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Flüchtlingsdramen in NordafrikaEuropa ignoriert den Rest der Welt

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Bekämpfung von Fluchtursachen spielt für die EU keine Rolle. Das Ziel ist nun, schutzsuchende Menschen um jeden Preis fernzuhalten.

Flüchtende, die das Mittelmeer überqueren wollten, abgefangen an der Küste der südtunesischen Stadt Sfax im Juni 2023 Foto: Hasan Mrad/IMAGESLIVE via ZUMA Press Wire

ber die Hälfte der Bevölkerung von Sudan, 17,7 Millionen Menschen, haben nach UN-Daten zu wenig zu essen. Ein Zehntel, über 4 Millionen, sind akut unterernährt. Knapp 9 Millionen sind inner- und außerhalb des Landes auf der Flucht. Jenseits der Grenzen, etwa in Tschad, mangelt es an allem. Es gibt humanitäre Hilfswerke, aber sie haben kein Geld. Während die Welt zu Recht auf den Horror in Gaza starrt, gerät der Horror in Sudan knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn zwischen den mächtigsten Generälen des Landes in Vergessenheit. Wer kann, flieht. Wer nicht kann, stirbt.

Das ist Afrikas unsichtbare Realität, deren sichtbares Ende sich in Elends­lagern „illegaler“ Flüchtlinge in Nord­afrika und kenternden überfüllten Booten im Mittelmeer manifestiert. Nicht nur in Sudan, in vielen Ländern von Mali bis Kongo kollabieren ganze Gesellschaften unter der Wucht der mutwilligen oder schleichenden Zerstörung ihrer Lebensverhältnisse.

Europa begegnet dieser Realität mit einer Mischung aus Härte und Blindheit. Die Härte besteht in der Entschlossenheit, „illegale“ Migration zu stoppen, den Zugang zu Asylverfahren zu erschweren und die Deportation von Schutzsuchenden zu erleichtern. Dafür schließt die EU Abkommen mit autoritär regierten Transitstaaten wie Tunesien, Ägypten oder Mauretanien, wo Grundrechte nicht gelten. Die Blindheit besteht darin, die Gründe zu ignorieren, aus denen sich Menschen in Bewegung setzen und für die Aussicht auf ein besseres Leben ihr Leben aufs Spiel setzen.

„Fluchtursachen bekämpfen“ hieß jahrelang das zentrale Mantra der deutschen Flüchtlingspolitik: Bessere Lebensbedingungen in den Herkunftsländern verringern Emigration. Es war schon immer ein Trugschluss: Bessere Lebensbedingungen ermöglichen vielen Menschen überhaupt erst die Erweiterung ihres Horizontes. Aber immerhin wurde anerkannt, dass es Ursachen für Flucht gibt.

Heute ist von „Fluchtursachen bekämpfen“ keine Rede mehr. Europa will einfach keine Flüchtlinge mehr, zumindest keine außereuropäischen. Man bezahlt andere Länder nicht mehr für das Verringern von Fluchtursachen, sondern für das Unterbinden der Flucht. Sollen die Leute doch einfach hinter dem Mittelmeer unter sich klarkommen – Hauptsache, sie bleiben drüben. Notfalls gibt man dafür Unsummen von Geld aus und geht gleichzeitig weltweit auf Einkaufstour für Fachkräfte und grüne Energiequellen.

Europa will vom Reichtum im Rest der Welt profitieren und zugleich vom Elend im Rest der Welt nichts wissen. Wen wundert es da, wenn der Rest der Welt von Europa nichts wissen will? Wenn Europa seine Politik ohne den Rest der Welt macht, macht der Rest der Welt seine Politik ohne Europa. Bald wird der vergreisende Kontinent auf sich allein gestellt sein und die Welt nicht mehr verstehen. Und der Welt wird es egal sein.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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46 Kommentare

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  • Danke für ihr Interesse. Auf die von Ihnen gestellten Fragen möchte ich gerne antworten.

    Die Anzahl der von mir besuchten Beerdigungen hält sich in Grenzen, da es ausschließlich Trauerfeiern im familiären Kreis waren.

    Bei einigen Beerdigungen habe ich auch geweint, ich habe darüber aber nicht Buch geführt.

    Warum sollte ich auf Beerdigungen mir unbekannter Menschen gehen? Ich verstehe Ihre Frage nicht.

    Nein ich schenke weder ihnen noch meinem Nachbarn 1000 Euro, da haben Sie Recht. Lebte mein Bruder noch, würde ich dem möglicherweise Geld leihen.

    Ja, das Leiden und Sterben eines engen Freundes ginge mir näher als das vieler Menschen in der Welt.

    Ich muss gestehen, dass ich über die Ukraine bis vor einigen Jahren ebenso viel bzw. wenig wusste wie über viele Regionen Afrikas. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir das Land vor den Maidan Unruhen und dem Überfall durch Russland näher war als irgendein anderes Land auf der Welt. Darin mögen wir beide uns wohl unterscheiden.

    Zu ihrer Frage was ich täte, "wenn Putin käme":



    Na ja, wenn er alleine käme würde ich zumindest nirgendwohin flüchten.

  • Danke für den Artikel. Stimme voll zu. Kurz gesagt: wir haben über Jahrhunderte unseren Reichtum durch Ausbeutung des afrikanischen Kontinents aufgebaut, aber wenn die Menschen zu uns kommen wollen und einen winzigen Bruchteil von diesem Reichtum beanspruchen wollen, treten wir sie mit Füßen. Das einzige was Politiker an Afrika gerade interessiert ist die Tatsache, dass Russland und China dort immer mehr an Einfluß gewinnen, na und das sie natürlich schön billig natürliche Ressourcen bekommen. Für die Menschen interessieren sie sich einen Dreck. das war leider schon immer so. Im Grunde führt sich Europa noch immer wie ein Kolonialherr auf. Das einzige was mir Hoffnung gibt, ist das immer mehr afrikanische Regierungsvertreter westliche Politiker in ihrer Anwesenheit selbstbewusst auf ihre Doppelmoral und Verbrechen hingewiesen haben.

  • Und doch ist der Kommentar eurozentrisch.



    Wenn Europa die Lagen in Afrika, es sind ja viele verschiedene, ignoriert und Europa deswegen gehasst wird, warum wollen die „Schutzsuchenden“ dann nach Europa?



    Auch wird am Ende des Kommentars doch wieder mit Europa argumentiert - wegen der möglichen Vergreisung sollen junge Leute einwandern, also um die Haut der Europärer nochmal zu retten. Ist das Postkolonial hoch drei? Reiner Altruismus ist das nicht.

  • Interessant dass im Artikel nichts über den Hauptverursacher dieser Ungerechtigkeit, nämlich unsere kapitalistisches Wirtschaftssystem, zu lesen ist.



    Der Autor will vermutlich nicht auf den Konsum verzichten? Ist ja auch bequemer so.

    Aber wenn wir Alle so weitermachen, dann wird sich NIE friedlich etwas ändern!

    • @realnessuno:

      Gerade das kapitalistische Wirtschaftssystem hat nachweislich viele Menschen, gerade in Afrika, aus der Armut herausgebracht. Mit Antikapitalismus klappt nirgends auf der Welt auch nur irgendwas. Wenn dann noch Autokratie oder Diktatur hinzukommt wird’s noch schlimmer.

      • @Der Cleo Patra:

        „Gerade das kapitalistische Wirtschaftssystem hat nachweislich viele Menschen, gerade in Afrika, aus der Armut herausgebracht.“



        Steile These! Und geschickterweise so allgemein formuliert, dass sich ihre Aussage weder bestätigen noch verneinen lässt.



        Aber wie oft muss man es noch sagen? Das ökonomische System Kapitalismus hat nur wenig mit den jeweiligen gesellschaftspolitischen Modellen zu tun, in denen es sich ausbreiten konnte - es funktioniert in demokratischen Gesellschaften genau so wie in autokratischen oder in Diktaturen. China und Russland sind die besten Beispiele dafür.



        Was klar erscheint, ist die Feststellung, dass diese kapitalistische Ökonomie an ihr Ende gekommen ist - das Versprechen auf unbegrenztes Wachstum - verbunden mit Wohlstand, (individueller) Freiheit? Sicherheit und Frieden - gilt längst nicht mehr.



        Für die Mehrheit der Menschen im globalen Süden galt es ohnehin nie, nur für die reichen Eliten (und eine schmale Mittelschicht), die sich immer mehr bereicherten.

      • @Der Cleo Patra:

        Ach, gibt es Beweise dafür?

        Jahrhunderte lang haben es in Afrika Menschen geschafft, Nahrung zu beschaffen und zu überleben. Ohne Kapitalismus. Sonst würden wir bis in die Südspitze Afrikas nur Knochenfunde finden.

        Von Sklaverei blieben alle Menschen aus Afrika erstmal verschont. Bis drei Wellen gekommen sind: Die Römer, die Amerikaner und wir Kolonialisten letztendlich. Spätestens mit uns ist Elend über Afrika eingebrochen.

      • @Der Cleo Patra:

        "Armut" ist relativ und führt bei reiner Zahlenbetrachtung schnell zu Trugschlüssen.

        Wenn Sie sich und Ihre Familie vom eigenen Land ernähren, aber kein geregeltes Einkommen haben, sind Sie statistisch völlig verarmt.

        Wenn ein Großonzern jetzt kommt, das ganze Dorf enteignet und die ganze Familie nun im giftigen Schlamm nach Rohstoffen schürfen muss, die Sie verkaufen kann, sind Sie nur statistisch reicher geworden.

        Ich halte persönlich auch die freie Marktwirtschaft für eine gute Möglichkeit, die Perspektiven der Menschen zu verbessern.

        Nur braucht es dafür klare Strukturen und Grenzen.

        Wenn ungezügelter Kapitalismus auf Korruption / Vetternwirtschaft / Diktaturen trifft, dann wird es hässlich.

        Dann wird langfristig immer mehr Schaden angerichtet, als Wert geschöpft wird.

        Ob Kapitalismus+ Diktatur oder Sozialismus+ Diktatur schlimmer ist, kann vermutlich gar nicht wirklich objektiv beurteilt werden... und bleibt am Ende eine Meinungsfrage. ;-)

        Ich glaube eher K+D ist schlimmer, weil der Kapitalismus einfach effizienter ist bei der Vernichtung von Lebensgrundlagen.

  • Fluchtursachen können nur die Menschen vor Ort bekämpfen bedenkt man das die Fluchtursachen: Krieg, Tyrannei, Korruption etc. auch Dinge sind die es in Europa gibt trotz mehr Wohlstand selbst in Belarus, muss man vielleicht auch einfach einsehen das man die Welt nicht in ein Paradies verwandeln kann.

    Ich würde sogar noch weitergehen, da die meisten Menschen nicht vor zwischenstaatlichen Kriegen fliehen sondern vor Diktaturen und Bürgerkriegen verschärft Europa mit der Flüchtlingsaufnahme die Situation, mehr Menschen würden deutlich mehr Druck verursachen, Assad konnte sich bspw. nur durch Massenvertreibung halten, wäre das keine Option gewesen hätte er Kompromisse schließen müssen. So konnte er Millionen Menschen loswerden und seine Herrschaft stabilisieren. Für positive Veränderung ist richtig Druck im Kessel notwendig, wenn aber Europa regelmäßig Druck rauslässt verschärft es nur die Probleme.

  • Ja, aber was können wir denn machen?



    Wir können doch nicht allen helfen -oder....?

    Um es gleich vorweg zu sagen , es geht nicht darum verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen ABER:

    Was unterscheidet eigentlich Ukrainer*innen die für sich und ihre Kinder bei uns Schutz vorm Krieg suchen, von Menschen, die aus dem gleichen Grund aus Afrika nach Europa fliehen?

    Klar - die einen sind uns räumlich näher - schon die "Anreise" ist bei Ukrainer*innen irgendwie "normaler".......



    und auch kulturell sind uns die Ukrainischen Nachbarn ähnlicher...

    Welche Kultur gemeint ist?



    na unsere Christlich abendländische Kultur...

    Und wenn die Afrikanische Familie im chrislichen Glauben mit christlichen Werten lebt?

    Na dann bleibt immer noch das Bildungsgefälle...... und die Stammesstrukturen aus denen die kommen und die Korruption und überhaupt....

    Vielleicht ist es aber oft auch nur die Hautfarbe die den Unterschied macht?

    Aber wir sind doch keine Rassisten - wir doch nicht in unserer abendländisch aufgeklärten Europäischen Wertegemeinschaft...



    oder?

    Die Kampagne our-dead.eu/ aus dem Jahr 2018 hat eindrücklich daran erinnert, dass die aus Afrika stammenden Männer, Frauen und Kinder, die bei uns Schutz suchen, Menschen wie Du und ich sind - mit persönlichen Stärken, Schwächen, Hoffnungen und Träumen.



    Oft garnicht so viel anders als die Ukrainer*innen, die bei uns mit offenen Armen empfangen wurden.

    Manchmal hilft es vielleicht das ganze auf eine menschlich persönliche Ebene herunterzubrechen um mal die eigenen Denkmuster zu hinterfragen.

    Hätte die eigene Argumentation, das "ja aber" noch Bestand, wenn die gleichen afrikanischen Menschen aus dem Sudan oder woher sie auch immer kommen mögen, weißhäutig wären und gut gekleidet mit ihren Habseligkeiten im sauberen Hartschalenkoffer auf einem Deutschen Bahnhof oder Flughafen ankämen?

    Nein, wir sind doch keine Rassisten ... die Ungleichbehandlung hat rein sachliche Gründe!

    • @Bürger L.:

      Es ist ein zutiefst menschliches Verhalten, um die Personen zu trauern, die uns nahe stehen. Auf wie vielen Beerdigungen waren Sie und auf wie vielen haben Sie geweint? Warum gehen Sie nicht zu Beerdigungen von Ihnen unbekannten Leuten? Wenn ich Sie heute frage, obwohl Sie mich nicht kennen, ob Sie mir 1000 Euro schenken, da ich in Not bin. Würden Sie es machen? Ziemlich sicher, dass Sie das nicht tun. Wenn es Ihr unmittelbarer Nachbar ist? Wenn es Ihr Bruder ist? Wohl eher. Wenn ein Freund von Ihnen an einer Krebserkrankung stirbt, wird Ihnen das nähe gehen. Obwohl doch jedes Jahr tausende in Deutschland (und hunderttausende in der Welt) an Krebs sterben.

      Und natürlich liegt die Ukraine näher. Wo würden Sie den hin fliehen? Nach Frankreich oder in den Sudan, wenn Putin käme? Man geht ans rettende Ufer und das ist in der Regel das Land nebenan.

      Und im Hinblick auf Ihr Beispiel mit der Ankunft am Bahnhof:

      taz.de/Ankunft-der...Muenchen/!5230032/

      • @Strolch:

        Es stimmt schon, es liegt in der menschlichen Natur, das Mitleid mit Abstand abnimmt.

        Nur erklärt das nicht warum dunkelhäutige Ukrainer auch oft anders behandelt wurden an den Grenzen.

        Es ist halt einfach eine Mischung aus räumlicher Nähe und blankem Rassismus.

        Übrigens nur wenige syrischen Flüchtlinge kamen nach Europa, die meisten sind in Nachbarländern untergekommen.

        Die USA sind auch kein Nachbarland der Ukraine soweit ich weiß, auch dort wurden diese mit offenen Armen empfangen.

  • Es ist etwas schwierig über einen ganzen Kontinent zu schreiben, wenn die Probleme und Ursachen doch recht unterschiedlich sind. Man kann einen solchen Artikel natürlich dafür nutzen, um das Leid der Menschen in Afrika auf Europa zu schieben.

    Letztlich muss aber die afrikanische Bevölkerung selbst dafür sorgen, dass sie eine Gesellschaftsform erhalten, die sie frei macht und Rechtssicherheit schafft. Der höhere Wohlstand folgt darauf.

    In vielen afrikanischen Staaten sind Diktaturen an der Macht, die dafür sorgen, dass es dem eigenen Klientel gut geht (und dem Rest nicht). Wenn es zu einem Bürgerkrieg kommt, endet der nicht in einer Demokratie sondern in einer anderen Diktatur. Dann sind andere Menschen besser gestellt und der Rest leidet.

    Es gibt wenige Fälle, in denen eine (militärische) Intervention des Westens die Situation verbessert haben - Südkorea würde mir so grob einfallen, Nordkorea ist das Beispiel was passiert, wenn die Diktatur bleibt. Letztlich kann es in "Afrika" (wie gesagt, jedes Land ist dort unterschiedlich) auch nur gelingen, wenn die Bevölkerung dies selbst möchte und danach strebt.

    Wie man dahin kommt? Ich weiß es nicht. Afghanistan ist zB kein Land, dass bei mir irgendeine Hoffnung geweckt hat, dass Menschen einfach überzeugt werden können, anders leben zu wollen.

    • @Strolch:

      Vielen Dank,

      nachdem durchlesen der Kommentare



      ist Ihrer der einzige der Realitätssinn beweist.

      Allerdings fallen mit neben Südkorea noch Taiwan, Singapur und Malaysia



      ein.

      Mit freundlichen Grüßen

      flaviussilva

  • "Man bezahlt andere Länder nicht mehr für das Verringern von Fluchtursachen, sondern für das Unterbinden der Flucht."



    War das jemals anders? Niger wurde doch auch dafür bezahlt, die Routen nach Norden zu sperren.

    • @Francesco:

      Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht.



      Mit dieser Maxime haben sich schon Hunderte von Politikern jahrelang über Wasser gehalten. Und heute ist es nicht anders.

  • Falsche Analyse: Wenn diese Menschen den dortigen Herrschern und der EU egal sind, dann ist die EU doch gerade NICHT der Welt egal.

    BTW: Sprechen Sie für die Welt?

  • "Europa will vom Reichtum im Rest der Welt profitieren und zugleich vom Elend im Rest der Welt nichts wissen."



    Hier nur mit dem Finger auf Europa zu zeigen ist eine sehr eigenwillige Sichtweise. Die größten Ausbeuter Afrikas gemessen an Rohstoffen sind aktuell China und Russland - und was machen die? Nehmen die Flüchtende auf? Investieren die großzügig in Projekte zur Unterbindung von Fluchtursachen?



    Mitnichten. Russland schickt seine 'geheimen' Truppen - Wagner war ja nur eine von vielen - besticht lokale Militärs und raubt vor allem Gold ohne wirtschaftliche oder irgendwelche Gegenleistungen. China offeriert 'vergiftete' Hilfen in Form von Krediten oder sponsort schon mal ganze Parlamentsgebäude/Universitäten/Häfen etc, hinterher finden sich die afrikanischen Staaten dann aber in völliger Abhängigkeit wider.



    Europa behandelt Afrika weiß Gott nicht auf Augenhöhe, aber es nimmt jedes Jahr bis zu 3 Millionen Menschen auf - viele davon auch aus Afrika, siehe:



    de.statista.com/st...uchende-in-der-eu/



    Im direkten Vergleich ist Europa noch der ehrlichste Partner der afrikanischen Staaten aktuell zur Verfügung steht - so viel Ehrlichkeit, bei aller berechtigter Kritik, hätte es schon sein dürfen 🤷‍♂️

  • Der hier beschriebene Sachverhalt und das kurzsichtig- ignorante- gierige Verhalten der Industrienationen wird seit Jahrzehnten kritisiert. Erfolglos. Nun werden die Versäumnisse auch hier Folgen zeigen.

    • @aujau:

      Ich habe keine Schwierigkeiten mit Ihren moralischen Vorstellungen.

      Schwierigkeiten habe ich mit der Beantwortunng der Frage, wie Sie sozusagen die ganze Welt retten wollen unnd das am besten ohne Ungleichbehandlung.



      Wie soll das gehen?

      Glauben Sie nicht, dass unsere Ressourcen in der EU und in Deutschland Grenzen haben?



      Wirtschaftlich, infrastrukturell, gesellschaftspolitisch?

      Laut Global Trends Report des UNHCR waren Ende 2022 weltweit ca. 110 Millionen Menschen auf der Flucht.



      Dazu kommen noch unzählige Wirtschaftsflüchtlinge.

      • @Martin Köln:

        Leider haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass Ressourcen und Möglichkeiten der Aufnahme von Geflüchteten begrenzt sind. Umso wichtiger ist seit Jahrzehnten echte Armutsbekämpfung durch Bildungsgerechtigkeit und Korrektur ungerechter Wirtschaftsstrukturen, welche die Sitzung der Industrienationen künstlich aufrechterhalten und den globalen Süden an der Selbsthilfe hindern.

  • Ich würde gerne mal für jedes Herkunftsland in Afrika - ganz wenige sind das ja nicht - eine Liste mit den dort vorliegenden Flucht- bzw. Migrationsursachen sehen.

    Und dann Vorschläge, wie Europa diese Ursachen jeweils bekämpfen kann.

    • @Suryo:

      Hunger und Krieg. Das dürfte für 90% der Grund für Migration aus Afrika sein.

      • @TeeTS:

        Nein, gerade nicht.

        Die Ärmsten - die, die wirklich von Hunger betroffen sind - flüchten entweder nur innerhalb ihres Landes oder in Nachbarstaaten. Die haben gar nicht die Ressourcen, um es nach Europa zu schaffen. Zudem herrscht nicht überall in Afrika Hungersnot.

        Und in den meisten Herkunftsländern herrscht auch kein Krieg.

        Das gehört zu einem realistischen Afrikabild dazu. Afrika ist keineswegs der hunger- und kriegsgeplagte Kontinent, zu dem ihn wohlmeinende Europäer gerne machen.

  • Das Problem ist halt, dass ein Mensch, der hochtraumatisiert, unterernährt, unterstimuliert und ohne formale Bildung aufgewachsen ist (was im Sudan leider sehr oft vorkommt) nicht kurz- oder mittelfristig als Fachkraft in Frage kommt. Nach der kapitalistischen Verwertungslogik sind diese Menschen dann auch nicht interessant, werden also mit allen Mitteln ferngehalten.

    • @Sybille Bergi:

      Naja selbst aus eine Sozialistischen oder Kommunistischen Sicht ist es schwierig diese Menschen zu integrieren. Denn auch im Sozialismus und Kommunismus fällt Arbeit an, die nicht weniger Fachkräfte als der Kapitalismus benötigt.

      Das Problem lässt sich mit einer anderen Gesellschaftsform nicht beheben.



      Und dann steht man in jeder Gesellschaftsform vor dem Problem, das Leistungen nicht unendlich aufgeteilt werden können.

  • Danke, danke für diesen sehr klaren Artikel. Ich lese gerade das (nicht mehr ganz neue) Buch von Jean Ziegler "Der Hass auf den Westen". Da sind die Ursachen auch sehr klar aufgezeigt..

  • Was bedeutet eigentlich "Bekämpfung von Fluchtursachen"? Schicken wir die Bundeswehr nach Syrien, um Kriegsparteien voneinander zu trennen? Setzen wir, was vermutlich nur gewaltsam möglich ist, korrupte Regime in Afrika ab, damit die Menschen dort eine Zukunftsperspektive haben? In diesem Punkt sollte der Autor etwas konkreter werden.

    • @Goodfella:

      Für den Anfang würde es schon reichen, eben nicht überall die Nase reinzustecken und damit Konflikte noch anzuheizen.

  • Danke Dominic Johnson, ich schätze ihren realistischen, nicht eurozentrischen Blick auf Afrika schon sehr lange. Dies hier ist vielleicht die schonungsloseste und zutreffendste Einschätzung, die ich deutsch- und englischsprachigen Medien (ich folge sehr vielen) bisher gelesen habe. Ich kenne den Sudan seit 1985, habe dort und in den Nachbarländern viele Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit und Geflüchtetenhilfe gearbeitet. Schwierig wars immer, aber der mit dem aktuellen Zusammenbruch der letzten Reste von Staatlichkeit und der Barbarei aller kämpfenden Seiten scheint alles einzutreffen, was ich seit gut 30 Jahren befürchte. „Fluchtursachenbekämpfung“ war schon illusionär, als die deutsche Regierung sie vor Jahren als Motiv für die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern entdeckte. In der zwischenstaatlichen „Zusammenarbeit“ ging es Deutschland und der EU schon immer mehr um die eigenen Interessen als um die der dortigen Bevölkerungen. Im zivilgesellschaftlichen Bereich war es meist besser, partizipativer, eher auf Augenhöhe (doch auch nicht frei von gutwillig herablassendem Paternalismus) - aber das war meist ein Nebenschauplatz. Die nächste „Flüchtlingswelle“ wird wohl aus dem Sudan kommen. Die 8 Milliarden der EU für das ägyptische Regime wird sie nicht verhindern. Unter den Geflüchteten, mit denen ich hier im Rheinland zu tun habe, sind bereits einige Südsudanesen, die vor Jahren aus Juba nach Khartoum geflohen waren, und 2013 von dort über Ägypten oder Tschad/Libyen Richtung Europa. Sie hatten weniger zu verlieren und haben sich früher auf den Weg gemacht als die Nordsudanesen. Mit der Ankunft der letzteren rechne ich demnächst. Westafrikaner treffen auch bereits vermehrt ein. Zeit, dass wir unsere Zukunftsfähigkeit endlich in ihrer ganzen Größe und Komplexität annehmen: Wirtschaft schrumpfend in Richtung Klima-, Bio- und globale Gerechtigkeit transformieren (Gruß an Ulrike Herrmann). Gemeinsam mit den Opfern der 500jährigen weißen Dominanz. Überall.

    • @Klaus Schmitt:

      Die EU ist weltweit der größte Geber von Entwicklungshilfe und Deutschland weltweit das zweitgrößte Geberland.



      Nach meiner Ansicht müßten die reichen Länder (übrigens nicht nur der vielzitierte ach so böse Westen) ihre Anstrengungen schnellstens ganz erheblich vergrößern.



      Aber auch das würde zu meinen Lebzeiten und auch denen meiner Kinder und Enkel in Afrika nichts durchgreifend Positives bewirken. Selbst mit größten Anstrengungen und allseits (!) gutem Willen würde es sich um ein Jahrhundertprojekt handeln.



      Was können und müssen wir kurzfristig tun, für Afrika und für Europa?



      Ein unbegrenzter Zuzug jedenfalls scheint mir klarerweise keine Lösung zu sein. Ich halte weder unsere politischen noch unnsere wirtschaftlichenn Möglichkeiten für grenzenlos.



      Die "Wirtschaft schrumpfen in Richtung ... Gerechtigkeit" scheint mir auch kein geeignetes Mittel, die erforderlichen Schritte zu finanzieren; ein wohlklingendes, aber inhaltsleeres Schlagwort.



      Ihre Formulierung "Opfer der 500jährigen weißen Dominanz" täuscht im übrigen nicht darüber hinweg, dass diese Opfer mit aller Macht und ganz freiwillig genau in die Länder der weißen Dominanz flüchten wollen.



      Ich bin klarerweise für den "eine Welt" Gedanken, und da haben wir noch unendlich viel Arbeit vor uns. Bei allem Engagement müssen Veränderungen realistisch angegangen werden. Und das wird ohne klare Zuzugsbeschränkungen nicht funktionieren.

    • @Klaus Schmitt:

      "Zukunftsfähigkeit"?

      Immer mehr Menschen konzentrieren sich in einer begrenzten Anzahl von (bislang) relativ reichen Regionen, dazu noch in solchen Regionen, in denen das Leben nur mit einem relativ hohen Energieumsatz funktioniert (weil dort z. B. alle beheizbaren Wohnraum benötigen). Die Energie wiederum, darf nur klimaneutral erzeugt werden, damit sich die Erde nicht weiter aufheizt. Das funktioniert schon jetzt nicht. "Wirtschaft schrumfen"? Woher stammen dann die Einkommen der Menschen (inkl. jener Menschen, die zuwandern)? Und woher soll dann der zusätzlich benötigte Wohnraum kommen?

      Wie also soll die Zukunft aussehen? Und wie kann sie (nachvollziehbar!) funktionieren?

  • Wenn Europa heute anfinge, mit voller Kraft "Fluchtursachen zu bekämpfen", würde es vielleicht fünf Generationen und damit gut einhundert Jahre brauchen, bis in Afrika hinreichende Auswirkungen erreicht werden könnten bezüglich Stabilität, Bildung, Gleichberechtigung, Menschenrechte, Gesundheitsvorsorge, Wohnen usw.

    In Afrika leben über eine Millliarde Menschen, von denen sicher 5% und damit 50 Millionen lieber heute als morgen nach Europa kämen, wenn sie könnten; wahrscheinlich aber wären es über 10% und damit über 100 Millionen Menschen.

    Lieber Herr Johnson, was bitte ist Ihr Vorschlag für das weitere Vorgehen in den nächsten 100 Jahren?

    • @Martin Köln:

      Fluchtursachen zu bekämpfen ist ebenso illusionär wie alle Flüchtlinge aufzunehmen. Deutschland sollte endlich versuchen, aus der Rolle des Moralapostels herauszukommen, ein jährliches Kontingent für Wirtschaftsflüchtlinge und Verfolgte festzulegen und sich auch daran zu halten. Europa könnte dann den Rest zu erledigen versuchen. In Rumänien (wo ich lebe) will 'seltsamerweise' niemand bleiben, warum wohl?

    • @Martin Köln:

      Es geht nicht um Vorschläge die unsere Lage verbessern, sondern die der Menschen die unserer Hilfe bedürfen.

    • 6G
      608196 (Profil gelöscht)
      @Martin Köln:

      ....und deshalb unterlassen wir es doch einfach weiter?!

      • @608196 (Profil gelöscht):

        Davon hat @martin köln nichts gepostet, sondern lediglich um einen Vorschlag gebeten. Beteiligen sie sich doch einfach aktiv und beantworten seine Frage.

        • @Sam Spade:

          Tja, diese Frage wurde an den Autoren des Artikels geschickt, nicht an Martin Köln, dessen Gegenfrage vollkommen richtig ist. Machen wir also weiter die "Vogel-Strauß-Politik"? Nix sehen, nix hören, nix tun? Nur profitieren??? Das ist eiseskalt.

  • "Bessere Lebensbedingungen in den Herkunftsländern verringern Emigration. Es war schon immer ein Trugschluss: Bessere Lebensbedingungen ermöglichen vielen Menschen überhaupt erst die Erweiterung ihres Horizontes. Aber immerhin wurde anerkannt, dass es Ursachen für Flucht gibt. Heute ist von „Fluchtursachen bekämpfen“ keine Rede mehr."

    Ich stimme dem Artikel zu 100% zu und empfinde die heutige Flüchtlingspolitik als eine Schande für die EU. Die mangelnde Logik in obigem Zitat erkenne ich aber nicht. Im Gegenteil es ist auf zynische Art logisch: Weil man gemerkt hat, daß mit Aufbauhilfe mehr Menschen zu uns kommen. Setzt man eben nicht mehr darauf, sondern investiert das Geld lieber in Zäune, Waffen, Grenzschutz und Abschreckung.



    Es ist wirklich zum heulen.

  • Dem kann ich nur 100% zustimmen. Es ist zum Heulen. Wir schleichen uns von einer (zugegebenermassen sehr unvollständigen) wertebasierten demokratischen Gesellschaft in eine Simulation davon.

    "Fluchtursachen bekämpfen". Das klang schon damals für mich wie das "Technologieoffenheit" heute. Eine Phrase, die es rechtfertigt, nichts zu tun.

    Wir sollten endlich einsehen, dass unser Wohlstand (früher und jetzt) direkt mit der Misere "da unten" zusammenhängt. Und dass wir somit unseren Teil der Verantwortung übernehmen müssen.

    Die flüchtenden Menschen als lästiges Phänomen zu brandmarken und sie sich mit Hilfe von Hilfssheriffs (Al Sissi kriegt dafür wieviel? Sieben Milliarden?) mit blutigen Händen vom Leib halten zu wollen, wie Von der Leyen & Co. machen stärkt nur die Höckes, Wilders, Melonis & Co.

    Bei erfahrenen Politiker*innen gehe ich davon aus, dass sie wissen, was sie tun.

    • @tomás zerolo:

      "Die flüchtenden Menschen als lästiges Phänomen zu brandmarken und sie sich mit Hilfe von Hilfssheriffs (Al Sissi kriegt dafür wieviel? Sieben Milliarden?) mit blutigen Händen vom Leib halten zu wollen, wie Von der Leyen & Co. machen stärkt nur die Höckes, Wilders, Melonis & Co."



      Wenn ich mir die aktuelle Lage anschaue hat die "wir schaffen das" Mentalität den Rechten mehr geholfen.

  • Das ist nichts anderes als Kolonialpolitik auf einer anderen Ebene. Die Europäischen (wahlweise auch gerne christliche oder westliche) Werte sind kurz und bündig zusammengefasst: Profite! Aber nur hier und sonst ist alles nebensächlich. Das ist alles so verlogen, so unglaublich bösartig....

  • Ja, ja und ja. Aber was wollen Sie tun? Das ist etwas das von Grund auf neu betrachtet werden muß um es in das Bewusstsein der Menschen zu bringen. Das Thema Asyl kommt erst ganz am Ende und ist isoliert betrachtet nur ein Symptom unseres Handelns.

    Das geht doch schon mit der Wertevermittlung in Schulen los. Das Verstehen der Geschichte und die Fähigkeit daraus die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Stichwort Genozid. Südamerika, Nordamerika, Afrika, Asien. Auch die Auseinandersetzung mit dem Thema der Kolonialisierung wäre ein Ansatzpunkt um zu verstehen warum Menschen heutzutage emigrieren, flüchten müssen oder wollen.



    Wir wollen immer das Beste für unsere Kinder. Haben andere dieses Recht nicht?



    Verträge mit "Drittstaaten" sollen uns "Einwanderer" vom Hals halten. Also zumindest die die wir nicht gebrauchen können oder bei uns nur als Kostenfaktor gelten. Dafür investieren wir Milliarden.



    Geld das wir aus Staaten in Form von Ressourcen und Rohstoffen herausgeholt haben ist in unseren Wohlstand geflossen, hat unseren Reichtum gesichert. Nach der Zeit der Kolonialisierung wurden willfährige Regierungen installiert und geschmiert um dies für uns ermöglichten, weil der Kolonialismus mit seinem Apparat einfach zu teuer war. Dafür gaben wir ihnen die "Selbstständigkeit". Also wir gaben ihnen etwas das sie vorher schon hatten.

    Wie scheinheilig kann man sein.

  • Ich würde dem zustimmen, aber die USA haben durch Kriege und ihre Außenpolitik eine Menge dazu beigetragen, dass Menschen aus Syrien, Irak, Afghanistan flüchten müssen. Und die USA nehmen kaum Menschen aus diesen Staaten auf.



    Die EU will ihre Außenpolitik nicht ändern und das führt dazu, dass immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen, aber sie sollen nicht kommen.



    2024 wird die Türkei eine oder mehrere militärische Einmärsche gegen die Kurden in Syrien und in Irak machen. Das wird neue Fluchtbewegungen erzeugen. Die EU wird sich nur über die Syrer ärgern, am besten klebt man sie fest, sie sollen nicht kommen, nur darum geht es.

    • @Andreas_2020:

      "Ich würde dem zustimmen, aber die USA haben durch Kriege und ihre Außenpolitik eine Menge dazu beigetragen, dass Menschen aus Syrien, Irak, Afghanistan flüchten müssen. Und die USA nehmen kaum Menschen aus diesen Staaten auf. " Das ist falsch, aus Afghanistan flüchteten die meisten Menschen wegen den Soviets, dann wegen den Taliban. Auch aus dem Irak gab es schon Massenfluchtbewegungen wegen Saddam, dann wegen dem IS, in Syrien ist der Hauptfluchtgrund Bashar al-Assad.