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Ermittlungen gegen Dachdecker beendetStaatsanwaltschaft sieht keine Volksverhetzung

Wegen einer rassistischen Stellenanzeige in Sebnitz ermittelte die Staatsanwaltschaft. Anklagen will sie aber nicht. Das erstaunt Ex­per­t:in­nen.

Kundgebung in Sebnitz gegen Rassismus, am 21.4. 2025 Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Leipzig taz | Der Dachdeckermeister Ronny W. aus dem sächsischen Sebnitz hätte gerne neue Azubis; der Fachkräftemangel betrifft auch den Freistaat. Darum rief W. in einer ganzseitigen Anzeige des Sebnitzer Amtsblatt dazu auf, sich bei ihm für eine Ausbildung zu bewerben.

Allerdings ist W. offenbar wählerisch. Mit rassistischen und antisemitischen Begriffen schloss er Menschen von seinem Angebot aus. Im Folgenden nennt die taz diese diskriminierenden Begriffe. Wer das nicht lesen möchte, kann den nächsten Satz überspringen. In der Anzeige von Ronny W. stand: „Ausbildungsplatz ab 2026 aber: keine Hakennasen, Bimbos oder Zeppelträger“.

Volksverhetzung? Nein, sagt die Dresdner Staatsanwaltschaft – und hat die Ermittlungen vergangene Woche eingestellt. Das Angebot sei „geschmacklos und moralisch anstößig“, aber strafrechtlich nicht zu beanstanden. „Die Äußerungen sind als von der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt anzusehen.“ W. rufe nicht zu „Gewalt- oder Willkürmaßnahmen“ gegen Personengruppen auf und die drei Begriffe seien teils gar nicht bestimmten Personengruppen zuzuordnen.

Auf Nachfrage der taz, welche Begriffe nicht eindeutig Personengruppen zuzuordnen seien, antwortet die Staatsanwaltschaft: „Zeppelträger“ und „Hakennasen“.

Schon vor der NS-Zeit verbreitet

Expert:innen, etwa von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias), zeigen sich verwundert von dieser Begründung. „Wir halten die Einstellung für rechtlich fehlerhaft“, erklärt Rias Sachsen an diesem Freitag auf Anfrage der taz. Der Rias-Bundesverband prüfe juristische Schritte gegen die Einstellungsverfügung.

Es sei irritierend, dass die Dresdner Staatsanwaltschaft den Begriff „Hakennase“ keiner Gruppe zuordnen könne. „Belege für die ‚jüdische Hakennase‘ als antisemitisches Stereotyp“ ließen sich bereits im Mittelalter finden, erklärt die Informationsstelle. In der deutschen Nazi-Diktatur sei die Zuschreibung zudem in Propaganda- oder Schulmaterial verbreitet gewesen.

Dass ein Dachdecker diese Bezeichnung im Jahr 2025 in einer Stellenanzeige verwende, zeige, „wie sich dieses antisemitische Stereotyp bis heute fortsetzt“. Er richte sich „ganz offensichtlich in einer die Menschenwürde verletzenden Weise an Jüdinnen:Juden“, findet Rias. Die NS-Wortwahl stelle Jü­din­nen:­Ju­den als „unterwertig dar und spricht ihnen letztlich das Lebensrecht in der Gemeinschaft ab“.

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei aber kein Einzelfall. „Antisemitismus wird immer noch viel zu oft von der Justiz nicht ernst genommen“, bemängelt Rias. Das erschüttere das Vertrauen der jüdischen Community.

Auf eine weitere Perspektive des Falls weist Ferda Ataman hin. Die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung betont, dass jede Diskriminierung am Arbeitsmarkt verboten sei – egal ob strafrechtlich relevant oder nicht. Ob eine Stellenanzeige diskriminiere, „kann nur ein Gericht in einem zivilrechtlichen Prozess entscheiden“.

„Zivilrechtlich“ heißt jedoch: Nur Menschen, die sich bei Ronny W. auf eine Lehre zur Dach­de­cke­r:in hätten bewerben wollen, aber von seinem Ausschluss betroffen wären, könnten klagen. Ataman glaubt: „Den Mut, mit persönlicher Anschrift gegen mutmaßliche Rechtsradikale zu klagen, werden viele aber nicht aufbringen.“ Das zeige, weshalb „es ein Verbandsklagerecht und ein Klagerecht für Antidiskriminierungsstellen braucht.“

Handwerkskammer prüft auch nicht mehr

Als die Werbeanzeige im April öffentlich wurde, sorgte das bundesweit für Aufsehen. Bei der Dresdner Staatsanwaltschaft ging „eine Vielzahl“ an Strafanzeigen ein. Die Stadtverwaltung Sebnitz bezeichnete die Werbung als ausländerfeindlich. Der lokale Fußballverein, bei dem der Dachdecker Ronny W. über Jahre Sponsor war, löschte dessen Logo von der Website.

Auch der Präsident des Sächsischen Handwerktages, Uwe Nostiz, betonte dazu in einem Statement: „Wir als sächsisches Handwerk stehen für Toleranz, Weltoffenheit und Miteinander.“ Es schien, als habe die rassistische Stellenanzeige Folgen für Ronny W.

Laut der Sächsischen Zeitung prüfte die Handwerkskammer in der Folge, ob der Dachdecker – der einen von der Handwerkskammer zertifizierten Ausbildungsbetrieb führt – persönlich geeignet für Lehrlinge sei. Dann, kurz nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft Dresden, hieß es diese Woche: Es bestünden „keine hinreichenden Gründe mehr, die Ausbildungsberechtigung aufgrund mangelnder persönlicher Eignung zu entziehen“.

Es wäre das erste Mal gewesen, dass die Handwerkskammer in Sachsen einem Betrieb die persönliche Eignung aberkannt hätte. Der Freistaat braucht halt Fachkräfte und jeden, der sie schaffen kann. Daran ändert offenbar auch der Antisemitismus und Rassismus eines Dachdeckers nichts.

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12 Kommentare

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  • Die Äußerungen der Staatsanwaltschaft sind eine Zumutung für einen Vertreter des Rechtsstaats.

    Es gibt genügend Rechtsprechung in der die Verwendung des Begriffs "Bimbo" von Gerichten als Volksverhetzung angesehen wurde. Beispiel Amtsgericht Tiergarten Berlin, 2007.

    Der Unterschied zur Meinungsfreiheit ist in § 130 StGB klar definiert. Das angreifen der Menschenwürde einer bestimmten Personengruppe fällt unter Volksverhetzung. Beispielsweise wenn man eine Minderheit pauschal beschimpft, verleumdet oder verunglimpft.

    Da ist es für eine Anklageerhebung auch unherbelich, ob die zuständige Staatsanwaltschaft unfähig ist die beiden anderen Begriffe eindeutig zuzuordnen. Das kann im späteren Verlauf auch ein Gericht klären.

    Die Anzeige war geeignet den öffentlichen Frieden zu stören und der Begriff "Bimbo" stellt nach deutscher Rechtssprechung einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar. Damit ist der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

    Alle anderen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft können darauf ausgelegt werden, dass die Sache bewusst nach eigenen Maßstäben statt nach Recht und Gesetz ausgelegt wird. Nennt sich dann nach § 339 StGB Rechtsbeugung und stellt eine Straftat dar.

  • Danke, dass Sie den Artikel so geschrieben haben, dass ich eine Chance hatte zu entscheiden, ob ich mich diese diskriminierenden Sprache aussetzen möchte.

  • Eine Schulung / Erziehung zu demokratischen Werte wäre wohl bei dem Dachdecker Ronny W. aus sächsischen Sebnitz dringlichst zu verordnen. In Deutschland muss wohl bald mal wieder in einigen Gegenden Entnazifiziert werden.

  • Es bleibt zu hoffen, dass die angekündigten juristischen Schritte gegen die Einstellungsverfügung Erfolg haben werden.



    Irgendwie erinnert das Ganze an die Plakate der Nazis vom 3. Weg oder andere nicht nachvollziehbare Entscheidungen der sächsischen Justiz.



    Am besten scheint es zu sein, einen großen Bogen um Sachsen zu machen, um nicht aus irgendwelchen Gründen in die Fänge der dortigen Justiz zu geraten.

  • Zumindest sollte man den Betrieb von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausschließen.

  • Wenn ehemalige Selbstverständlichkeiten auf breiter Front in Frage gestellt werden, ist es selten so, dass sie trotzdem einfach selbstverständlich bleiben.

    Das ist eine Art Erosion, die man nur ganz schlecht immer und überall verhindern kann, so wünschenswert es auch wäre.

    Und: Die Vermeidung von Begriffen wie "Bimbo" war immer nur in der veröffentlichten Meinung wirklich selbstverständlich. Bei Handwerkern z.B. hat man das durchgehend immer wieder gehört, da war gar nichts selbstverständlich. Da werden die Risse im Putz inzwischen nur immer größer.

    Wundert mich aber auch, dass das keine Volksverhetzung sein soll. Die Risse scheinen schon sehr weit zu reichen.

  • Die gehörten Experten mögen solche für das Thema Diskriminierung sein, für Jura sind sie es nicht. Aus juristischer Perspektive war die Entscheidung erwartbar, zumal ein Amtsblatt einen sehr überschaubaren Leserkreis hat. Man wird da kaum Menschen zum Hass aufstacheln können , sondern die meisten haben sich angewidert gezeigt und die wenigen anderen haben wohl schon vorher ihr abwegiges Menschenbild gepflegt.

    • @Dr. McSchreck:

      "Aus juristischer Perspektive war die Entscheidung erwartbar.."

      Für Sachsen mag das durchaus zutreffen, aber ansonsten wohl kaum.

      Die von ihnen angeführte Größe des Mediums hat damit nichts zu tun. Es geht einzig um den Bezug zur Öffentlichkeit und den stellt ein Amtsblatt her, egal in welcher Auflage und mit welcher Leserschaft.

      Er hätte statt einer Anzeige auch Plakate mit dem Text im öffentlichen Raum aufhängen können. Hätten dann noch weniger Leute zur Kenntnis genommen, ändert nur nichts am Tatbestand der Volksverhetzung.

      Bei Volksverhetzung geht es auch nicht einzig um Anstachelung oder Aufwiegelung oder Hass schüren sondern auch um Herabsetzung und Entwürdigung.

      Kurzer Auszug aus § 130 StGB



      Volksverhetzung, zur Auffrischung:



      ".. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit... beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.."

      Die Voraussetzung dürfte wohl erfüllt sein oder wo würden sie einen Begriff wie Bimbo verorten?

      • @Sam Spade:

        Zusatz wegen Zeilenmangel



        Da sich das Wort Bimbo zudem einer klar identifizierbaren Gruppe zu ordnen lässt, ist zudem der Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt.

        Ein Staatsanwalt der das nicht erkennt, ist denkbar ungeeignet für einen solchen Posten. Und wenn er es nicht erkennen will, erst recht.

  • Was sind denn Zeppelträger?

  • Und immer ein Stückchen weiter nach Rechts. Bald ist da wieder ganz normal. Kann mich mal bitte jemand aus diesem Albtraum wecken.



    So langsam bekommt man ein Gefühl davon wie es vor 100 Jahren losgegangen ist.

    • @Captain Hornblower:

      Leider gibt es da wenig Hoffnung. Es ist schon längst normal, der geschilderte Vorfall ist doch nur die Spitze des Eisbergs.