Debatte über grünen Lobbyismus: Empörend ist was anderes

Besser eine Greenpeace-Leiterin im Ministerium als schon wieder ein Banker. Trotzdem ist das Prinzip Lobbyismus ein Problem für die Demokratie.

Jennifer Morgen lacht

Wechselt von Greenpeace ins Auswärtige Amt: Jennifer Morgan Foto: John MacDougall/ap

Greenpeace kommt ins deutsche Außenministerium, und ein Attac-Mitbegründer arbeitet im Bundeswirtschaftsministerium – jeweils in Person von Jennifer Morgan und Sven Giegold –, wobei Letzterer schon seit 2008 in die Politik gewechselt war. Die Union ist entsetzt. „Was kommt als Nächstes? Die Antifa zieht im Bundesinnenministerium ein und Foodwatch berät das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft?“, fragte empört etwa CDU-Generalsekretär Markus Blume auf Twitter.

Abgesehen von der schwer fassbaren Spießigkeit und Unwissenheit über die Antifa in dieser Aussage, ist diese Reaktion denkbar scheinheilig. Ein Jobwechsel von einer Lobbyorganisation in die Politik, das ist doch gang und gäbe, will man entgegnen – gerade in der Union. Kein Wort der Empörung verlor sie denn auch über Jörg Kukies, früher Investmentbanker bei Goldmann Sachs, der nun dank Olaf Scholz (SPD) die Abteilung Finanz- und Wirtschaftspolitik im Kanzleramt leitet.

Trotzdem kann man die Prinzipienfrage stellen: Wer darf oder soll unter welchen Umständen und in welchem Maße auf die Politik Einfluss nehmen? Machen die Grünen mit der Benennung von Morgan strukturell dasselbe, was die SPD mit Kukies macht? Jein. Einerseits ist es üblich und naheliegend, dass eine Regierung ihre Ministerien mit Menschen besetzt, die ihnen politisch nahestehen. Auch wurde mit Jennifer Morgan eine Person aus der Zivilgesellschaft herangezogen, die keine Profitinteressen vertritt.

Trotzdem liegt hinter der Einflussnahme von Lobbyorganisationen und Unternehmen, die in die Ministerien wechseln, ein allgemeines Problem. Viele Menschen haben schlicht keine starke Lobby. Das merkt man aktuell an der Situation von Kindern an den Schulen während der Pandemie – sie werden von der Politik vernachlässigt. An Hartz-IV-Empfängern. Die repräsentative Demokratie repräsentiert viele Menschen nicht, wenn diese nicht von einer einflussreichen Organisation vertreten werden. Eine strukturelle Verbesserung bestünde darin, solche „stimmlosen“ Gruppen oder Menschen einzubinden, ganz ohne Lobby.

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