Gestiegene Getreidepreise: Putins Weizenlüge
Anders als der russische Präsident behauptet, sind die Sanktionen des Westens nicht verantwortlich für den Preisanstieg bei Lebensmitteln.
R usslands Präsident Wladmir Putin hat mal wieder gelogen. Am Samstag behauptete er in einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, die „antirussischen Sanktionen“ sowie eine „fehlgeleitete Wirtschafts- und Finanzpolitik der westlichen Länder“ seien die Ursache für die drohende Lebensmittelkrise. Putin schiebt dem Westen die Schuld dafür zu, dass wegen der stark gestiegenen Preise etwa für Getreide möglicherweise weitere Millionen von Menschen in Entwicklungsländern hungern werden.
Wahr ist, dass sich Weizen schon Monate vor dem russischen Angriff auf den wichtigen Produzenten Ukraine verteuert hatte, zum Beispiel wegen der gestiegenen Energiepreise und der Coronapandemie. Aber der extreme Preisanstieg für das Getreide um rund 60 bis 70 Prozent hat erst begonnen, als Russland fast die gesamte ukrainische Schwarzmeerküste durch Marinemanöver blockierte und am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte – die seither nur noch einen Bruchteil der üblichen Menge exportieren kann.
Von den Strafmaßnahmen gegen Moskau sind Getreide- oder Sonnenblumenöl-Exporte explizit ausgenommen. Russland darf nicht mehr Holz, Kaviar oder Wodka in die EU oder in die USA verkaufen, Getreide und andere Lebensmittel aber schon. Russische Getreidelieferungen können auch weiterhin bezahlt werden, denn nur ein Teil der dortigen Banken ist vom Überweisungssystem SWIFT ausgeschlossen worden. Und: Die besonders von Getreideimporten aus Russland und der Ukraine abhängigen Staaten in Nordafrika und dem Nahen Osten haben überhaupt keine Sanktionen verhängt.
Die Hauptschuld an den aktuellen Risiken für die Welternährung trägt also Putin selbst– und wenn er noch so laut das Gegenteil behauptet. Russland hat ein Exportverbot für Getreide verhängt. Putins Truppen verhindern, dass die Ukraine mehr Getreide ins Ausland liefert. Und die von Russland begonnenen Kampfhandlungen halten Bauern von der Feldarbeit ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind