Drohungen gegen Meteorolog*innen: Hass auf den Boten
Auf Social Media werden Meteorolog*innen zunehmend Opfer von Anfeindungen. Ihre Stimmen sind unbequem für Klimawandelleugner*innen.
„In Zeiten, wo die Meteorologen nicht mal das Wetter für die nächste Woche genau voraussagen können, wollen die uns ernsthaft was über die nächsten Monate sagen? Bekloppt. Und Hysterieverbreitung.“ „Corona zieht wohl nicht mehr, oder, ihr Widerlinge?“ „Die dreisten Hütchenspieler des DWD! […] Der Temperaturanstieg ist ein Betrug.“
Nur einige von Dutzenden wütenden Kommentaren in sozialen Netzwerken. Auslöser: eine Meldung vom 9. Juni, wonach der Deutsche Wetterdienst (DWD) einen weiteren zu warmen Sommer erwarte.
In Brandenburg brennen Wälder, in Skandinavien schlagen die Behörden Alarm, da die Gefahr von Waldbränden extrem hoch ist. Insbesondere Südschweden ist betroffen, aber auch in Dänemark hat der Trockenindex den maximalen Wert von 10 erreicht. Teile von Südeuropa mussten bereits einen extremen Frühling und Frühsommer erleben. Diese brachten nicht nur Dürre und Schäden durch anschließende heftige Regenfälle mit sich, sondern auch eine Flut von Anfeindungen gegen Meteorolog*innen.
In Spanien klagten Fachverbände im Zuge der extremen Hitze im Frühjahr über eine Vielzahl von Hassbotschaften. Das Staatliche Meteorologische Amt veröffentlichte ein Video, in dem Anfeindungen und Beleidigungen thematisiert werden: Als Mörder und Kriminelle würden Mitarbeitende beleidigt.
Sogar Morddrohungen
Estrella Gutiérrez, seit 30 Jahren in leitender Funktion bei dem Amt, betonte, sie habe „noch nie“ erlebt, was sie und ihre Kolleg*innen nun durchmachten: Schikanen, Beleidigungen und sogar Morddrohungen. Die Wucht der Hitzeperiode führte zu einer krassen Reaktion von Klimaleugner*innen, die offenbar umso heftiger um sich schlugen, je mehr ihre selektive Weltsicht mit der Realität nicht mehr in Einklang zu bringen war.
Besonders besorgniserregend sei, dass viele Menschen den Legenden glaubten, es gebe eine Wetterkontrolle, sagte Gutiérrez. Den Tweet der Behörde zu den Hassbotschaften kommentierte ein Nutzer beispielsweise mit dem Hinweis auf eine angebliche „Klimamanipulation“, die erzeugt werde, „um Dürren als eines der Ziele der satanischen Agenda 2030 zu verursachen“.
Mehrere Verschwörungserzählungen
Hier greifen mehrere Verschwörungserzählungen ineinander: Ob systematische Falschbehauptungen zu Gender-Wissenschaft, Impfungen oder zum Klimawandel – gemeinsam haben sämtliche Legenden die inhaltliche Struktur, daher sind sie auch kompatibel: Eine kleine bösartige Elite wolle die Menschheit versklaven und/oder Völker auslöschen – und dieser Plan werde mit Hilfe von Politik, Medien und Wissenschaft umgesetzt.
Dass die Themen austauschbar sind, bestätigt auch der Fachjournalist Toralf Staud, der für das Portal Klimafakten.de arbeitet: „Mit Beginn der Pandemie brach ein Grundrauschen von Anfeindungen ab. Über Monate kam nichts, null, gar nichts.“ Staud mutmaßt, dass sich diese Leute plötzlich neuen Verschwörungsmythen und imaginierten Feinden zugewandt hatten.
„Genauso bemerkenswert war dann das langsame Wiederhochgehen der Beschimpfungen in dem Maße, in dem die pandemische Phase abebbte und sich die – so deute ich es – Zeit und Wut dieser Leute wieder anderen Themen zuwandte“, so Staud im Gespräch mit der taz.
Die Legende von der Wetterkontrolle ist ein internationaler Klassiker der Verschwörungstheorien. Mittlerweile sind vorgebliche Chemtrails selbst in deutschen Parlamenten aufgezogen: Die AfD stellte im Mai eine Anfrage im Sächsischen Landtag; man wolle Sorgen aus der Bevölkerung aufgreifen, teilte die Fraktion mit.
AfD fragt nach Chemtrails
Angeblich habe „eine wachsende Anzahl von Bürgern“ des Öfteren Flugbewegungen festgestellt, „die nach ihrer Auffassung mit einer zielgerichteten Einbringung von Chemikalien in die Atmosphäre begründet seien und damit Zielsetzungen wie das Geo-Engineering oder die Bevölkerungsreduktion verfolgt würden“, heißt es in der Anfrage. Als Geo-Engineering bezeichnet man unter anderem vorsätzliche Eingriffe ins Klima.
Im MDR erklärte der AfD-Abgeordnete Sebastian Wippel, der die Anfrage eingereicht hat, er wisse nicht, ob es nicht Chemtrails gebe. In Zeiten, in denen „der Klimawandel an allererster Stelle steht“, werde so was vielleicht gemacht.
Belege? Fehlanzeige
Belege? Fehlanzeige. Die Legende von Chemtrails kursiert seit Jahrzehnten; 2011 stellte das Umweltbundesamt fest, es gebe für das Einbringen von Aluminiumverbindungen in die Atmosphäre und die Bildung sogenannter Chemtrails keinerlei wissenschaftliche Belege. Auch in Großbritannien mussten Meteorolog*innen erfahren, wie aggressiv mittlerweile gegen sie agitiert wird. Als die BBC 2022 einen Temperaturrekord von 40 Grad vorhersagte, prasselten wütende Kommentare auf den Sender ein.
Viele behaupteten, es sei schon immer mal heiß gewesen, und verwiesen auf einen Sommer Mitte der 1970er Jahre – als die maximale Temperatur allerdings mehr als 4 Grad unter dem neuen Rekord gelegen hatte. Zudem, so merkt die BBC an, seien seit 1990 neun der zehn heißesten Tage aller Zeiten gemessen worden.
Die Überbringer der schlechten Nachrichten werden dafür angefeindet, Tatsachen zu benennen. Der BBC-Meteorologe Tomasz Schafernaker sagt dazu: „Was mich am meisten frustriert, ist, wenn mir vorgeworfen wird, die Wahrheit zu verdrehen. Als Meteorologen berichten wir über Fakten. Es gibt keine Verschwörung.“
Bekannte Stimmen
Toralf Staud von Klimafakten.de wundert es nicht, dass Wettermoderator*innen verstärkt angefeindet werden: „Wir sehen häufiger die Verstärkung von Extremwettern oder das steigende Risiko von Waldbränden in spektakulären Bildern – das müssen Wetterjournalist*innen thematisieren und werden dann angegriffen von Menschen, die die Realität nicht wahrhaben wollen. Zudem genießen die Presenter von Wettersendungen eine hohe Popularität und Glaubwürdigkeit beim Publikum, wie Studien zeigen.“
Daher ärgere es Gegner von Klimaschutz „ganz besonders, wenn diese bekannten Stimmen nun deutlicher werden, die man nicht so einfach als lebensfremd oder abgehoben diffamieren kann, wie man es schon lange mit Klimaforscher*innen versucht“.
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