Hilfe bei der Wahlentscheidung: Darum ist der „Real-O-Mat“ besser als der „Wahl-O-Mat“
Mit dem Tool von FragdenStaat kann man seine eigene politische Haltung mit der von Parteien vergleichen. Und herausfinden, ob sie ihre Versprechen halten.
Die Brandmauer steht, war immer das Versprechen von Regierungsparteien, Linken und Union. Nachdem die Vielbeschworene nun auch im Bundestag von der Union niedergerissen wurde, sind viele empört.
Ausgerechnet am Tag des Brandmauerfalls hat FragdenStaat ein neues Wahl-Informationstool veröffentlicht. Mit dem „Real-O-Maten“ können Interessierte ihre politischen Einstellungen mit dem tatsächlichen Abstimmungsverhalten der Parteien im Bundestag abgleichen.
Der von der Bundeszentrale für politische Bildung betriebene „Wahl-O-Mat“, das bekanntere Original, vergleicht die eigene Haltung lediglich mit Versprechen wie dem Einhalten des 1,5-Grad-Ziels und Wahlprogrammen der Parteien. Schon länger paktiert die Union trotz Gerede über Brandmauern auf kommunaler Ebene mit den Rechtsextremen. Der „Real-O-Mat“ ermöglicht es, die Unterschiede zwischen den Wahlversprechen und dem tatsächlichen Handeln der Bundestagsparteien sichtbar zu machen.
„Los geht’s!“, der erste Klick ist getan. Noch einen Hinweis auf den Unterschied zu anderen Wahlentscheidungstools wegklicken, dann kommt man zur ersten Frage. Soll man Bürgergeldempfänger:innen, die wiederholt Arbeit abgelehnt haben, das Geld streichen? Darauf gibt es drei Antwortmöglichkeiten, abgeleitet vom Abstimmverhalten der Bundestagsparteien: Ja, finde ich auch“, „Nein, geht mir zu weit“ oder „Nein, geht mir nicht weit genug“.
Danach folgen 19 weitere Thesen, zu denen man Stellung beziehen kann. Sie reichen von asyl- und migrationspolitischen Fragen über das Deutschlandticket, den Krieg gegen die Ukraine und die Schuldenbremse bis hin zu Datenschutz und Impfpflicht.
Empfohlener externer Inhalt
Zur Formulierung dieser 20 Thesen hat FragdenStaat Gesetzentwürfe und Anträge analysiert, über die in der Legislaturperiode von September 2021 bis Dezember 2024 abgestimmt wurde. Bei Enthaltungen wurden die jeweiligen Begründungen der Parteien ausgewertet.
Anschließend kann man einzelne Thesen, die man für besonders wichtig hält, doppelt gewichten. Auf Prozentpunkte genau wird dann die Übereinstimmung der eigenen Haltung mit jener der acht im Bundestag vertretenen Parteien berechnet. Hier kann man, auch in gewohnter „Wahl-O-Mat“-Manier, die einzelnen Antworten der Parteien miteinander vergleichen.
Auf dem dritten Reiter der pastellfarbenen Benutzeroberfläche stehen die Begründungen. Wenn die Parteien ihr Abstimmungsverhalten im Bundestag nicht inhaltlich begründet haben, bewertet der Real-O-Mat die Partei zur betreffenden These nicht. FragdenStaat liefert zu jeder der auf Abstimmung basierenden Begründungen Nachweise mit. Transparenter als das Original ist das Tool also definitiv.
Der „Real-O-Mat“ ist ein hilfreiches Werkzeug. Denn insbesondere SPD und Grüne inszenieren sich gerne als linke Parteien. Zum Beispiel versprachen die Grünen im Frühjahr 2024 auf ihrer Webseite noch, dass sie vorgezogene Asylverfahrensprüfungen an den Außengrenzen ablehnen. Das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (Geas), die größte Asylrechtsverschärfung seit Jahrzehnten, verhinderten sie im Mai 2024 trotzdem nicht. Das Versprechen auf ihrer Webseite war da schon nicht mehr auffindbar.
Ein „Wahl-O-Mat“ kann nur funktionieren, wenn Parteien ihre Versprechen zumindest im Kern halten. Das Tool von FragdenStaat zeigt hingegen die Wirklichkeit: Rechte Politik ist schon lange kein Alleinstellungsmerkmal von AfD und Union mehr. Der Real-O-Mat lohnt sich.
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