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Hungerstreik in UngarnMaja T. wird in Haftkrankenhaus verlegt

Seit fast einem Monat ist Ak­ti­vis­t*in Maja T. in ungarischer Haft im Hungerstreik. Nun wird T. in ein Haftkrankenhaus verlegt, fernab von Budapest.

„Free Maja“: Banner am Rande der Queer-Pride-Parade im Juni 2025 in Dresden Foto: Jürgen Lösel, dpa

Berlin taz | Seit knapp einem Monat ist Maja T. im Hungerstreik, bis Montag in einem Budapester Gefängnis. Nun wird Maja T., non­bi­nä­r*e Ak­ti­vis­t*in aus Thüringen, wegen des Gesundheitszustands in ein Haftkrankenhaus verlegt, 260 Kilometer von Ungarns Hauptstadt entfernt, an der Grenze zu Rumänien. Das bestätigten der Vater und der Anwalt von Maja T. der taz.

Wolfram Jarosch, der Vater von Maja T., erneuerte deshalb seine Forderung, sein Kind nach Deutschland rückzuüberstellen. Dass Maja zu solch einem drastischen Mittel eines Hungerstreiks greifen müsse, sei ein Skandal. „Diese Haftbedingungen sind nicht nur unmenschlich, sie sind lebensgefährlich.“ Jarosch forderte die deutsche Politik auf, dem Fall nicht weiter zuzuschauen. „Die Verantwortlichen müssen Druck machen, damit Maja sofort in den Hausarrest kommt – und ein faires Verfahren in Deutschland erhält.“

Laut Jarosch hat Maja T. seit Beginn des Hungerstreiks mehr als 10 Kilogramm Gewicht verloren und leidet zunehmend unter Erschöpfung. Jarosch selbst befindet sich derzeit auf einem Fußmarsch von Jena, der Heimatstadt von Maja T., nach Berlin. Dort will er einen Besuchstermin bei Außenminister Johann Wadephul (CDU) erreichen, damit ihm dieser „substanzielle Unterstützung“ für sein Kind zusagt. Im Gepäck hat Jarosch eine Petition mit nach eigener Auskunft 100.000 Unterschriften, die sich ebenfalls für Maja T. einsetzt. Am Montagabend hatte Jarosch Leipzig erreicht.

Auch der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan forderte, die Bundesregierung müsse angesichts des sich „rapide verschlechternden“ Gesundheitszustands von Maja T. eine Rücküberstellung aus Ungarn nach Deutschland „sofort zur Priorität machen“. „Was muss noch passieren, damit SPD und CDU endlich aufwachen?“ Die Auslieferung von Maja T. sei rechtswidrig erfolgt, erinnerte Schirdewan. „Dieses Unrecht muss behoben werden. Das ist die Verantwortung der Bundesregierung.“

Eine „Katastrophe mitten in Europa“

Schirdewan hatte erst vor wenigen Tagen Maja T. in der Haft in Budapest besucht – so wie auch mehrere weitere Europa- und Bundestagsabgeordnete, darunter Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Daniel Freund (Grüne), Carola Rackete (Linke) oder Falko Droßmann (SPD). Auch die Grünen- und Linken-Politiker*innen forderten eine Rücküberstellung von Maja T. nach Deutschland und einen Prozess hierzulande. „Wir wollen, dass sie ein Verfahren bekommt, das rechtsstaatlich einwandfrei ist“, erklärte Göring-Eckardt. „Wir wollen, dass Maja T. nach Deutschland überstellt wird.“ Der Fall sei eine „Katastrophe mitten in Europa“.

Maja T. wird vorgeworfen, mit anderen Autonomen im Februar 2023 mehrere Rechtsextreme in Budapest schwer angegriffen zu haben, am Rande des europäischen Neonazi-Aufmarschs „Tag der Ehre“. Nach einer Fahndung wurde T. im Dezember 2023 in Berlin gefasst. Sechs Monate später erlaubte das Berliner Kammergericht die Auslieferung nach Ungarn – rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte, da das Gericht die Haftbedingungen für nonbinäre Menschen in Ungarn nicht ausreichend geprüft habe.

Seit Februar steht Maja T. nun in Budapest vor Gericht, wurde dort in Ketten vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft droht mit einer Strafe von bis zu 24 Jahren Haft. Anfang Juni war Maja T. dann in den Hungerstreik getreten, um bessere Haftbedingungen und eine Rücküberstellung nach Deutschland zu erreichen. Das Gericht hatte zuletzt erneut einen Antrag auf einen Hausarrest für T. abgelehnt. Nun befindet sich der Prozess bis September in der Sommerpause.

Deutsche Ministerien sehen keine Handlungsoption

Das Auswärtige Amt von Johann Wadephul hatte zuletzt erklärt, Maja T. konsularisch zu betreuen, den Prozess zu beobachten und sich für bessere Haftbedingungen einzusetzen. Über eine mögliche Ausreise nach Deutschland müssten aber ungarische Gerichte entscheiden. Ähnlich äußerte sich auch das Bundesjustizministerium von Stefanie Hubig (SPD).

Wolfram Jarosch, der Vater von Maja T., dagegen drängt zum Handeln. „Jeder Tag in Haft ist ein Risiko für das Leben meines Kindes. Ich mache mir große Sorgen. Die Untätigkeit der Politik gefährdet Maja direkt.“

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7 Kommentare

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  • Wer in Kommentaren lediglich die Täter-Opfer-Umkehr beklagt, der hat leider die Tragweite dieses Falls nicht ganz durchschaut.

    Die politischen Dimensionen werden weitgehend übersehen. In Orbans Ungarn ist Recht längst keine Konstante mehr und die Justiz weder unabhängig, noch neutral.

    Der Prozess im queerfeindlichen Ungarn bietet für die Regierung gleich zwei willkommene Anlässe. Die Verachtung, in Ungarn sogar per Gesetz, nicht Existenz, non-binärer Personen zum Ausdruck zu bringen und ein noch viel gewichtigeres Argument, die Geringschätzung und Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und des Rechtsstaats in Deutschland klar zum Ausdruck zu bringen.

    Die Italiener haben es eher begriffen, dass derartige Alibiprozesse der ungarischen Regierung als reine Machtdemonstrationen dienen, um ihre Botschaft der Geringschätzung europäischer Grundsätze in die EU zu senden. Die Intervention gegen die Antifaschistin Ilaria Salis erfolgte nicht nur durch die Faschistin Melonie sondern wurde von einer breiten Öffentlichkeit begleitet.

    Und der deutsche Staat ? Betätigt sich als Erfüllungsgehilfe, greift dabei noch auf zweifelhafte rechtsstaatliche Mittel zurück und schweigt ansonsten.

  • Der Fall zeigt überdeutlich, wozu unverhältnismäßig, böswilliges Handeln von Sicherheitsbehörden führen kann. Niemanden wäre ein Schaden entstanden, hätte man vor der Überstellung nach Ungarn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abgewartet.



    Dass die dafür Verantwortlichen jemals zur Rechenschaft gezogen werden, halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich.



    Das Ganze erinnert doch stark an die Politik Trumps.

  • Das Innenministerium und Herr Dobrint haben bereits geltende Gesetze gebrochen und sich mitschuldig gemacht an dem gesundheitlichen Zustand von Maja. Was muss eigentlich alles passieren, dass ein angeblich christlicher Politiker auf diese Weise handelt? Wer hatte damals Jesus verraten?

  • „Diese Haftbedingungen ... sind lebensgefährlich.“



    Für den Hungerstreik kann man niemanden außer Maja T. selbst verantwortlich machen, sie hat es so entschieden. Dass sie verurteilt wurde ist bei ihren brutalen Taten gerechtfertigt. Dass sie ausgeliefert wurde, halte ich für grundsätzlich falsch. Kein deutscher Staatsbürger sollte ins Ausland ausgeliefert werden, auch nicht innerhalb der EU. Hier verurteilen, hier hinter Gitter.

  • Mich befremdet das echt. Zwar gilt die Unschuldsvergütung, aber die Aufmerksamkeit zeigt schon eine Täter/Opfer-Verwechslung.

  • Im taz-Beitrag zur Verlegung von Maja T. in ein Hafthospital wird deutlich, wie selbstkritischer Journalismus im Fall dieses Hungerstreiks fast unmerklich zur Täter-Opfer-Umkehr neigt. Die Menschen, die laut Anklage „Rechtsextreme“ seien, bleiben anonym – es fehlen Namen, Hintergründe, Kontext. Stattdessen bleibt eine diffus beschriebene Gruppe, über deren tatsächliche Überzeugungen oder Aktivitäten nichts bekannt ist. Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck: Die waren halt extrem – also sei Gewalt gegen sie irgendwie gerechtfertigt.

    Doch Gewalt bleibt Gewalt, auch wenn sie gegen Personen richtet, denen man selbst nicht zustimmt. Der Artikel schildert eindrucksvoll den gesundheitlichen Verfall von Maja T. im Hungerstreik – und gleichzeitig wird kaum Raum für Empathie mit den Verletzten eingeräumt. So entsteht ein verzerrtes Bild: Die einen sind schlicht unfähig zur Menschlichkeit, die anderen verdienen keinerlei Empathie.

    Echte, konsequente Kritik an Rechtsextremismus müsste auch hier gelten – nämlich unmissverständlich gegen politische Gewalt, gleich von welcher Seite. Wer das Opferbild eines Menschen zerstört, dem fehlt jede Grundlage für eine demokratische Gesellschaft.

  • Jedes handeln hat Konsequenzen.