Grenzkontrollen haben kaum Effekt: Nicht gut für die Demokratie
Die Grenzkontrollen wirken nicht, das ist nicht neu. Das eigentliche Problem ist, dass die Regierung damit unrealistische Erwartungen geweckt hat.
E s ist nicht überraschend, dass die vor einer Woche ausgeweiteten Grenzkontrollen laut der Polizeigewerkschaft GdP kaum einen Effekt haben. Neu sind schließlich nur die Überprüfungen an den Übergängen zu den Benelux-Staaten und Dänemark, von wo noch nie viele Geflüchtete kamen. Dort, wo die großen Fluchtrouten nach Deutschland einmünden, vor allem im Südosten, wird schon lange kontrolliert. Und löchrig sind die Kontrollen ohnehin überall, auch, weil der Bundespolizei Personal und Gerät fehlen.
Anders als es die GdP nun darstellt, ist das Problem aber gerade nicht, dass nach wie vor Geflüchtete nach Deutschland kommen. Verhängnisvoll ist vielmehr, dass die Bundesregierung suggeriert hat, es werde anders kommen. Nancy Faeser sagte am Tag vor der Ausweitung der Kontrollen etwa, die Grenzkontrollen ermöglichten eine „massive Ausweitung der Zurückweisungen“. Dabei war schon damals klar, dass der Effekt gering sein würde.
Das folgt einem verheerenden Muster, das Debatte und Regierungshandeln in der Migrationspolitik schon länger prägt. Erst kündigen Politiker*innen Maßnahmen an, von denen sie sich Zuspruch aus der Bevölkerung versprechen.
In diesem Fall: Wir kontrollieren an den Grenzen und sorgen dafür, dass weniger Geflüchtete kommen. Das weckt gewaltige Erwartungen in den Teilen der Bevölkerung, die für rechte Politik empfänglich sind.
Ein Teufelskreis mit rechten Fliehkräften
Nur müssen diese Erwartungen zwangsläufig enttäuscht werden, weil das Angekündigte entweder gar nicht oder nicht so umsetzbar ist, wie vorab suggeriert wurde.
Im konkreten Fall: Die deutschen Grenzen lassen sich eben nicht komplett abdichten. Die Ressourcen der Bundespolizei sind begrenzt. Deutschland ist gebunden an EU-Recht und muss Geflüchtete, die einen Asylantrag stellen wollen, auch dann ins Land lassen, wenn eigentlich ein anderer Staat zuständig ist.
Nachdem sie die rechte Stimmung erst angefacht hat, muss eine solche Politik zwangsläufig zu Enttäuschung führen. Man muss keine Politikwissenschaftlerin sein, um zu erkennen, dass das nichts Gutes für die Demokratie bedeutet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels