DIW analysiert AfD-Wahlprogramm: AfD-Wäh­le­r schaden sich selbst

Unter der Politik der AfD würden laut DIW ihre eigenen Wäh­le­r*in­nen am meisten leiden. Die Wahlentscheidung sei eine „kollektive Fehleinschätzung“.

Eine Hand hält ein Schild in die Höhe, darauf steht: "Die AfD ist keine Alternative".

Keine Alternative für soziale Gerechtigkeit: Die AfD möchte das Bürgergeld kürzen Foto: dpa

Berlin taz | AfD-Wähler*innen schaden mit ihrer Wahlentscheidung offenbar ihren eigenen Interessen: Würde das Programm der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuften Partei umgesetzt, wären die eigenen Wäh­le­r*in­nen die „Hauptleidtragenden“ und stünden wirtschaftlich schlechter da als zuvor. Das ergibt eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Demnach ist das Einkommen und der Bildungsstand von AfD-Wähler*innen im Vergleich eher gering bis mittelhoch, Ar­bei­te­r*in­nen und Arbeitslose wählen überdurchschnittlich häufig AfD. Sie sind eher männlich und besonders häufig in der Gruppe der 45- bis 59-Jährigen zu finden, leben öfter in Ostdeutschland, in vielen Fällen in ländlichen und strukturschwachen Regionen. In Wahlkreisen, die durch die Abwanderung von jungen Menschen, Familien und Fachkräften sowie Unternehmen geprägt sind, ist die AfD besonders erfolgreich.

Im Gegensatz zu den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Interessen ihrer Wählergruppe steht das Programm der Partei: Die Untersuchung des DIW ergab, dass die AfD eine extrem neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik verfolge. Sie setze sich für Steuersenkungen, etwa bei der Erbschaftssteuer, und gegen Steuererhöhungen auch bei besonders hohen Vermögen ein. Den Solidaritätszuschlag für Spit­zen­ver­die­ne­r*in­nen wolle die Partei komplett abschaffen.

Bei der Wirtschaftspolitik setzt die AfD auf die Macht des Marktes und will die Rolle des Staates beschneiden. Keine andere Partei hat außerdem größere Einschnitte bei Sozialleistungen geplant. Die AfD ist zudem gegen stärkeren Mieterschutz, hat vor, das Bürgergeld zu beschneiden und zeitlich auf sechs Monate zu begrenzen und Langzeitarbeitslose zu „Bürgerarbeit“ zwangszuverpflichten.

AfD-Politik marginalisiert eigene Wählerschaft

„Würde sich die AfD-Politik durchsetzen, käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen von AfD-Wähler*innen hin zu den Wäh­le­r*in­nen anderer Parteien“, fasst Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, die Untersuchung zusammen. Wäre die Partei an der Macht, würden die oftmals ohnehin schon am Rande der Gesellschaft stehenden AfD-Wähler*innen noch stärker marginalisiert. Die Wäh­le­r*in­nen unterlägen einer „kollektiven Fehleinschätzung“, wenn sie davon ausgingen, dass die Pläne der AfD ihnen zu mehr Sicherheit und Chancen sowie besseren Arbeitsplätzen verhelfen würde – das Gegenteil sei der Fall.

Trotzdem: Die AfD steht in einem bundesweiten Umfragehoch, war zuletzt laut ARD-Umfrage nach der CDU zweitstärkste Kraft mit 21 Prozent. Die Partei erzielte in den letzten Monaten regionale Wahlerfolge. Im Juli wurde in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt AfD-Kandidat Hannes Loth zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt, kurz zuvor gewann im thüringischen Landkreis Sonneberg Robert Sesselmann als erster AfD-Politiker bundesweit das Landratsamt.

Beide wurden am Mittwoch vereidigt. In Sonneberg sind besonders viele Menschen prekär beschäftigt, rund 40 Prozent leben vom Mindestlohn – so viele wie nirgendwo sonst. Die AfD hatte sich zuletzt gegen dessen Erhöhung ausgesprochen.

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