DFB-Wechsel von Adidas zu Nike: Habeck, der Standortpopulist

Der Wirtschaftsminister hat den Ausrüsterwechsel kritisiert, er wünscht „mehr Standortpatriotismus“. Doch Habeck ist beim Joggen selbst kein Patriot.

Robert Habeck in Joggingklamotten in Meseberg

Wie unpatriotisch: Robert Habeck in Nike-Jogginghose in Meseberg Foto: Sören Stache/dpa

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck krempelt die ballonseidenen Ärmel hoch und geht in die sportliche Offensive: Er habe sich „mehr Standortpatriotismus“ vom Deutschen Fußballbund gewünscht bei seiner Entscheidung für den neuen Ausrüster. Gerade war bekannt geworden, dass sich der DFB gegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem langjährigen Geschäftspartner Adidas entschieden hat und ab 2027 mit einem Nike-Haken auf der Brust auflaufen wird. Und nicht nur das sogenannte Netz, sondern auch der Vizekanzler reagierten erstaunlich moralisch.

Dass sich ein deutscher Minister, zuständig für das Wohl deutscher Unternehmen, rhetorisch vor diese stellt, ist nicht sonderlich überraschend. Ist ja schließlich sein Job, könnte man meinen. Und trotzdem sind Habecks Äußerungen zum DFB und seinem neuen Ausrüster irritierend.

Zunächst einmal, weil Adidas nun nicht gerade ein sympathischer Schneider von nebenan ist, sondern ebenso wie Nike ein globaler Riesenkonzern in Form einer Aktiengesellschaft, der seine Produktion in alle Welt ausgelagert hat. Die Marke profitiert von ihrer historischen Nähe zur deutschen Fußballnationalmannschaft, davon, dass Unternehmensgründer Adi Dassler (der abgekürzte Vorname steht für echte deutsche Standortpatrioten) mit Bundestrainer Sepp Herberger auf der Bank saß und höchstpersönlich die Stollen in die Schuhe der Sportler schraubte.

Aber das ist Folklore – und verdeckt, dass Adidas und der Deutsche Fußballbund historisch eine viel zu große Nähe zueinander haben, die für die Entwicklung des deutschen Fußballs nicht förderlich, sondern hinderlich war.

Die Emanzipation von Adidas

Adidas-Funktionäre waren im deutschen Fußball immer sehr einflussreich. Dem Konzern gehört ein Anteil der FC Bayern München AG, neben der deutschen Nationalmannschaft die zweite globale Marke des deutschen Fußballs. Man erinnere auch an die Rolle des ehemaligen Adidas-Vorstandsvorsitzenden Robert Louis-Dreyfus im Steuerskandal von Uli Hoeneß, dem er Geld zum Zocken an der Börse lieh. Und Dreyfuß lieh dem WM-Organisationskomitee Geld, das mutmaßlich zur Bestechung verwendet wurde, um die WM nach Deutschland zu holen. Im Gegenzug blieb der DFB Adidas als Ausrüster lange treu – auch als das längst nicht mehr im eigenen Interesse war.

Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass sich Nike um die Sportrechte des Deutschen Fußballbunds bemüht. 2006 und 2007 lockte der US-amerikanische Konzern mit einem weitaus besseren Angebot als Adidas. Und es war dann der damalige Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Kalle Rummenigge, der im Sinne seines Anteilseigners dem DFB drohte: Wenn dieser das Angebot von Nike annehmen sollte, würden die Spieler des FC Bayern nicht mehr zu Länderspielen freigestellt werden. Adidas erhielt dann den Zuschlag, und der Deutsche Fußballbund, angeblich eine gemeinnützige Organisation, verzichtete auf viel Geld.

Mehr als 15 Jahre später hat sich der DFB nun also von Adidas emanzipiert. Wie das Handelsblatt berichtet, zahlt Nike 100 Millionen Euro im Jahr an den Deutschen Fußballbund, doppelt so viel wie aktuell Adidas. Es ist Geld, das auch dem Breitensport, den vielen Millionen Mitgliedern des DFB zugute kommt.

Robert Habeck könnte sich darüber freuen, er könnte begrüßen, dass sich Transparenz und freier Wettbewerb nun endlich auch im Deutschen Fußball durchsetzen, also zumindest bei der Auswahl des Ausrüsters. Dass er sich stattdessen implizit für eine Fortsetzung der guten alten deutschen Vetternwirtschaft einsetzt, statt dem Deutschen Fußballbund im globalen Wettbewerb die besten Chancen zu wünschen, könnte man als Standortpopulismus bezeichnen.

Und wo wir schon bei Populismus sind: taz-Recherchen zeigen exklusiv, dass es auch der deutsche Wirtschaftsminister bei der Wahl seiner Sportklamotten nicht so genau nimmt. Ein Foto aus dem März 2023 zeigt ihn beim Joggen am Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung. Und was trägt der Minister da? Eine rote Sporthose von Nike. Dazu Sportschuhe von Asics, einer japanischen Marke. Immerhin, der Kapuzenpullover des Ministers ist von Iriedaily, die mit ihrer Herkunft aus Berlin-Kreuzberg Werbung machen. So viel Kreuzberger Standortpatriotismus kann die taz nur begrüßen!

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Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.

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