an Weihnachten wieder in Deutschland, mehr als 3 Monate nach dem vereinbarten Termin. Das kostet den Arbeitgeber dann grob geschätzt 30 000 Euro zusätzlich (ganz grob gerechnet: dreifaches Nettogehalt). Ob und für was der Arbeitnehmer schon eingeplant war (neues Forschungsprojekt, Auswertung und Vorstellung des aktuellen Forschungsprojektes) und welche Folgen diese Verschiebung hat, würde leider nicht recherchiert.

    • @MahNaMahNa:

      "Der Mann hat RECHT!!!"

      --> Nein hat er nicht. Seine Berechnungen sind mathematisch richtig und dennoch falsch. Denn er vergleicht seine Reise als slow-travel mit dem Flugzeug und geht von einem "no fly" aus. Das ist unredlich, denn das Flugzeug fliegt auch dann, wenn er nicht drin sitzt.

      Er hätte - wenn er redlich gearbeitet hätte - die CO2 Emissionen des Fluges mit seinem Gewicht (Körper + Gepäck) und ohne dieses Zusatzgewicht berechnen müssen. Dann wäre aber das Argument gewesen, ich spare max. wenige Kilogramm CO2 (wenn überhaupt) ein, brauche dafür aber weit mehr als das zehnfache der Zeit.

      Herr Grimalda bekommt jetzt exakt die Schlagzeilen, die er produzieren wollte. Kann man machen, unredlich ist die Art und Weise trotzdem.

      • @Kriebs:

        Nein, Sie irren. Die angegebene CO2-Emission bezieht sich auf EINE Person, nicht auf das gesamte Flugzeug, und somit sind die Zahlen durchaus vergleichbar. Und klar braucht er mehr Zeit – aber Zeit ist bekanntlich nicht klimaschädigend.

      • @Kriebs:

        "wenn er redlich gearbeitet hätte"



        Ich denke das hat er. Wenn man den von ihnen gewünschten Rechenmodus konsequent anwendet, also für alle Pasagiere, kommt man ja zu dem Ergebnis, dass die jeweils nur ein paar wenige Kg CO2 verursachen, womit der Flug dann sogar klimafreundlicher wäre als andere Verkehrsmittel, weil sie einfach unterstellen, dass der Flug so oder so stattfinden würde und die dadurch verursachten Emissionen letztlich niemandem zuzurechnen sind. So zu rechnen halte ich weder für redlich, noch in der Sache für konstruktiv.

  • Die wichtigste Information fehlt im Artikel (oder habe ich sie überlesen?). Was war die Abmachung über Transportmittel und die Dauer der Reise bevor die Reise angetreten wurde? Ein paar Tage vor der Rückreise so etwas zu diskutieren ist höchst unprofessionell und ich kann mir kaum vorstellen dass es keine Vereinbarung vor reiseantritt gab.

  • Es ist auch die Verbindung zweier wunder Punkte „unserer“ Arbeitswelt: Neben dem Klima, das durch Infrastruktur gefährdet wird (in guten Fußabdruckstests wird das übrigens berücksichtigt, einfach mal ausprobieren, was übrigbleibt, wenn die individuellen Konsumentscheidungen alle für den Klimaschutz optimiert sind), ist das hier die Pflicht der Arbeitnehmer:innen, am Arbeitsplatz zu erscheinen, egal ob das für irgendjemanden außer den Vorgesetzten notwendig oder auch nur sinnvoll erscheint. Deutsche Arbeitgeber tun sich damit im Vergleich zu anderen deutlich schwerer, es herrscht oft ein Misstrauen, scheint mir.

  • Ein Ende des Co2-Ausstoßes ist nicht in Sicht. Wir sollten aber wenigstens DAS machen, was möglich ist.

    Die Politik muss dafür Rahmenbedingungen schaffen, parteienübergreifend. Auch gesetzlich muss der Klimaschutz Vorrang bekommen.

    Dass die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen nach wie vor in Zweifel gezogen (oder als vernachlässigbar behandelt) wird, ist ein Unding.

    • @Woodbine:

      Das Problem ist, und das weiß er als Wissenschaftler, dass durch seine Weigerung nicht wirklich CO2 eingespart wurde, zumindest nicht in großer Menge. Das Flugzeug, mit dem er fliegen sollte, ist natürlich trotzdem geflogen und hat genau den selben CO2-Ausstoß, als wenn er an Bord gewesen wäre.



      Es handelt sich daher um eine Aktion, die Öffentlichkeit schaffen soll. Und da stellt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber, selbst wenn er sich dem Umweltschutz verschrieben hat, dies akzeptieren muss. Aus meiner Sicht wäre die Sache anders gelagert, wenn er durch seine Aktion tatsächlich CO2 einsparen würde.

  • Empörung, weil der Arbeitgeber keine zweimonatige Rückreisezeit von einer Dienstreise akzeptiert. Es ist immer wieder interessant, was es so für Blasen gibt und wie weit sich manche von üblichen Normen entfernt haben.

    • @Odradek:

      Diese "üblichen Normen" sind genozidal.

  • Wenn er seine Tätigkeit tatsächlich auch während der langsamen Rückreise in gleichem Maß wie am Schreibtisch ausüben kann, hätte die Chefs kompromißbereiter sein sollen. Zudem lassen die sich auch die Chance entgehen, seine CO2-Reduktion positiv in der Öffentlichkeit zu vermarkten.



    Wenn in ein paar Jahren immer mehr Lebensmittel knapp werden, wird man deren Verhalten sicherlich ganz anders bewerten.

  • Nein, das Institut hat ihn gefeuert weil er nicht pünktlich zur Arbeit gekommen ist. ich kann auch nicht jeden Tag eine Stunde zu spät zur Arbeit kommen weil ich aus Klimaschutzgründen 30 KM zu Fuß laufe.

    • @Martin Sauer:

      Na der Vergleich hinkt ja gewaltig. Herr Grimalda wollte ja nicht nach Hause laufen. Versuchen Sie es doch mal mit ÖPNV oder Fahrrad. Da fahren Sie einfach eher los und sind trotzdem pünktlich auf Arbeit. Die Stunde, die sie täglich länger unterwegs sind, sparen Sie dann am Wochenende beim Fitnesscenter wieder ein.

    • @Martin Sauer:

      Sie arbeiten als Wissenschaftler im Urwald oder haben eine vergleichbare Tätigkeit um von sich auf andere zu schießen?

    • @Martin Sauer:

      Soweit ich den Artikel verstanden habe war eine Einschränkung von Arbeitszeit oder -leistung ja eben gerade nicht gegeben weil er genauso gut unterwegs hätte arbeiten können.

    • @Martin Sauer:

      Übrigens hatte Grimalda unbezahlten Urlaub angeboten für die Dauer der Rückreise.....

      • @ThomLa:

        "Für die Dauer der Rückreise" ist eine wichtige Einschränkung, denn er ist die Rückreise ja nicht angetreten - und das zum Zeitpunkt der Eskalation offenbar bereits seit 2,5 Monaten.

        Der Arbeitgeber hat ihm die Zeit gegeben auf die von ihm gewünschte Art und Weise heimzureisen - das hat er nicht gemacht. Die Gründe dafür klingen plausibel, aber ebenso ist die Position des Instituts: Wenn Fliegen die einzige Möglichkeit der Heimreise ist, dann muss man diese Kröte schlucken.

        Der Kompromiss wäre halt "ab sofort Urlaub" und nicht "für die Dauer der irgendwann stattfindenden Heimreise"

    • @Martin Sauer:

      Interessanter Vergleich. Ich denke Sie sollten mit Ihrem Arbeitgeber nach einer Lösung suchen, die Ihnen erlaubt auch ohne oder zumindest reduzierter Verbrennung fossiler Rohstoffe Ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Das sollte auch im Interesse Ihres Arbeitgebers sein, der vielleicht auch Kinder und Enkel hat, die schauen müssen, wie sie mit den Auswirkungen der Klimakrise zurecht kommen.

      • @ThomLa:

        Das kann man sicherlich machen, aber wenn die Alternative 30-60 Tage Rückreise mit dem Schiff oder ähnlichem bedeutet, dann ist da keine Lösung akzeptabel für Arbeitgeber. Das geht dann schon deutlich über jede Absprachemöglichkeit hinaus.

        Und unbezahlter Urlaub ist schön und gut, aber wenn das Institut ihn ja vor Ort haben will, dann bedeutet das ja, dass sie ihn brauchen. Unbezahlter Urlaub löst das Problem nicht für den Arbeitgeber.

    • @Martin Sauer:

      Ja, aber genau um diesen Zwiespalt, um einen Vergleich von Werten (Punkt 8 Uhr in Präsenz irgendwo sitzen vs Flexibilität und die Rettung des Planeten Erde) geht es ja.

      BTW ist 30 km Auto fahren und Zehntausende km Fliegen nicht vergleichbar.

      • @N.Laj:

        Ja ist kaum Vergleichbar, daher ist es auch für einen Arbeitgeber kaum möglich zu akzeptieren, dass Grimalda nicht fliegt, da alle anderen Reismöglichkeiten wirklich unpraktikabel sind. Es handelt sich hier nicht um einen tatsächlich unnötigen "Kurzstreckenflug".

      • @N.Laj:

        Wenn man die 30km jeden Tag hin und zurück fährt ist das sogar sehr gut vergleichbar.

  • "Grimalda sagt, sein Vertrag beim Kieler IfW sei „fantastisch“, ein Job, wie er ihn mit seinen 51 Jahren wohl nicht mehr finden werde. 3.700 Euro netto, 30 Tage Urlaub, alle Freiheiten in der Forschung. All das setzt er jetzt aufs Spiel."



    Und nicht nur das. Auch die Fortführung seiner Forschungen gefährdet er damit. Eine Abwägung der Nützlichkeiten wäre angeraten.

  • Da hat sich jemand verrannt und andere zeigen mit dem Finger auf die vermeintlich Bösen…

  • Vielleicht ein gutes Beispiel / Vorbild für unsere - vor allem auch grünen - Politiker, die für sich ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen, sich persönlich an die von ihnen aufgestellten Forderungen nicht halten zu müssen.