Debatte um Rihannas Babybauch: Zeigt her eure Bäuche
Die US-Sängerin Rihanna inszeniert öffentlich ihren nackten Babybauch. Damit stellt sie das gängige Bild von schwangeren Frauen infrage.
Im Januar schlenderte die neunfache Grammy-Gewinnerin und milliardenschwere Unternehmerin Rihanna vermeintlich zufällig mit ihrem Partner ASAP Rocky durch Harlem. Zufällig war daran nichts. Weder ihr nackter Babybauch, über und über mit Schmuck behängt, noch lief das Paar Starfotograf Miles Diggs einfach so über den Weg. Nein, Rihanna zeigte der Welt an diesem eiskalten Januartag ganz bewusst und unter ihren eigenen Bedingungen: Ich bin schwanger.
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Die Bilder gingen innerhalb kürzester Zeit im Internet viral, die Frankfurter Allgemeine bezeichnete sie als „meisterhafte Vorführung von Medienmacht“, die britische Ausgabe des Magazins Glamour meinte: „Rihanna gibt dem ‚Maternity Style‘ im Alleingang einen neuen Namen“. Und die Süddeutsche Zeitung widmet dem Paar eine ganze Stilkritik. Kurzum: Die Welt scheint beim Anblick eines nackten Babybauchs plötzlich kopfzustehen. Während die einen die Bilder, das Outfit, ja, das Zelebrieren feiern, fragen die anderen nur kritisch, warum etwas so Privates so öffentlich präsentiert werden muss.
Aber ist es das denn? Gibt es, abgesehen von der tatsächlichen Zeugung und das eigentlich auch nur, wenn heterosexuelle Paare das Glück haben, auf natürlichem Weg ein Kind zeugen zu können, noch etwas Privates an einer Schwangerschaft? Nein, denn Schwangerschaft ist hochpolitisch.
Weltweiter Kampf um körperliche Selbstbestimmtheit
Alle haben plötzlich Fragen, Forderungen und Anmerkungen, dabei hat die Schwangere meist noch gar keine Antworten für sich selbst gefunden – warum sollte sie auch?! Das Umfeld aber will Antworten und die gelten keinesfalls als privat: Ob sie stillen will – aber bitte ja doch! Aber natürlich auch nicht zu lange. Eine Geburt ohne Schmerzmittel wird vorausgesetzt, genauso wie mindestens ein Jahr Elternzeit.
Aber danach soll es doch auch bitte zurück an die Arbeit gehen, aber das Kind bloß nicht den ganzen Tag in die Kita schicken, das Geschwisterchen soll nicht lange auf sich warten lassen. Und bei all den Aufgaben gehört es sich natürlich nicht, sich zu beschweren, müde auszusehen oder nicht parallel sehr erfolgreich seinem Job nachzukommen.
Schon die Entscheidung, Kinder bekommen zu wollen oder eben nicht, wird immer von allen Seiten kommentiert, hinterfragt und kritisiert. Frauen in der Selbstständigkeit machen sich praktisch mit dem positiven Schwangerschaftstest Gedanken darüber, wie sie sich eine Elternzeit leisten können. Und selbst bei einer Festanstellung stellt sich die Frage nach weiteren Aufstiegschancen und dem Wiedereinstieg – nicht selten winken Arbeitgeber nämlich am ersten Arbeitstag nach der Elternzeit mit der Kündigung.
Überall auf der Welt werden gerade – mal wieder – Kämpfe um körperliche Selbstbestimmtheit gefochten und leider nicht zuletzt auch häufig verloren. In den USA beispielsweise will der Supreme Court offenbar das Recht auf Abtreibung kippen. In der Öffentlichkeit werden Schwangere begutachtet: Ist sie zu dick, zu dünn, wie kleidet sie sich, was isst sie, was trinkt sie – kurz: Verhält sie sich verantwortungsvoll? Bei einer Schwarzen Frau und WoC potenziert sich dieses Verhalten nur noch, denn ihr Körper wird öffentlich noch mehr objektifiziert.
Der Babybauch als allgemeiner Besitz
Zudem wird der Bauch plötzlich zum allgemeinen Besitz. Sobald er sichtbar ist, wird er gestreichelt, getätschelt und begutachtet – egal wo, egal von wem. Ja, das passiert bei Frauenkörpern auch ganz ohne Schwangerschaft, scheint aber während einer solchen gemeinhin vollkommen in Ordnung zu sein.
Ohne ein Wort setzt Rihanna mit ihren Bildern ein ganz klares Zeichen: Mir ist egal, was ihr denkt, ich höre nicht auf, als Frau zu existieren, nur weil ich ein Kind in mir trage. Und damit konfrontiert sie die Gesellschaft, die jahrhundertelang Schwangere aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen hat und die physische Realität von Schwangerschaft gleich mit. Ja, ich hatte Sex – so what?! Während schwangere Frauen in der Antike noch verehrt und als physische Verkörperung der Verbindung der Frau mit „Mutter Erde“ angesehen wurden, hat sich dieses Bild seit dem Mittelalter stark gewandelt.
Eine Schwangerschaft wurde als fast schändlicher Zustand, als Zeichen der Instabilität angesehen und wurde deswegen auch bis zur Geburt des Kindes besser verborgen. Nicht selten häufen sich daher Aufzeichnungen oder auch Darstellungen in Filmen und Serien, in denen schwangere Frauen ihre gesamte Schwangerschaft abseits aller anderen verbringen oder ihnen strikte Bettruhe verordnet wird. Selbst Prinzessin Diana hüllte ihren Babybauch Mitte der 1980er Jahre noch in gerüschte und weite Kleider. Anfang der 1990er waren es wiederum prominente Frauen, die ihre Schwangerschaft nicht mehr verstecken wollten. Das Porträt der hochschwangeren und nackten Schauspielerin Demi Moore in der Vanity Fair 1991 sorgte für enormes Aufsehen. Die New York Times meinte damals, Moore läutete damit das „Zeitalter der Schwangerschaftskunstporträts“ ein.
Promi-Frauen feiern ihre schwangeren Körper
In den folgenden Jahren schlossen sich ihr weitere Frauen an wie Model Cindy Crawford, Sängerin Britney Spears und Tennisspielerin Serena Williams. 2017 stellte die Sängerin Beyoncé mit ihren Babybauchbildern sogar einen neuen Weltrekord auf. Hochschwanger mit Zwillingen, ließ sie sich in Unterwäsche und einem Schleier ablichten. 9,9 Millionen Likes und 450.000 Kommentare brachten ihr damals mal eben einen neuen Instagram-Like-Weltrekord ein. Doch nicht nur das. Beyoncé zeigte nicht nur ihren nackten Bauch, sie spielte mit ihren Bildern auch noch mit dem Klischee: Durch den Schleier und die riesige Blumendekoration im Hintergrund wirkt das gesamte Setting fast wie auf einer Hochzeit.
Rihanna bringt diesen Trend mit ihren Bildern auf ein neues Level. Denn auch wenn die Bilder und ihre Auftritte inszeniert sind, bringt sie den nackten Babybauch in den Alltag. Egal ob im Urlaub, auf dem neuen Cover der Vogue, oder auf dem roten Teppich, Rihanna zeigt zurzeit ihren Bauch und zwar voller Stolz. Sie verhüllt ihren Körper nicht, steckt ihn nicht in die gängige verspielte Umstandsmode mit Schleifen, Streifen oder Blumenmustern. Sie selbst bezeichnet ihren Look als „rebellisch“ und das ist er auch.
Die Sängerin traut sich das, was die Modeindustrie schwangeren Frauen wegen ihrer gesellschaftlichen Normen bisher verwehrt: aufzufallen, sich weiterhin extravagant zu kleiden oder auch einfach nur aktuelle Trends zu tragen. Rihanna wehrt sich mit ihren Outfits dagegen, als „Gebärmaschine“ wahrgenommen zu werden. Dabei hat sie einfach nur beschlossen, weiterhin sie selbst zu sein und das ist wohl das Radikalste, was eine schwangere Frau in der Öffentlichkeit tun kann.
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