Ergebnis der Bundestagswahlen: Wo war jetzt dieser Linksrutsch?
Die Linkspartei ist am vergangenen Wochenende krachend gescheitert. Die Gründe? Eine fehlende Vision, Sahra Wagenknecht und kein Plan.
D ie Bundestagswahl ist gelaufen und ich warte immer noch ungeduldig auf den versprochenen Linksrutsch. Zwar sind Parteien nicht die Akteure meiner Wahl, um einen progressiven Wandel der Gesellschaft maßgeblich anzutreiben, but I take what I can get. Bekommen hat Deutschland am Wochenende eine Linkspartei, die bei 4,9 Prozent landete und nur Dank drei errungener Direktmandate in Berlin und Leipzig eine Minifraktion im Bundestag stellen kann. Was ist da nur schiefgelaufen?
Naheliegend ist hierbei, auf die prominenteste Figur der Partei zu schauen: Sahra Wagenknecht meldet sich seit dem Wahldebakel der Linken, aber auch generell sehr gerne zu Wort, sie bekommt dafür oft eine Bühne und spricht dann herablassend über „Lifestyle-Linke“, spielt (in ihren Worten) „skurrile Minderheiten“ gegen den deutschen Arbeiter aus und kuschelt rhetorisch mit außen rechts. Wagenknecht lässt progressive Wähler*innen zweifeln und verzweifeln. Genauso wie Parteimitglieder, die antifaschistische wichtige Oppositionsarbeit geleistet haben. Auf jeden Fall holte sie als Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen mit 3,7 Prozent der Stimmen nur halb so viele wie vor vier Jahren. Sie ist also nicht qualifiziert, neutral auf das Desaster ihrer Partei zu blicken, wie sie es eben gerne tut. Die Linke ist mit und wegen Sahra Wagenknecht untergegangen.
Aber was hat abgesehen von der deutschen Sarah Palin (und der stabil hässlichen Gestaltung der Linken-Plakate) eigentlich die Wähler*innen in Deutschland dazu bewegt, sich von der selbsternannten Partei der sozialen Gerechtigkeit abzuwenden? Wie kann es sein, dass rund 820.000 ehemalige Wähler*innen der Linken diesmal ausgerechnet zur SPD gewandert sind? Zu jener Partei, die mit der Agenda 2010 die Linke überhaupt in Stellung gebracht hat? Warum konnte diese Linke nicht davon profitieren, dass viele Menschen in Deutschland soziale Gerechtigkeit als eins der wichtigsten Themen angeben?
Wo sind die Konzepte?
Es fehlte der Linken diesmal definitiv eine mitreißende Vision, die eine solidarische Gesellschaft nicht nur als Utopie erscheinen lässt. Zu Recht analysieren die ersten Beobachter*innen, dass es nicht reicht, einfach einen Euro mehr Mindestlohn als die SPD zu versprechen. Wo bleibt da der Plan für eine solidarische Gemeinschaft, in der niemand mehr vom Kapital ausgebeutet wird? Wo sind die Konzepte, um genug bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen?
Um eine diskriminierungsfreie Gesellschaft zu ermöglichen, die Menschen nicht aufgrund der Hautfarbe, der sozialen Herkunft oder des Geschlechts ausschließt? Wo hat mal die Linkspartei klar gesagt, wie die Lebensverhältnisse zwischen Ost und West angeglichen werden können? Hier und da ist das vielleicht passiert: eine stringente und sinnvolle Erzählung einer echten linken Politik fehlte aber.
Ich werde wohl auf diesen ominösen Linksrutsch weiter warten müssen. Mal schauen, ob er 2025 über uns hereinbrechen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“