+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Grundgesetzänderung beschlossen

Der Bundestag hat den Weg für das Bundeswehr-Sondervermögen geebnet. Der ukrainische Parlamentspräsident ist zu Besuch in Berlin.

Die Abgeordneten werfen ihre Stimmkarten in der Lobby im Bundestag ein Foto: dpa

Bundestag beschließt Grundgesetzänderung für Bundeswehr-Aufrüstung

Der Bundestag hat mit einer Änderung des Grundgesetzes den Weg für Milliarden-Investitionen in die Bundeswehr geebnet. Die Abgeordneten stimmten am Freitag mit breiter Mehrheit dafür, einen neuen Absatz 87a in die deutsche Verfassung aufzunehmen. Es gab 567 Ja-Stimmen – 491 wären bereits ausreichend gewesen. In dem neuen Artikel wird geregelt, dass für die Bundeswehr an der Schuldenbremse vorbei Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro aufgenommen werden dürfen. Damit die Änderung in Kraft treten kann, muss auch der Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen.

Mit dem Geld soll in den nächsten Jahren eine bessere Ausrüstung für die Streitkräfte angeschafft werden. Dabei geht es um Flugzeuge, Panzer und Munition, aber auch um persönliche Ausrüstung der Soldaten wie etwa Nachtsichtgeräte oder Funkgeräte. Das Paket ist eine Reaktion auf die erschütterte europäische Friedensordnung durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Die Bundeswehr soll eine vollständig einsatzfähige Armee werden. (dpa)

UN: Krieg könnte global 1,4 Milliarden Menschen betreffen

Der Krieg in der Ukraine könnte laut den Vereinten Nationen massive globale Auswirkungen haben. Etwa 1,4 Milliarden Menschen könnten von Nahrungsmittelknappheit betroffen sein, wenn Exporte von Getreide aus der Ukraine und Dünger aus Russland weiter ausblieben, sagte Amin Awad, der UN-Krisenkoordinator für die Ukraine, am Freitag bei einer Online-Pressekonferenz der Vereinten Nationen. Es sei deshalb unbedingt notwendig, dass die Handelsrouten über das Schwarze Meer nicht länger blockiert bleiben. „Wenn die Öffnung der Häfen scheitert, wird das Hunger, Destabilisierung und Massenmigration auf der ganzen Welt zur Folge haben“, sagte Awad, der aus Kiew zugeschaltet war. (dpa)

Eine Person verteilt Weizen auf einem großen Haufen

Rund 30 Prozent des weltweiten Weizenangebots stammen aus Russland und der Ukraine Foto: reuters

Scholz nimmt Einladung nach Kiew „freundlich zur Kenntnis“

Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine Einladung des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk, in der Rada in Kiew zu sprechen, „freundlich zur Kenntnis“ genommen, wie ein Regierungssprecher in Berlin sagt. Über die Reisepläne des Kanzlers werde die Öffentlichkeit informiert, wenn diese feststünden, fügt er hinzu. Scholz empfing Stefantschuk am Morgen im Kanzleramt. (rtr)

Ukraines Parlamentspräsident: Deutschlandbesuch Selenskis denkbar

Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk kann sich vorstellen, dass Staatschef Selenski Deutschland besucht, wenn sich das Kriegsgeschehen positiv für die Ukraine entwickelt. „Wenn der Sieg naht, dann denke ich, wird er (Selenski) schon Besuche in verschiedenen Ländern machen und zu einem offiziellen Besuch nach Deutschland kommen“, sagte Stefantschuk der Deutschen Presse-Agentur am Freitag nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin laut offizieller Übersetzung.

Stefantschuk lud Scholz auch ein, im ukrainischen Parlament Rada zu reden. „Er hat sich bei mir bedankt, und nun bleibt zu hoffen, dass er die Einladung annimmt“, sagte der Parlamentspräsident. „Ich bin sehr optimistisch. Deswegen werde ich mal hoffen, dass er nach seinem Dank auch die Annahme der Einladung ausspricht.“

Der großgewachsene ukrainische Parlamentspräsident Stefantschuk steht neben Kanzler Olaf Scholz.

Scholz begrüßt Ruslan Stefantschuk, Präsident des ukrainischen Parlaments, vor dem Bundeskanzleramt Foto: dpa

Scholz ist auch von Selenski schon nach Kiew eingeladen worden. Zuletzt hatte er gesagt, dass er nur in die ukrainische Hauptstadt reisen werde, wenn konkrete Dinge zu regeln seien. „Ich werde nicht mich einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge“, sagte er Mitte Mai in einem Interview. (dpa)

Linke scheitert mit Intervention gegen 100-Milliarden-Sondertopf

Die Linke ist im Bundestag mit einer Intervention gegen eine umgehende Entscheidung über das 100-Milliarden-Paket für die Ausrüstung der Bundeswehr gescheitert. Neben der Linken-Fraktion war am Freitag noch die AfD dafür, nicht schon am heutigen Freitag über das sogenannte Sondervermögen und die nötige Grundgesetzänderung zu entscheiden. Die Fraktionen der Ampel-Koalition und der Union votierten aber dafür, an der geplanten Tagesordnung des Bundestages festzuhalten.

„Sie haben vorgeschlagen, heute die Grundgesetzänderung plus 100 Milliarden Euro Sondervermögen in 78 Minuten Debatte hier abzuhandeln“, kritisierte der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, vor dem Votum. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, bemängelte, es müsse über Papiere entschieden werden, die „in Hinterzimmern ausgekungelt“ worden seien. Er plädierte dafür, eine Entscheidung in die kommende Sitzungswoche zu verschieben. (dpa)

Tschad erklärt „Nahrungsmittelnotstand“

Der Tschad hat wegen der steigenden Preise für Lebensmittel infolge des Ukraine-Kriegs den Notstand ausgerufen. „Mit diesem Erlass wird Nahrungsmittelnotstand ausgerufen“, erklärte der Vorsitzende der in dem afrikanischen Land regierenden Militärjunta, Mahamat Idriss Déby Itno,am Donnerstag. Er verwies auf die „ständige Verschlechterung der Nahrungsmittel- und Ernährungslage“ und warnte vor „wachsender Gefahr für die Bevölkerung“, wenn keine humanitäre Hilfe geleistet werde.

Infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine sind die Weltmarktpreise für Getreide stark gestiegen. Wegen der Kämpfe und der westlichen Sanktionen gegen Moskau sind die Lieferungen aus der Ukraine und Russland eingebrochen. Rund 30 Prozent des weltweiten Weizenangebots stammen aus diesen beiden Ländern.

Die Vereinten Nationen warnen, dass im Tschad 5,5 Millionen Menschen – mehr als ein Drittel der Bevölkerung – in diesem Jahr auf humanitäre Hilfe angewiesen sein könnte. Das Welternährungsprogramm schätzte im März, dass 2,1 Millionen Menschen im Tschad von Juni an von „schwerer Ernährungsunsicherheit“ betroffen sein werden. (afp)

Habeck erwartet große Auseinandersetzungen über Kosten des Kriegs

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erwartet im Herbst und Winter große gesellschaftliche Auseinandersetzungen über die Folgekosten des russischen Kriegs gegen die Ukraine. „Wir werden einen dramatischen Anstieg der Heizkosten erleben“, sagte er am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Ob da dann die politischen Maßnahmen ausreichen, um gesellschaftlichen Frieden und das Gefühl, dass es fair in diesem Land zugeht, durchzuhalten, das wird die entscheidende Frage des Herbstes und des Winters werden. Da bin ich noch nicht ganz sicher“, erklärte er auf die Frage, ob Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine und den Sanktionen gegen den Angreifer Russland die Puste ausgehen könnte.

Habeck wies darauf hin, dass mit zunehmender Kriegsdauer hierzulande ein Gewöhnungseffekt einsetzen könnte. Andere Themen bis hin zur Fußball-Bundesliga könnten die Empörung über die russische Aggression und die Gräueltaten verdrängen. (dpa)

Ukraine besteht weiterhin auf Rückgabe der Krim

Die Ukraine besteht weiterhin auch auf die Rückgabe der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim. „Wir werden auf die Krim nie verzichten. Das ist klar“, sagt der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, im ZDF am 100. Tag des Krieges. Die Frage sei jedoch wann. „Wir sind realistisch. … Wir verstehen, dass wir nach wie vor unterlegen sind.“ Erstes Ziel, „auch um die Verhandlungen zu beginnen, und zwar ernsthaft“, wäre daher die Rückeroberung der seit dem Beginn des Kriegs am 24. Februar von Russland besetzten Gebiete. Und andere Ziele, die Krim und auch Teile vom Donbass, der schon seit dem Jahr 2014 besetzt sei, „auch zurückzuholen, das sind Ziele, die natürlich bleiben werden.“ (rtr)

Sjewjerodonezk fast komplett in russischer Hand

Die ostukrainische Stadt Sjewjerodonezk ist dem Gouverneur der Region Luhansk zufolge fast komplett unter russischer Kontrolle. „Was die heutige Situation in Sjewjerodonezk betrifft, muss ich leider sagen, dass es der russischen Armee gelungen ist, tief in die Stadt vorzudringen. Sie kontrolliert den größten Teil der Stadt“, sagt Serhij Gaidai dem Fernsehsender „Ukraina 24“. Die ukrainischen Kämpfer hielten ihre Stellungen in einem Teil der Stadt aber aufrecht. „Ich würde also Skeptikern raten, Sjewjerodonezk nicht abzuschreiben. Dafür ist es noch zu früh. Die Stadt hält stand“, so der Gouverneur. (rtr)

Zerstörte Brücke in Sjewjerodonezk

Zerstörte Brücke in Sjewjerodonezk Foto: reuters

Parlamentspräsident fordert zügige Waffenlieferung

Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk drängt auf eine zügige Lieferung der von Deutschland versprochenen Waffen für die Ukraine. „Jetzt geht es darum, dass die Entscheidungen schnell umgesetzt werden“, sagt Stefantschuk den Zeitungen der Funke Mediengruppe einem Vorabbericht zufolge. Er begrüßt gleichzeitig die jüngste Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Waffen wie das Luftabwehrsystem Iris-T in die Ukraine zu schicken. Es gebe im Moment nicht nur eine Zeitenwende, sondern eine grundsätzliche Wende, so Stefantschuk: „Die Menschen in Europa spüren: Der Frieden in der Welt ist nicht sehr stabil. Und Russlands Präsident Wladimir Putin hat nur den ersten Schritt gemacht. Wenn die Ukraine den Krieg verliert, werden russische Truppen innerhalb eines Monats in Polen, Litauen, Estland und Lettland sein.“ (rtr)

Nato-Generalsekretär sagt erneut langen Krieg voraus

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat erneut einen langen Krieg in der Ukraine vorausgesagt. „Kriege sind von Natur aus unberechenbar“, sagte Stoltenberg am Donnerstag nach einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden und dessen Nationalem Sicherheitsberater, Jake Sullivan, im Weißen Haus in Washington. „Deshalb müssen wir uns einfach auf eine lange Strecke einstellen.“ Der Konflikt sei zu einem Zermürbungskrieg geworden, in dem beide Seiten einen hohen Preis auf dem Schlachtfeld zahlten. Die meisten Kriege endeten am Verhandlungstisch. Das werde vermutlich auch in diesem Fall passieren, sagte Stoltenberg. Die Aufgabe der Nato-Verbündeten sei es, die Ukraine in dem Konflikt zu unterstützen, um den bestmöglichen Ausgang für das Land zu erreichen.

Stoltenberg wollte in Washington auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin treffen. Sein Besuch diente vor allem der Vorbereitung des anstehenden Nato-Gipfels Ende Juni in Madrid. (dpa)

Behörden rufen am 100. Kriegstag zum Durchhalten auf

Mit Durchhalteparolen haben die ukrainischen Behörden den 100. Tag der russischen Invasion begonnen. „Heute kämpfen und halten wir jeden Meter der Region Luhansk“, sagte Regionalgouverneur Serhij Gajdaj am Freitagmorgen. In den vergangenen hundert Tagen hätten die russischen Angriffe in der Region 33 Krankenhäuser, 237 ländliche Gesundheitseinrichtungen, fast 70 Schulen und 50 Kindergärten zerstört.

Schwer umkämpft ist insbesondere die Industriestadt Sjewjerodonezk, die letzte Bastion der Ukrainer in der Region Luhansk. Nach Gajdajs Angaben vom Vortag kontrollieren die russischen Truppen 80 Prozent der Stadt. Ukrainische Soldaten halten sich demnach noch im Industriegebiet der Stadt verschanzt.

Der ukrainische Präsident Selenski sagte jedoch in der Nacht, die Verteidiger hätten „im Kampf um Sjewjerodonezk einige Erfolge erzielt“. Es bleibe jedoch „derzeit das schwierigste Gebiet“. (afp)

Baerbock sagt Ukraine Solidarität zu

Einhundert Tage nach Kriegsbeginn hat Außenministerin Annalena Baerbock der Ukraine ihre Solidarität und eine lange Unterstützung auch mit weiteren Waffen zugesagt. In einem Gastbeitrag für Bild (Freitag) sagt Baerbock: „Wir werden der Ukraine weiter beistehen. So lange, bis es keine weiteren Butschas mehr gibt. Damit auch für die Menschen in der Ukraine das wieder normal ist, was für uns eine solche Selbstverständlichkeit ist: Ein Leben in Freiheit.“ Baerbock betonte, dazu zählten auch weitere Waffenlieferungen: „Putin setzt auf Ausdauer – und auf Erschöpfung bei uns. Und jedem Dorf droht das Schicksal von Butscha. Deswegen müssen wir gerade jetzt der Ukraine weiter beistehen. Auch mit Waffen, weil Putin mit Worten nicht zu stoppen ist.“ (rtr)

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