Debatte über Ehegattensplitting: Let’s talk about tax
Seit Jahrzehnten wird über das Ehegattensplitting gestritten. Wenn SPD-Chef Lars Klingbeil über Steuerprivilegien reden will, muss er konsequent sein.
E ine Debatte über Steuern, wie erfrischend! SPD-Chef Lars Klingbeil hat vorgeschlagen, das Ehegattensplitting abzuschaffen, die FDP hat umgehend dagegengehalten, und nun wird rauf und runter diskutiert, wer recht hat. Als die Regierung in der vergangenen Woche den Haushaltsentwurf beschlossen hatte, drehte sich die Debatte darum, wo am besten gespart werden könne. Es ist gut, dass nun auch mal die Einnahmenseite in den Fokus rückt, also, wo Geld herkommen kann, damit der Staat keine Ausgaben kürzen muss.
Das Ehegattensplitting bietet sich als dankbares Ziel sozialdemokratischer Attacken an. Nicht nur, dass der Staat durch die Ende der 50er Jahre beschlossene Subvention für Verheiratete und Lebenspartner:innen jedes Jahr auf einen zweistelligen Milliardenbetrag verzichtet. Es ist außerdem aus der Zeit gefallen, denn es zementiert eine Rollenverteilung à la „Mann geht arbeiten, Frau bleibt zu Hause“.
Das Splitting basiert auf dem Prinzip Wirtschaftsgemeinschaft, bei dem jede:r Partner:in die Hälfte des Gesamteinkommens versteuert. Klingt gerecht, aber praktisch lohnt es sich nicht, wenn beide gleich viel verdienen. Der Vorteil ist umso größer, je größer der Einkommensunterschied ist, denn die besserverdienende Partei rutscht mit der Halbierung in einen niedrigeren Tarif. Das ist in der Regel der Mann.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rollenverteilung in seiner Begründung zur Beibehaltung des Ehegattensplittings von 1982 auch explizit erwähnt, als es schrieb, der vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Zweck sei unter anderem „eine besondere Anerkennung der Aufgabe der Ehefrau als Hausfrau und Mutter“.
Doch die Tatsache, dass seit Jahrzehnten über das Splitting gestritten wird, zeigt, dass die Abschaffung nicht ganz einfach ist. In einer Koalition mit der FDP dürften die Erfolgsaussichten gering sein. Wenn Klingbeil es tatsächlich ernst meint mit einer Debatte über Steuerprivilegien, dann sollte er diese auch konsequent führen. Gegen den Koalitionspartner und den eigenen Kanzler. Sonst bleibt es ein billiger Profilierungsversuch.
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