Feuergefahr bei verschiedenen Antrieben: E-Autos brennen nicht leichter
Tagelang hat der Autofrachter „Fremantle Highway“ im Wattenmeer gebrannt. Als Brandherd im Verdacht: E-Autos. Aber brennen sie öfter als Benziner?
Brennen E-Autos wirklich leichter als Verbrenner-Autos?
Nein. In den USA hat der Versicherungsdienstleister AutoinsuranceEZ die Daten von Fahrzeugbränden aus dem Jahr 2021 ausgewertet. Demnach fangen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Hybridantrieb deutlich häufiger Feuer als reine E-Autos. Konkret haben pro 100.000 verkauften Autos von denen mit Hybridantrieb 3.475 gebrannt, mit Verbrennungsmotor waren es 1.530 und mit Elektroantrieb 25. Da noch relativ wenige E-Autos auf den Straßen unterwegs sind, rechnete das Unternehmen nicht mit absoluten Zahlen, sondern mit Werten pro 100.000 Fahrzeugen.
In Deutschland teilt der Gesamtverband der Versicherer (GDV) diese Einschätzung: „Aus unseren Statistiken gibt es keinerlei Hinweise, dass Elektrofahrzeuge häufiger brennen als Autos mit Verbrennungsmotor“, heißt es in einem Statement des Verbands. Der Autolobbyverband ADAC schreibt auf seiner Website: „Grundsätzlich kann nie vollständig ausgeschlossen werden, dass sich ein Fahrzeug aufgrund eines Defektes selbst entzündet – dies gilt aber für alle Antriebsarten.“
Sind E-Autos schwieriger zu löschen als Verbrenner?
Ja. Zwar sind Elektroautos so gebaut, dass bei einem Unfall automatisch der Strom gekappt wird. In Crashtests schneiden sie laut ADAC häufig sogar besser ab als Verbrenner. Trotzdem können sich die Batterien durch starke Beschädigungen in seltenen Fällen entzünden. „Hochvoltbatterien sind in der Regel in einem stabilen, weitgehend wasserdichten Gehäuse eingebaut, welches geschützt in die Fahrzeugstruktur integriert ist“, heißt es von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Deshalb kann aufgebrachtes Löschwasser den Brandherd […] nicht erreichen.“ Die Folge: Brennende E-Autos müssen an einen sicheren Ort geschleppt und dort auch nach dem ersten Löschen relativ lange mit Wasser gekühlt werden.
Manche Feuerwehren haben mit Wasser gefüllte Container angeschafft, in denen die Fahrzeuge versenkt werden – die DGUV hält diese Maßnahme aber nur in Ausnahmefällen für erforderlich. Um das Löschen der Batterie zu erleichtern, haben manche Hersteller bereits eine Öffnung verbaut, durch die das Löschwasser gepumpt werden kann. Manche Feuerwehren experimentieren auch mit Löschdecken und sogenannten Löschdornen, die ins Batteriegehäuse getrieben werden.
Sind E-Autos auf Fähren eine Gefahr?
Die „Fremantle Highway“ ist nicht das erste Schiff, bei dem E-Autos an Bord in Brand geraten sind. Anfang 2022 sank der Autofrachter „Felicity Ace“ vor den Azoren. Das Schiff hatte Tausende Luxusautos geladen, darunter auch E-Autos. Ob diese aber tatsächlich den Brand verursacht haben, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Trotzdem ist es offensichtlich, dass brennende E-Autos ein Problem für die Schifffahrt darstellen können: Wenn schon an Land die Feuerbekämpfung schwierig ist, gilt dies erst recht für Fähren. Zudem sind die Autos an Bord eng nebeneinander geparkt und die Besatzungen sind keine professionellen Feuerwehrleute.
Laut der jüngsten Schifffahrtsstudie der Allianz-Versicherung gingen 2022 weltweit 39 große Schiffe verloren. Die Allianz listet E-Autos dezidiert als mögliche Gefahrenquelle für Feuer auf. Andererseits schippern auch Öltanker und andere mit Gefahrgut beladenen Schiffe tagtäglich über die Ozeane. Darüber entbrennen nur selten Debatten.
Sollten E-Autos aus Tiefgaragen verbannt werden?
Nein, findet der Deutsche Feuerwehrverband. In einer Presseerklärung räumt die Organisation ein, dass sich das Löschen schwieriger gestalte als bei Autos mit Verbrennungsmotor – „jedoch nicht komplexer oder gefahrbringender als etwa ein Brand eines gasbetriebenen Kfz“. Die Feuerwehrleute trainierten diese Szenarien und seien darauf vorbereitet. 2021 sperrte die Stadt Kulmbach eine Zeit lang ihre Parkhäuser für Elektroautos – paradoxerweise, nachdem ein Verbrenner dort gebrannt hatte. Nachdem die Stadt zusätzliche Löschausrüstung angeschafft hatte, wurde das Verbot wieder aufgehoben.
Auch in Mehrfamilienhäusern wird das Thema immer wieder debattiert. Ein Einfahrverbot für E-Autos kann man dort aber ebenfalls nicht einfach so erlassen, wie das Amtsgericht Wiesbaden in einem Urteil im Jahr 2022 klargestellt hat. Eine Wohnungsbesitzerin hatte geklagt, weil die Eigentümergemeinschaft E-Autos aus der gemeinsamen Garage verbannen wollte. Das Gericht meint: Ein solches E-Verbot ist nicht zulässig. Im Gegenteil: Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes hätten Eigentümer einen Anspruch auf die Installation einer Ladestation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los